Es könnte eigentlich das schönste Sommerfestival überhaupt sein, das es in Wien gibt: die nahe der Floridsdorfer Brücke stattfindenden Afrika-Tage. Wäre da nur nicht diese bombastische Bühne, der martialische Zaun, ein bekloppter Ordnerdienst und ein auf Profitmaximierung fixierte Veranstalter: die Messe und Veranstaltungsorganisation aus der Lindwurmstraße 126 in München.
Es gibt jeden Tag spontane Trommelsessions abseits des Bühnengeschehens. Das würde für eine heitere Stimmung vollkommen genügen, dazu die Hydranten mit Frischwasser. Man würde den Bazar und die Gastronomiestände gerne hinnehmen, wie ja auch bei Weihnachtsmarkt niemand auf die glorreiche Idee kommt, einen Zaun drum herum zu ziehen und für den Besuch eines Verkaufsgeländes Eintritt zu verlangen.
Genau aber das tut der deutsch-arabische Geschäftsmann Medhat Abdelati aus München. Von 14 bis 17 Uhr zahlen die Festivalgäste einen Eintritt von 5 Euro, ohne dass da irgendetwas dafür geboten würde, was nicht ein zweites Mal zu bezahlen ist. Im Gegenteil: es wird nicht nur der Messeeintritt verlangt, sondern die Security-Truppe filzt an den Eingängen auch noch Rücksacke und Taschen, um mitgeführte Getränke und Essbares zu konfiszieren.
Da sich unter den Nachmittagsbesuchern natürlich zahlreiche Menschen mit Kleinkindern befinden, wird Eltern sogar die Kinderjause abgenommen, und an den Eingangstischen stapeln sich täglich die mitgebrachten Getränkeflaschen der Kleinen. Der Leiter des Einsatzdienstes, ein Jürgen ohne Dienstnummer, verweist einfach wirsch auf die Hausordnung.
Diese 6. Afrika-Tage sind nicht bloß ein Nepp, bei dem den BesucherInnen jede Würde abgesprochen wird. Sie sind darüber hinaus eine moralisch verlogene Sache. Während nämlich von der Bühne herunter weinerliche Sprecher das Weltelend der kapitalistischen Globalisierung beklagen, schnürt der Veranstalter die gutgläubigen Zuhörer auf der Wiese zu finanziellen Melkpaketen zusammen.
An jeder Ecke werden bei den Afrika-Tagen sanfte Drogen konsumiert. Das ist schon in Ordnung, Marihuana ist nun mal das Bier der Black Community. Absurd wird die unbehelligte Mitnahme illgaler Substanzen aber, wenn am selben Gelände den Kindern ihre Kinderkekse abgenommen werden. Nichts gegen Bekiffte, aber was bitte ist das für eine grottenpeinliche Coolness, die über den Konsumterror gegen die anderen einfach bedrönt hinwegsieht?
Was beinhaltet der Eintritt? – »Die Tageskarte berechtigt zum Eintritt auf das Festivalgelände, zum Besuch des Afrika-Tage-Musikprogramms und zur Teilnahme an vielen Aktionen«, erklärt der Veranstalter auf seiner Webpage. Eine glatte Lüge. Denn es gibt keine irgendwie gearteten Aktionen, die diesen Namen verdient hätten. Sie können auf diesem Gelände Zuhören, Tanzen und Konsumieren, sonst nichts. Selbst ein Tonklümpchen im Kinderbastelzelt wird für sage und schreibe 2 Euro verkauft.
Sie können Trinken, Essen, Sie können Ihr Monatsgehalt in afrikanische Nippes investieren, Sie können sich von einer Heiltrommlerin gegen Bares beschallen lassen, Sie können gegen Euro auf einem Kamel durch die engen Bazarstraßen reiten, Sie können ihre Solidaritätsunterschrift beim Amnesty International, der SPÖ oder Falun Gong abliefern, sie können indische Götterstatuen, Massai-Röcke, Rasta-Mützen oder Tuareg-Schmuck erwerben, Fetzenkram und minderwertiges Kunsthandwerk ohne Ende, aber wehe, Sie kaufen nichts!
Die EZA ist da, die Uni Wien, der Falter, lauter gute Namen. Aber bei den Afrika-Tagen wird »kein Zeichen für Toleranz und Verständnis zwischen den Kulturen« gesetzt, wie das der Veranstalter behauptet … hier wird mit dem Wort Kultur Schindluder betrieben. Die auftretenden Bands bewegen sich zu 90 Prozent auf dem musikalischen Niveau von Volkshochschul-Workshops. Und für diese drittklassigen Darbietungen in Überlautstärke wird dem Abendpublikum ein Eintritt von 15 Euro pro Nase abgeknöpft.
Statt »17 Tage Lebensfreude pur« – Kaufen, Kaufen, Kaufen. Zugeben, der Wettergott macht es dem Veranstalter nicht einfach. Etliche Geschäfte fielen wegen Regenfällen aus. Aber rechtfertigt das schon zu allem? Wäre es nicht ehrlicher in eine Versicherung zu investieren oder Konkurs anzumelden, als die Daumenschrauben immer nur beim Publuikum anzuziehen?
Als sich heute ein Wolkenbruch ereignete, da erschrack eines der Kamele vor Blitz oder Regen so heftig, dass das unglückliche Tier ein etwa fünfjähriges blondes Mädchen in der Menge niedertrat. Rettungshubschrauber und ein Rettungsfahrzeug waren sofort zur Stelle, um das besinnungslose Kind in eine Notaufnahme zu bringen. Darauf ist in Wien Verlass.
Was aber hatte die Security des Veranstalters in dieser Situation zu tun? Die Ordner, die es beim langsam herandräuenden Unwetter verabsäumt hatten, Tiere und Menschen zu trennen, diese Sicherheitsleute jagten nun aggressiv die aus der Ferne das Unfallgeschehen beobachten BesucherInnen aus dem Gesichtsfeld des Hubschraubers. Niemand sollte das klägliche Versagen dieser Truppe zu sehen bekommen.
Das war vor drei Stunden. Glauben Sie bitte nicht, dass Sie morgen in einem österreichischen Medium etwas über diese Zustände auf der Donauinsel erfahren werden. Wie haben hier keine Journalisten, die nach dem Rechten sehen.
© Wolfgang Koch 2010