vonDetlef Kuhlbrodt 09.04.2011

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

„Wenn Dir zufällig beim Lesen eine Idee im Kopf einleuchtet, dann quäle Dich nicht länger alleine mit ihr herum, sondern teile sie uns doch mit“ (Mehringdamm)

Ausserdem wird heute um 12:30 und morgen um 11:45 der Dokumentarfilm „William S. Burroughs: A Man within“  von Yony Leiser im Moviemento gezeigt. „Die Einstellung der Besucher in Berlin: authentisch, lebensnah und informativ. Regie für den Film hatte Yony Leyser. Das Script ist ein Werk von Yony Leyser. Wohnen Sie in Berlin oder Umgebung und sind ein Fan von Dokumentarfilm? Dann werden Sie bei diesem Film 87 Min. lang Freude haben. Gedreht wurde „William S. Burroughs : A Man Within“ in Amerika im Jahre 2010. Viel Freude beim Film in der Bundeshauptstadt!“ heisst es auf der Internetseite „berlinien.de“.

Ich hatte „A Man Within“ vor einem Monat auf dem Filmfestival in Tampere/Finland gesehen und vor zwei Jahren lange ergebnislos an einem Text über die Neuübersetzung von „Naked Lunch“ gesessen. Mein Verhältnis zu Burroughs ist ambivalent. Die Passage über den Film, die im Artikel aus Platzgründen nicht mehr drin war, ging so:

„Es ist 22h. Auf dem Weg zum „Kluubi“ verlaufe ich mich nur ein bißchen. In dem Kulturzentrum gleich am Bahnhof, wird der amerikanische Dokumentarfilm „William S. Burroughs – A Man within“ von Yony Leyser gezeigt. An der Treppe vor dem Kluubi klebt ein „Stuttgart 21“-Aufkleber. Der Saal ist proppenvoll. Die Szene von Tampere sicher auch anwesend. Komisch, dass Burroughs, dessen bekannteste Bücher in den fünfziger und sechziger Jahren veröffentlicht worden, soviel Publikum zieht.

Ein seltsames Déjá-vu – ich hatte Burroughs zum ersten Mal ganz ehrfürchtig als Teenager gelesen. Seine pornografische Kälte, Gewalttätigkeit, Verpeiltheit, dieser antihippiemäßige, autoagressive Zugang zu Drogen, die Aura des wissenden kaputten alten Mannes, hatte ich bis Mitte zwanzig ganz gut gefunden. Er war einem vertraut, weil er als literarische Figur in einigen Romanen von Jack Kerouac, in Gedichten von Allen Ginsberg und bei Jörg Fauser auftaucht. Als er dann Ende der achtziger Jahre auch in der europäischen Hochkultur ankam („BLack Rider“ zusammen mit Tom Waits und Robert Wilson), als er auf der Berlinale in dieser Zeit ein paar Mal in Filmen auftauchte, war ich schon kein Burroughsfan mehr.

In fast jeder westlichen Großstadt wird es noch burroughsorientierte Dichter geben. Dass soviele Zuschauer da sind, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Beatnikikone zumindest einmal in Tampere auftrat. Vermutlich erleben die Beatniks auch hier grad ihr xtes Revival.

Yony Leyser, der in Chicago lebende Regisseur des Films, der weltweit bislang auf 15 Festivals gezeigt wurde, ist 25.

Vor dem Film erzählt er, wie Burroughs – 1983 war es wohl, bei seiner Skandinavientournee- schon einmal in Tampere gewesen war. Seine Gastgeber hätten den schwulen Junkie-Schriftsteller so betrunken gemacht, dass sein Auftritt in Gefahr gewesen wäre. Dann hätte man ihm Gras besorgt und nachdem der Dichter davon geraucht hätte, sei er wieder fit gewesen und sein Auftritt ein großer Erfolg. Die Geschichte ist sicher Quatsch.

