vonDominic Johnson 22.09.2010

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Eine einfache Autofahrt von Ruanda nach Kongo macht offensichtlich: in Ruanda geht die Entwicklung stürmisch voran – im Kongo herrscht Stillstand.

Überall in Ruanda wird gebaut. Nicht nur, was inzwischen jeder weiß, in der boomenden Hauptstadt Kigali, wo inzwischen sogar glitzernde Hochhäuser in die Höhe schießen. Auch draußen auf dem Land verändert sich alles. Neue Schulen entstehen, über Dutzende Kilometer hinweg verlegen Bauarbeiter Glasfaserkabel zur Verkabelung des gesamten Landes, die Hauptstraßen werden modernisiert. Rund um das beschauliche Gisenyi an der Grenze zum Kongo füllen zu Hunderten neue Kleinhäuser mit blinkenden Wellblechdächern die Täler, in denen vor wenigen Jahren noch Bananenhaine wuchsen. Das ist keine Landflucht in die Stadt, sagt man mir: Bewohner von Gisenyi, das dank Tourismus, Methangas und Kongo-Grenzhandel reich geworden ist, kaufen sich Grundstücke auf dem Land. In anderen Dörfern gibt es mehr kleine Läden als früher, mehr Aktivität. Die staubige, verfallene Innenstadt Gisenyis wird nun auch generalüberholt, die Straßen frisch hergerichtet. Ruanda macht den Anschein eines Landes in permanenter, atemloser Veränderung.

Nicht, daß dabei alles wunderbar wäre. Gisenyi war einst eine lauschige, schläfrige Kleinstadt am See voller wunderbarer alter Bäume. Fast alle die alten Bäume sind weg, der Verbreiterung der Straßen zum Opfer gefallen. Es ist staubiger geworden, und irgendwie langweiliger. Auf der Überlandstraße nach Gisenyi fuhr man einst durch die Dörfer wie durch Blumenmeere, mit tropischen Blumen in Hülle und Fülle beiderseits der Straße und romantischen Kleingärten an den Hütten. Heute sieht man nur noch hier und da eine Blüte: erst kam die Straßenverbreiterung, jetzt baut jeder Haushalt vor seiner Hütte Mais an – offenbar in Erfüllung einer Regierungsdirektive. Effizienter mag das alles sein, aber etwas ist verlorengegangen. Wobei manche der schönsten Blumen in Orten wuchsen, in denen es am meisten Tote während des Völkermordes gab.

Über solche Kollateralschäden der Modernisierung wären die benachbarten Kongolesen allerdings froh. Goma, die wuchernde Grenzstadt, wird immer chaotischer. Die Versuche vergangener Jahre, zumindest die Straßen befahrbar zu machen und die Infrastruktur auszubauen, scheinen zum Stillstand gekommen zu sein. Die Löcher in den Straßen werden tiefer, die Staus werden zum Dauerzustand. Man hat Häuser und Mauern abgerissen, um Straßen verbreitern zu können, aber dann die Arbeit eingestellt, so daß man nun an Ruinen vorbeifährt. Nicht einmal zum Besuch des Staatschefs Joseph Kabila vorletzte Woche hat man sich Mühe gegeben, die schlimmsten optischen Mißstände zu beseitigen – unerhört.

Die Stadt scheint wie gelähmt, die Zukunftsängste nehmen zu, Initiativen ergreift niemand mehr. Die Krise und die Unsicherheit hinterlassen ihre Spuren, deutlicher und deprimierender als man denken könnte.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/goma_faellt_zurueck/

aktuell auf taz.de

kommentare