Für die tazler war Freitagabend eigentlich Feierabend und Wochenende. Doch die Anschläge in Paris führten die RedakteurInnen prompt zurück an ihre Arbeitsplätze.
Die taz kann Krise gut – das klingt viel zu professionell und überheblich, aber wahr ist es doch. Am späten Freitagabend, kurz nach den Attentaten in Paris auf den, wie viele Kolleg*innen heute morgen auf der Konferenz sagten, „Anschlag auf unsere freie Art zu leben“, war die taz dabei, rund um die Uhr ihr Publikum zu informieren. taz.de-Ressortleiter Daniél Kretschmar, zuhause, hatte die Eilmeldung einer Nachrichtenagentur erhalten. Er war ungläubig, zugleich benommen, wusste aber: Das wird uns beschäftigen.
Kurz nach 23 Uhr lag der erste Text, unaufgefordert, aber so punktgenau wie es nur erhofft worden sein könnte, unseres Pariser Kollegen Rudolf Balmer vor. Der Text wurde auf taz.de gegen Mitternacht freigeschaltet. Eher war nicht möglich, da ab 23 Uhr ein Backup des Servers gemacht wurde, weswegen das System nicht zugänglich war.
In der Nacht wurden aber weitere Meldungen auf taz.de vorbereitet. Am Samstag, das war unsere Reaktion auf die schockierenden Nachrichten aus Paris, boten die allermeisten taz-Kolleg*innen ihre Hilfe an, auch am zeitungsproduktionsfreien Tag zu helfen – im taz-Haus an der Rudi-Dutschke-Straße.
Am Samstag arbeitet normalerweise nur eine Person für taz.de, angesichts der Lage sind aber zwei zusätzliche Kräfte online eingesprungen, eine Kollegin für Facebook und einer für die Korrektur, um die AutorInnenstücke angemessen betreuen zu können.
Die Arbeit für die taz – als Zeitung wie auf taz.de – war in gewisser Hinsicht auch ein kollegiales Beieinanderstehen, um das Grauen von Paris besser verarbeiten zu können. Heute Vormittag (Montagfrüh) wissen wir, dass viele Frauen und Männer, gleich aus welcher Abteilung, Freunde und Bekannte in Paris hatten und haben. Dass sie betroffen sein können, denn auch sie flanierten und feierten gern in diesen von den Terroristen gezielt ausgesuchten Viertel des Vergnügens.
Sonntag schließlich den ganzen Tag über bis Redaktionsschluss politische Debatten, neben der journalistischen Wägung aller Schwerpunkte, aller Einschätzungen und Analysen: Was wird die entscheidende Frage der taz sein, die sie namens ihrer Leserschaft am Montag publizieren würde? Was wird uns am stärksten beschäftigen müssen? Die Seite der taz erschien schließlich heute mit der tatsächlich wichtigen Frage: “Was heißt jetzt ‘Krieg’?”
Hitzige, aber im Ton freundlich geführte Debatten auf der Morgenkonferenz: Zufriedenheit ob der miteinander solidarisch erbrachten Leistung, über taz.de und über die Papierausgabe für Montag, unsere Leserschaft so gut wir konnten informiert und ins Bild gesetzt zu haben. Wir wussten: Aufklärung, der genaue Blick der taz, die Analyse des Gegebenen waren wichtig.
Doch hätte man nicht stärker gewichten sollen, dass die Anschläge von Paris in einer Gegend zu beklagen sind, die als jüdische Viertel bekannt sind? Quartiere jüdischer Einwanderer ins Paris des späten 19. Jahrhunderts? Andere sagten, man müsse nun die sozialen Ursachen des islamistischen Terrors ermitteln – was andere bestritten: Arm und unterprivilegiert zu sein, bringt noch keine Mordlust hervor.
Wir wussten heute morgen, wir wissen es in diesen Tagen besonders: Die taz – Redaktion wie alle anderen Abteilungen – kann gerade in Krisenzeiten, die uns alle betreffen können, heftig gut zusammenarbeiten. Wenn es nicht so traurig wäre angelegentlich dieses Anlasses, müsste man ergänzen: Und das mit Freude.
Die nächsten Tage machen wir in diesem Modus weiter, wir ringen um Aufklärung und wollen noch viel mehr wissen. Wir müssen, wollen Zeitung machen, ob auf Papier oder online.
JAN FEDDERSEN
Titelbild: dpa
Die Montagsausgabe war tatsächlich außergewöhnlich gut und die Frage “Was heißt jetzt ‘Krieg'” und das Titelseitenfoto waren großartig ausgewählt. Ich habe in den Artikeln viel gelernt. Die taz muss an diesem Tag alle anderen überregionalen und regionalen Zeitungen beschämt haben. Es gab sogar noch eine normale Inland- und eine Auslandseite. Das hat z.B. in Berlin der Tagesspiegel, dessen Papier anscheinend jetzt rationiert ist, nicht geschafft.