Der 90minütige Film besteht aus viel Archivmaterial – ein paar anrührende Pasagen mit Allen Ginsberg – und Interviews mit 70er und 80er-Jahre-Ikonen, die von Burroughs beeinflusst oder mit ihm befreundet waren: Iggy Pop, Jello Biafra, Genesis P. Orridge, Patty Smith, Kathy Acker und andere Heroen exzessorientierter Kulturbewegungen. Patty Smith war lange in Buroughs verliebt. Leonardo di Caprio ist lustigerweise auch dabei. Paul McCartney hätte auch dabei sein können. Wie bei den RAF-Filmen, denkt man dann immer an das Fussvolk exzessorientierter Kulturbewegungen, an die, die nicht das Geld hatten, sich die Zähne und den Rest wieder heil machen zu lassen oder eh schon lange tod sind. Die letzte Notiz von Burroughs, kurz vor seinem Tod „love rules“ o.ä..

Nach dem Film fragt ein schüchterner Zuschauer, ob man auch heute noch so „rebellisch“ schreiben könne wie Burroughs. Yony Leiser sagt so etwas, wie „Ja, klar, leg los damit“. Danach gibt es eine „Beatparty“. Der Dichter J. K. Ihalainen spricht Gedichte und läßt sich dabei u.a. von einem sympathischen Punkrocker mit Bauch und Jackett begleiten. Schade, dass ich nichts verstehe.“

In der Autobiografie von Marc Almond gibt es auch eine ganz schöne Passage darüber, wie Burroughs im London der 80er plötzlich wieder so en vogue war. Ich finde das Buch grad nicht. Dafür eine andere Passage  von Hans Christian Dany aus dem Buch „Speed – Eine Gesellschaft auf Droge“ (Nautilus, 2007)

„Burroughs, der bei Bedarf ein schielendes Kaninchen aus dem Hut ziehen kann, verwandelt die Tötung seiner Frau über die Jahre zu einer immer weiter verfeinerten Anekdote in seiner schillernden Aura als Gentleman-Junkie. Sein selbstbezogener Nachruf bleibt nicht allein, bald spukt das dem Beweis der Zielsicherheit ihres Mannes gefallene Damenopfer als Gespenst durch das Werk zahlreicher Männer, fast so, als hätten die sich dafür entschieden, der Muse ein Nachleben im Text zu schenken.

Jack Kerouac literarisiert die Amphetaminkönigin gleich in mehreren Romanen – als Mary Dennison in Town and the City und als June in Vanity of Duluoz. Allen Ginsberg begegnet dem Geist von Vollmer vier Jahre nach ihrem Tod im Traum und schreibt danach Howl (…) Es wird das populärste Gedicht US-amerikanischen Nachkriegsliteraturund der meistverkaufte Gedichtband des 20. Jahrhunderts. Acht Jahre nach dem Tod seiner Frau veröffentlicht Burroughs mit Naked Lunch die Innenansichten seines Lebens als Junkie im Gewand eines Groschenromans. Von nun an wird der schreibende Witwer nicht müde zu betonen, ohne den Tod seiner Frau hätte er das große Stück Literatur nie schreiben können.

Wie es sich für ein Beat-Kind gehört, dessen Pflicht es ist, gelebtes Leben in Literatur zu verwandeln, verfasst der Sohn Billy, mit 19 Jahren, während des Aufenthalts in einer Entzugsklinik, mit dem Kurzroman Speed seinen Beitrag zur Familienchronik. (…)

40 Jahre nach Vollmers Tod produziert der Regisseur David Cronenberg eine Verfilmung von Burroughs Legende. In Naked Lunch hat sich der Schriftsteller endgültig in eine Sagengestalt verwandelt, die berichtet, insektenäugige Bewohner einer gewissen Zone hätten dem Kosmonauten des Inneren Raumes befohlen, seine Frau zu töten, damit sie fortan durch die Texte geistern kann.“

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hallo_du/

aktuell auf taz.de

kommentare