Von Michael Ringel
Was die Frau alles kann: Saxofon spielen, im Chor singen, durch die Weltgeschichte reisen, schreiben und vor allem auf dem Land leben. Das allerdings muss für Susanne Fischer, die gebürtige Hamburgerin, die wahrscheinlich schwerste Entscheidung ihres Lebens gewesen sein: Als sie in den neunziger Jahren aus der Großstadt in die niedersächsische Heide umziehen musste, um für die Arno-Schmidt-Stiftung in Bargfeld zu arbeiten, deren Geschäftsführerin sie seit dem Jahr 2001 ist.
Seither forscht die studierte Germanistin den lieben, langen Tag in der tiefsten Provinz am Werk des Solipsisten Schmidt und editiert ein Buch nach dem anderen. In der übrigen Zeit schreibt sie Erzählungen und Romane, nicht zu vergessen ihre Kolumnen für die Wahrheit-Seite, die seit fast zwanzig Jahren in der taz erscheinen. Und die sie gern, wenn der Termin der Abgabe naht, mit der ihr eigenen bescheidenen Klage einleitet: „Ich erlebe doch nichts hier draußen auf dem Land. Ich weiß gar nicht, worüber ich schreiben soll.“
Dafür, dass sie nie weiß, wovon sie berichten soll, erlebt sie „auf ihren Streifzügen durch das Land der Güllelagunen“ doch erstaunlich viel, was sie dann in ihrem elegant ironischen Tonfall wie nebenbei erzählt. Dabei ist Susanne Fischer, um mal hier aus dem beliebten Nähkästchen des Wahrheit-Redakteurs zu plaudern, auch noch die pflegeleichteste Kolumnistin der Welt, die den zuständigen Redakteur sogar lobt, wenn er „Füllwörter in Kompaniestärke“ streicht, damit der Text passt.
Für ihr Werk wird Susanne Fischer jetzt geehrt – mit dem Ben-Witter-Preis 2013, der immerhin mit satten 15.000 Euro dotiert ist und an den Hamburger Schriftsteller und Journalisten Ben Witter erinnern soll, der im Jahr 1995 verstarb. Susanne Fischer habe in ihren Geschichten und Kolumnen das Leben in der deutschen Provinz von Uelzen bis Berlin ebenso heiter wie böse beschrieben, heißt es in der Begründung der Jury.
In diesen lobenden Worten steckt sehr viel Wahrheit, versteckt die „mit allen öffentlichen Nahverkehrswassern gewaschene Weltenbummlerin“ (Gerhard Henschel) doch hinter ihren liebenswerten Worten so manch geheimnisvoll Bitterböses, das der Laudator F. W. Bernstein bei der Preisverleihung am 2. September im Hamburger Literaturhaus sicher ans Licht bringen wird.