Am Wochenende war ich bei meiner Freundin Benita in Brooklyn, Kaffeetrinken. Ich hatte einen Blueberry Pie mitgebracht, der schmeckte wie geronnener Obstsaft, Benita tischte eine Hühnersuppe auf, deren Nudeln so lang waren, dass ich sie nicht auf den Löffel bekam, und wir redeten über das Fernsehen. New York ist dauernd im Fernsehen, immerfort drehen sie Serien, die hier spielen, Friends, Spin City, Sex and the City, die neueste ist 30 Rock, und alle Charaktere haben dort Wohnungen, die sich in echt niemand leisten könnte, jedenfalls niemand, der den ganzen Tag mit seinen Freundinnen bruncht statt zu arbeiten.
Wir meckerten also über‘s Fernsehen und dann sagte Benita plötzlich: „Ich kann Obama im Fernsehen nicht mehr ertragen – immer, wenn ich einschalte, sehe ich Obama. Obama redet über Health Care, Obama redet über Muslims, Obama macht Witze bei Leno, Obama beantwortet Journalistenfragen auf Meet the Press, Obama veranstaltet Führungen durchs Weiße Haus, wo ihn sein Hund in die Zehen beißt. Muss ich jeden Tag drei Stunden Obama auf allen Programmen sehen?“
Mir fiel ein Stein vom Herzen, endlich! Ich dachte schon, ich wäre die einzige. „Mein Gott, ich kam mir schon vor wie in der DDR, als Honecker dauernd Reden hielt“, sagte ich, und Benita: „Wer ist Honecker?“ Ich schaltete um und sagte: „Wie Fidel. Es ist so wie Fidel, der im kubanischen Fernsehen dauernd Reden hält.“
Nicht, dass es bei Bush anders war, aber da konnte man wenigstens lachen. Und, was das erstaunlichste ist, ich habe 500 Programme. Wie kann das sein, dass keines ohne Obama auskommt? Darum sollte sich die Piratenpartei mal kümmern. Wozu habe ich die gewählt?
Eva C. Schweitzer, Manhattan Moments. Geschichten aus New York. Droemer-Knaur, Juni 2009.