„Dennoch ist und bleibt das Radio ein relevantes journalistisches Informationsmedium, das sich trotz verschärfter Medienkonkurrenz weiterhin behaupten wird – durch kluge Reportagen, spannende Features, anregende Hörspiele, also all diejenigen Erzählformen, die das viel zitierte „Kino im Kopf“ hör- und erlebbar machen. Nur eines wird das Radio nie wieder sein können: ein primäres Nachrichten- und Live-Medium.“ (Stephan Weichert)
„Rainy Day. Dream away. Let the sun take a holiday.“… Die Radioguys der öffentlich Verrechteten sollten vielleicht öfter mal von Jimi Hendrix & Co. erzählen, seine Songs spielen, ganz egal, was die computergestützte Musikauswahl sonst gerade vorsieht, egal auch, ob die „Silbermondgeneration“ mit einem „Eelctric Ladyland“ nichts anfangen kann, weil sie sich gerade in den Songs der Bleichgesichter als Prekariat feiert – Campact!, brothers and sisters!
„Rainy Day, the world rains away“, …den Text schrieb Hendrix in Miami, „in the back of the car“, es läutete Sturm vom Himmel und „Hey Joe“ träumte sich fort, vielleicht zu seiner „Little Miss Strange“. Nichts anderes treibe ich an solchen Tagen: Träumen, Kaffeetrinken, Zeitung, Buch, Radio, dicke Socken und sonntags um 19.30 Uhr dann als mögliche Krönung die „Mehrspur“. Jenes Medienmagazin, in dem Redakteur Wolfram Wessels vom SWR2 das Radio reflektieren läßt, in großen, kleinen, mitunter blankgeputzten Spiegeln. Nur von Hendrix war bei „Mehrspur“ bislang keine Rede, jedenfalls nicht direkt, eher immer dann, wenn das elende Formatradio von engagierten AutorInnen gekreuzigt wurde, weil das Immergleiche auf Dauer die Ohren und andere Sinne verstopft.
Vielleicht sollten sich die Radiomacher (reden wir hier mal nicht von den Privaten) einfach entspannen und ein wenig darüber nachdenken, was sie in dieser schönen neuen Welt wirklich noch leisten können. Stephan Weichert hat da für „Mehrspur“ schon mal ein wenig vorausgedacht. Es braucht Vordenker wie Weichert (Journalistikprofessor, auch „Netzwerk Recherche“), die mal ein wenig vorauslaufen und sich das mediale Desaster aus einer gewissen Distanz anschauen, was Herr W. in seinem Buch über die „Verwahrlosung des Hauptstadtjournalismus“ ja auch bereits getan hat. Für „Mehrspur“ nimmt er sich das Radio vor, fordert, daß es sich auf Background-Qualität und nicht länger auf Quote besinnt, sich Zeit nimmt für eigen-sinnige Reflexion und Ästhetik:
„Es muss sich vom flüchtigen Reiz der Schnelligkeit und der ungeprüften Aktualität lossagen. Und es muss sich auf das konzentrieren, was es im digitalen Zeitalter vielen anderen Medien voraus hat: den echten Luxus, gute Geschichten nicht entlang von Bildern erzählen zu müssen. Gerade die gut gemachten Informationsprogramme dürfen sich den Nachrichten-Sofortismus nicht dadurch erkaufen, dass ihre Berichterstattung genauso redundant, nervös und teilweise überheblich wirkt wie mitunter die des Fernsehens – das würde auch jeden noch so geneigten Radio-Fan in die Untiefen des Internet treiben.“
„Slow down, you move too fast“,…das ist nun nicht von Hendrix, aber trotzdem wahr und gilt für all die schnellen Programmdeformer, die immer irgendwelchen Trends hinterherlaufen, statt sie selbst zu setten. Trendsetter, das sind indes viele Hörspielmacher, die in ihren eigenen Studios produzieren, als „Hörspieltalk, hörspieltipps.net, hoerspiel-box.de, Mindcrusher studios, Ohrland-Verlag, Hörzentrale, Lauscher Lounge, Dreamland Productions, HörbuchFM, Buchfunk, Hörspielprojekt.de, Tinnitus Hörspiele…“ firmieren oder auch als „Hörspielgemeinschaft“, die ihren Auftritt in Leipzig plant. Davon mehr in „Mehrspur“ und wie immer auch das „Medientagebuch“ aus der zuständigen taz-Fachredaktion, denn die kooperiert schließlich mit Wessels und seinem SWR2-Magazin. Diesmal präsentiert Steffen Grimberg seine Tagesnotizen. Nicht so sehr (!) an Radiophones erinnert er sich, eher an die Zirkusnummern beim KiKa oder an TV-Gremien ( bsp.im ZDF), die all das Lebendige vermissen lassen, was User im Netz täglich neu manifestieren:
„Das Grimme Institut vergab seine begehrte Online-Awards. Und das lässt Redakteursherzen höher schlagen. Vor allem, wenn es die richtigen trifft. Also musste das GuttenPlagWiki dabei sein – und es war dabei. Schließlich machte es wahr, wovon alle Netzevangelisten träumen: Nutzer prüfen gemeinsam, ob ein Doktorand bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat – und zeigen so den klassischen Massenmedien, was eine Harke ist. Für den damals, laut Meinungsumfragen, noch beliebtesten deutschen Politiker gab es kein Entrinnen. Und für das GuttenPlag Wiki einen Preis!“
„Come on let the good times roll“ ,…immer noch regnet es, Hendrix jammt im Background und auf den Spuren von SWR 2 laufen parallel noch einige Programmtipps, auch poetische Intermezzi aus Robert Schöns Mediengeschichte : „HOERPIELSOMMER…HIER MOSLEM OPER…HOLE IRRE POMMES…MEHR EROS IM OPEL…HEIL SOMMER OPER …HOER MORE SIMPLE…“
Für eine halbe Stunde MedienRadioMagazinReflektiert reicht das. Wer heute um 19.30 Uhr nicht abkömmlich ist, kann all die Spuren natürlich in der schönen neuen Netzwelt nachhören. Und danach vielleicht dann doch wieder Jimi Hendrix: „I‘ am a voodoo Chile“…und endlich wissen: „My arrows are made of desire!“ Just listen.