Das „Medium Magazin“ hatte am Donnerstag eine echte Exklusiv-Geschichte: Bascha Mika hört als taz-Chefredakteurin auf, auf sie folgt Ines Pohl. Eigentlich wollte die taz das erst später bekannt machen – aber die Kollegen vom Medium Magazin hatten da wohl gute Kontakte. Also bestätigte die taz den Wechsel in einer Pressemitteilung, in der Bascha Mika zu den Gründen ihres Rücktritts sagt: „Ich überlege schon seit Längerem, die taz zu verlassen. Zehn Jahre hatte ich mir ursprünglich für die Chefredaktion gegeben. Nun sind es wegen der Blattreform und unserer 30-Jahr-Feier elf geworden.“ Jetzt hat sie erstmal Urlaub genommen. Über ihre Pläne für die Zukunft hat sie heute in der großen Konferenz aber noch nichts gesagt.
Von den Plänen der neuen taz-Chefredakteurin für uns sind dagegen schon die ersten Bruchstücke bekannt. In der heutigen Spiegel-Ausgabe steht ein kurzes Interview mit ihr:
„Meine große Liebe“
Der Spiegel: Sie kommen nicht aus dem taz-Milieu, im Gegenteil: Bisher arbeiteten Sie für die konservative Ippen-Verlagsgruppe. Warum werden ausgerechnet Sie nun Chefredakteurin?
Ines Pohl: Wer Stallgeruch hat, steckt ja auch immer tief in verkrusteten Strukturen. Meine Chance liegt darin, mit frischem Aufschlag zu beginnen und ohne Vorurteile schauen zu können, was wir als Team anders machen können.
Wie links stehen Sie denn?
Ich verstehe mich als linke Feministin. Die taz ist mein Medium. Sie war die erste Zeitung, die ich mir von meinem eigenen Geld abonniert habe. Ich bin mit 42 Jahren bei meiner großen Liebe angekommen. Aber ich will sie wieder weiter links positionieren.
Hat die taz mit einer eher zahmen Berichterstattung zur Finanzkrise versagt?
Die taz muss aufpassen, nichts zu verschlafen, und muss deutliche Positionen einnehmen. Sie muss dezidierter, frecher, mutiger sein und sich auf ihre Kerntugenden besinnen. Sie muss wieder die Machtfrage stellen.
In den vergangenen fünf Jahren verlor die taz 16 Prozent ihrer Auflage im Einzelverkauf und 6 Prozent der Abos. Wie kann man gegensteuern?
Ich kann mir vorstellen, dass die Auflage der taz sogar wieder steigen kann. Das geht aber nur in Verbindung mit der Marke taz.de im Internet. Da steckt unglaubliches Potential, das bisher nicht genutzt wurde. An Online führt heute kein Weg mehr vorbei.
Trotzdem gilt das Blatt als unregierbar. Fürchten Sie den manchmal harten Gegenwind aus der Redaktion?
Das ist doch das Tolle. Ich wage genau deshalb den Sprung raus aus der gutbezahlten Mainstream-Hängematte. Auch eine Chefin ist dort keine autoritäre Bestimmerin wie bei anderen Medien. Mein erster Platz wird deshalb auch am Schreibtisch in der Redaktion sein und nicht auf Podiumsdiskussionen quer durch die Republik. Viele fragten mich, ob ich denn des Wahnsinns sei, mich auf diesen Schleuderstuhl zu setzen. Ich will bewusst das Risiko eingehen.
Wenn der Spiegel von der „unregierbaren“ taz spricht, dann spielt er übrigens darauf an, dass der Vorstand, der die Chefredaktion einsetzt, mehrheitlich von den Redakteuren bestimmt wird – und die Redakteure können die Chefredaktion auch jederzeit mit 2/3-Mehrheit abberufen. Wer länger auf dem Posten bleiben will, braucht also einen kommunikativen und einbindenden Führungsstil. Der Ex-tazler Patrik Schwarz schreibt in seinem Artikel auf Zeit Online über den Weggang von Bascha Mika ja auch nicht, dass diese die Regierungschefin, sondern die „Queen“ der taz gewesen sei, die sich aus dem journalistischen Tagesgeschäft weitgehend herausgehalten habe.
In der Redaktion wurde das Interview mit Ines Pohl jedenfalls mit großer Aufmerksamkeit gelesen – insbesondere auch die Empfehlung, nichts zu verschlafen, sowie die Ankündigung, die taz linker zu positionieren. Der Autor der heutigen Rubrik „verboten“ auf der taz-Seite 1 schickt der neuen Chefredakteurin dann auch gleich eine erste Geruchsprobe Gegenwind:
Chrrrrrr…, chrrrrrr…,
chrrrrrr… Was? Wer? Wie? Warum? Äh, tut uns verdammt leid, wir müssen hier kurz eingenickt sein. Aber nur kurz! Das waren höchstens zehn Jahre! Na gut, vielleicht waren’s elf. Dieser muffige Stallgeruch hier hatte uns ganz rammdösig gemacht. Aber jetzt sind wir wieder voll da, versprochen: raus aus der geistigen Mainstream-Hängematte und dann links abbiegen Richtung online, an dessen Potenzial heute ja kein Weg mehr vorbeiführt! Und dabei auf keinen Fall die Machtfrage vergessen. Also los, ähem … Wer hat die Macht im linken Internet? Nein, nicht gut … Macht online links? Nein, darum geht’s nicht. Aber darum: Wo ist überhaupt links?
Dort, wo der Daumen rechts ist.
Ich persönlich freue mich auf die neue Chefredakteurin. Zwar hätten sich alle – inklusive ihr selbst – gewünscht, dass sie sich erst in der Redaktion vorstellen kann, bevor sie die ersten Interviews gibt. Aber wenn die Nachricht vorzeitig durchsickert und viele Medien eine Stellungnahme haben wollen, dann kommt es schlecht an, wenn man schweigt. Am Mittwoch um 18 Uhr wird sie sich nun der Redaktion vorstellen. Willkommen, Ines Pohl!
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