vonDetlef Berentzen 12.01.2011

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„Im Jahre 1809 zeigten sich in Europa zwei sonderbar entgegengesetzte menschliche Naturphänomene: das Eine eine sogenannte „Unverbrennliche“, namens Karoline Kopini, das andere eine ungeheure Wassertrinkerin, namens Chartret aus Courton in Frankreich.
Lene , die „Unverbrennliche“, trank siedend heißes Oel, wusch sich mit Scheidewasser, ja sogar mit zerschmolzenem Blei, Gesicht und Hände, gieng mit nackten Füssen auf einer dicken glühenden Eisenplatte umher. Alles ohne irgendeine Empfindung von Schmerz.
Die Andere trinkt, seit ihrem 8ten Jahre täglich 20 Kannen laues Wasser; wenn sie weniger trinkt, ist sie krank, fühlt Stiche in der Seite und fällt in eine Art von Betäubung – übrigens ist sie körperlich und geistig gesund und war vor zwei jahren 52 Jahre alt.
“ („Berliner Abendblätter“ vom 9. Januar 1811)

Mal ehrlich, wer braucht ob solcher Nachrichten noch das aktuelle Boulevard? Niemand! Vor allen Dingen deshalb nicht, weil der geneigte Leser in den „Blättern“ neben solch lehrreichen „Beiträgen zur Kulturgeschichte des Menschen“ noch Gedichte von Brentano, Abhandlungen zum Marionettentheater und die neuesten kritischen Informationen zum Gesundheitszustand des Königs finden konnte – die „Berliner Abendblätter“ hatten eben alles zu  bieten, was ein Citoyen von Format noch heute braucht: Aufklärung, Mythos, Esprit und einen jungen Herausgeber, den sich selbst die taz zum Genossen wünschen würde: Heinrich von Kleist. Ein halbes Jahr lang, von Oktober 1810 bis März 1811 bereicherte er mit den „Abendblättern“ die dürre Zeitungslandschaft Berlins und suchte der Zensur zu widerstehen.

„Das zweihundertjaehrige Jubilaeum bietet nun einen guten Anlass, die Berliner Abendblaetter erneut im Originalrhythmus der Erstpublikation zu veroeffentlichen und zu lesen, genau um zweihundert Jahre versetzt. Die Abendblaetter werden diesmal als kostenlose Tageszeitung mit elektronischer Post ausgegeben.“ Und tatsächlich, die Philologen der Uni Würzburg stellen Kleists „Abendblätter“ noch bis Ende März per Mail zur Verfügung.  Machen Zeitgeschichte im Original lesbar. Dazu wird auf besonderen Wunsch „laues Wasser“ gereicht. Literweise.

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