Wie repariert man eine löchrig gewordene Straße? Stufe 1: Man trägt die Asphaltreste obendrauf ab. Stufe 2: Man planiert. Stufe 3: Man legt neuen Asphalt.
Gomas Autofahrer warten schon seit Jahren darauf, daß die Hauptstraße aus dem Stadtzentrum heraus nach Westen auf diese Weise repariert wird, ebenso die von dieser Hauptstraße abgehende “Avenue de la Paix” entlang des Kivusees Richtung Gouverneursresidenz, an der zahlreiche Villen, NGO-Sitze und Hotels liegen. In sorgfältiger Vorbereitung zu dem Neubau dieser Straße samt Verbreiterung hatte der Bürgermeister von Goma in den letzten Jahren bereits Häuser abreißen, Straßenrandmärkte verbieten und Mauern einreißen lassen (meist zum Ärger der wenig oder gar nicht vorgewarnten Eigentümer), zahlreiche blühende Bäume gefällt und darauf verzichtet, Schlaglöcher kurzfristig zu reparieren. Denn bald sollte ja alles neu werden.
Die Reparatur ging jetzt so: Stufe 1: eine chinesische Firma trägt im kongolesischen Staatsauftrag den Asphalt ab. Stufe 2: es wird rote Erde aufgeschüttet. Stufe 3: Die chinesische Firma bricht die Arbeiten ab, weil sie nicht genug Geld bekommen hat.
Seit Monaten ähnelt daher die Hauptstraße aus Goma Richtung Westen einem Feldweg, auf dem Gomas Berufsverkehr im holprigen Sand sanft von Loch zu Loch hoppelt. Wenn es regnet, spritzen die Autos und Motorräder die Passanten voll. Wenn es nicht regnet, umhüllen dichte Staubwolken den Straßenverkehr. Denselben Effekt, nur billiger, bewirkt die Entwicklung der “Avenue de la Paix”: Hier wurde zwar der Asphalt nicht extra abgetragen, aber es gibt ihn auch nur noch sporadisch, an seinen Rändern werden die Löcher allmählich unüberwindbar und man kommt teilweise zu Fuß schneller voran als im Auto.
An einer besonders heiklen Stelle nutzt ein Anwohner den verbleibenden Asphaltrest, der sich zufällig vor seinem Haus befindet, als seinen Privatparkplatz. Hatten früher Studenten gerne immer mal diese Straße blockiert, um gegen irgendetwas zu protestieren, ist das inzwischen gar nicht mehr nötig: Die Straße blockiert sich selbst. Der zuständige Bürgermeister von Goma wurde inzwischen abgesetzt, aus ganz anderen Gründen.
Wenn Kongos Regierung etwas daran gelegen sein sollte, bei den kommenden Wahlen Ende November unter den enttäuschten Ostkongolesen Stimmen zu sammeln, würde sie jetzt wenigstens mal die Bulldozer losschicken, um zumindest den Anschein des Beginns einer Wiederaufnahme der Straßensanierung zu erwecken. Aber wahrscheinlich sind gerade keine übrig. Was den Anschein erweckt, Kongos Regierung habe Goma irgendwie aufgegeben – infrástrukturell, und auch politisch. Als dieser Tage die First Lady Olive Lembe, Ehefrau von Staatspräsident Joseph Kabila, die Stadt besuchte, machte sie sich sehr rar und reservierte ihre Jubelauftritte für ländliche Gegenden.
Gomas Oberschicht, deren Bauwut bei der Errichtung von Protzvillen ungebrochen erscheint, reagiert auf ihre Weise auf die rapide zerbröselnde Infrastruktur und die grassierende Angst vor Gewalt rund um die Wahlen. Die Mauern rund um die Grundstücke werden höher, und glitzernder Stacheldraht obendrauf ist inzwischen die Norm. Neu und zunehmend beliebt ist auch die Errichtung kleiner Wachtürme an den Einfahrten, damit das Wachpersonal Besucher sehen kann, ohne das Tor öffnen zu müssen. Falls es mal kracht, kann man natürlich von dort aus auch schießen. Gomas Villen entwickeln sich zu Festungen, ähnlich mittelalterlichen Trutzburgen. Vorsicht? Oder Vorahnung?