Manchmal gibt es Themen, die selbst wir hier im taz-Haus verpennen, obwohl sie vor der Tür liegen. Genau: Es geht um die Rudi-Dutschke-Straße. Am 30. April 2008 wurde der Großteil der Kochstraße umbenannt – also vor genau zehn Jahren und, tja, jetzt schon vor zwei Monaten.
Zum Glück aber gibt es Historiker, die die Geschichte im Blick haben. Zum Beispiel Malte König, Privatdozent am Historischen Institut der Universität des Saarlandes. Der hat für die am 1. Juli erscheinende Ausgabe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte den jahrelangen Prozess der Straßenumbenennung in seinem Text „Geschichte ist machbar, Herr Nachbar“ untersucht.
Mehr als ein Straßenschild
„Straßenumbenennungen stellen ein Politikum dar“, schreibt König in seiner Einleitung. Die Initiative der taz für die Ehrung des Kopfes der 68er sei daher eine Provokation gewesen – auch weil am anderen Ende der Axel-Springer-Verlag seinen Sitz hat.
König erinnert nicht nur an die ersten positiven Reaktionen von Grünen, Linken und SPD, sondern auch den Widerstand der CDU, die mit einem Bürgerentscheid die Umbenennung verhindern wollte. „Die Ausweitung der Debatte verdeutlicht, dass es um mehr ging als um ein Straßenschild: Nicht die Werbeaktion der taz, nicht die Würdigung Dutschkes, sondern der historische Ort der Studentenbewegung war der zentrale Punkt“, schreibt König auf den sehr lesenswerten 24 Seiten des Textes.
Sein Fazit: Ein harmlos anmutendes Straßenschild stelle bisweilen nur die Spitze eines Eisbergs dar, unter der sich eine komplexe Auseinandersetzung verbergen kann.
Von GEREON ASMUTH, Leiter taz Eins