vonDetlef Berentzen 30.12.2010

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„Es kommt nicht alle Tage vor, daß im Radio vom Radio geredet wird,- man möchte im Gegenteil behaupten, daß solche Momente Ausnahmezuständen des Radios gleichkommen – sie sind gewissermaßen Programmstörungen, die wie ein Kabelbrand im Studio das Sendegeschehen trüben.“ (Peter Sloterdijk)

Na also, endlich mal wieder ein Kabelbrand! Inszeniert von Sloterdijk persönlich! Es war demnach wirklich keine schlechte Idee von Feature-Redakteur Wolfram Wessels im September d.J. das Magazin „Mehrspur“ auf SWR2 ins akustische Leben zu rufen,um im Radio über’s Radio zu reden,… von wegen „Radio reflektiert“ und dem eigenen Medium den Spiegel vorhalten – nicht ohne dabei mit der taz zu kooperieren!

Zwar wird bislang nur einmal im Monat gesendet, doch auch die taz-Medienseite „spurt“ inzwischen radiophon – ein Anfang ist also gemacht, gegen den Trend des Banalen: „Video kills the Radio-Star“ und überall nur noch Shrinkheads mit Werbepausen im Hirn und diesem verdammten Flimmern in den trüben Augen. Nein, meine Damen und Herren, es geht auch anders! Es gibt tatsächlich (!) ein Comeback des Hörens, der Worte, der HörBilder. Und man spricht darüber,…eben auch Mediastar Sloterdijk in seinen Notizen zur „Philosophie des Radios“, die er im November während der „Hörspieltage“ in Karlsruhe vortrug.

Noch bevor SWR2 das Wortgewitter des Radiophilosophen als „Essay“ am 10. Januar 2011 sendet, bringt die neue Ausgabe von „Mehrspur“ am kommenden Sonntag (2. Januar 2011, 19.30 Uhr) Auszüge daraus,… zu Recht, denn Sloterdijks Reflex kommt durchaus paßrecht daher: „Damit tritt, was das Medium anbelangt, ein stiller Ausnahmezustand ein – denn es kommt ihm beim Standardbetrieb nicht zu, beim Senden am Senden zu zweifeln“. Ein Lob des Zweifels also, der kein Verzweifeln ist – Sloterdijk goes Radio und damit eigentlich „back to the roots“. Denn früher waren sie allabendlich im Radio hörbar, die Denker und Schreiber, reflektiert, spannend und klug genug. Da gab es noch keine Formatmaschine, die ihre brillanten Sätze im Minutentakt zermalmte und niemanden, der behauptete, die Hörer seien nicht in der Lage, mehr als eineinhalb Minuten zuzuhören.

Welch ein Unsinn. Wir alle können. Vor allen Dingen konnten wir. Stundenlang. Damals war’s. Aber lassen wir die alten Zeiten! Wenn ich sehe, wie viele Kids heute „elend“ lange Hörstücke als podcast aus dem Netz downloaden, sie verbreiten und sampeln, wieviele „freie Radios“ sich auf  dem Markt versuchen, dann will Freude aufkommen. Auch diese Freude gilt es zu reflektieren. Denn sie birgt eine Ahnung von Zukunft. Meint ein Radio, das noch im Werden ist. Und es nötig hat, sich seiner selbst als postmodern bewusst zu werden.

„Radio reflektiert“ also. Auf mehreren Spuren. Neben der Sloterdijk-Spur präsentiert Moderator Wessels am Sonntag noch die Hörspielspur vom „Günter-Eich-Preis“, der in diesem Jahr an Hubert Wiedfeld ging, für’s Lebenswerk und überhaupt. Und auch David Denk von der taz-Medienredaktion ist wieder hörbar, erklärt Julian Assange qua Rubrik zu jener „Sau“, die die Medien nicht ohne Folgen durch ihr quoten-und auflagengeiles Dorf getrieben haben: „Aus dem geheimnisvoll Frühergrauten ist auch optisch ein Popstar geworden, eine Art Ronan Keating der Netzaktivisten.“

All das kommt durchaus tauglich und hörenswert daher, genau wie die akustischen Intermezzi von DokuBloggern, die im Rahmen des Medienmagazins  gesendet werden. Kurzum: Anfänge wie „Mehrspur“ lobe ich mir. Samt ihrem produktiven Zweifel. Also mehr davon. Just listen!

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