von 09.02.2011

taz Hausblog

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Foto: Wolfgang Borrs
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Bascha Mika war von 1999 bis 2009 taz-Chefredakteurin. Seitdem ist sie Publizistin und lehrt an der Berliner Universität der Künste. Jetzt erscheint ihr Buch „Die Feigheit der Frauen“. Mit den taz-Redakteurinnen Simone Schmollack und Ines Kappert spricht sie über die freiwillige Unterordnung von Frauen, ihre eigene Feigheit bei der Bewergung als taz-Chefredakteurin und die männlich dominierten Strukturen in der taz.

Frau Mika, in Ihrem Buch sagen Sie, Frauen seien feige, bequem und vermaust. Für wen haben Sie das Buch geschrieben?

Ich wende mich an die gut ausgebildeten Frauen. Sie haben heute die größten Wahlmöglichkeiten und damit auch eine größere Verantwortung für ihr Leben.

Die sie aber in Ihren Augen nicht wahrnehmen.

Frauen verbauen sich viele Chancen, weil sie sich freiwillig unterordnen. Das geht schon sehr früh los, bereits zu Beginn einer Liebesbeziehung übernehmen sie häufig die Prioritäten ihrer Männer. Beispielsweise indem sie fast immer die größere Verantwortung für den gemeinsamen Haushalt schultern. Oder dass es Frauen sind, die ihren Männern folgen, wenn die in einer anderen Stadt einen Job bekommen.

Das trifft sicher nur auf wenige Frauen zu.

Schön wär’s. Was Hausarbeit angeht, sprechen alle Untersuchungen eine andere Sprache. Und mir geht es ja um Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen wollen, die unabhängig, frei und gleich sein wollen. Aber diesem Anspruch an sich selbst werden sie häufig nicht gerecht.

In Ihrem Buch sprechen Sie von „allen Frauen“.

Von allen Frauen spreche ich nur im Zusammenhang des männlichen Systems. Weil wir alle dieses System auf die ein oder andere Art stützen. So eine Verallgemeinerung ist notwendig, um die überindividuellen Muster in unserem Verhalten aufzudecken. Dabei geht es mir um eine Ansprache auf Augenhöhe. Das „Wir“, das ich im Buch häufig verwende, ist also ein Angebot zu einem Dialog untereinander.

Mit wie vielen Frauen haben Sie gesprochen? Mit dreißig oder mit hundert?

Um Himmels willen, ich habe doch keine Umfrage gemacht. Aber da ich mich seit fast fünf Jahren mit dem Thema beschäftige, habe ich – auch öffentlich – bestimmt mit hunderten Frauen diskutiert und geredet. Die Geschichten, die ich erzähle, sind ein kleiner Ausschnitt daraus. Sie sind nicht repräsentativ im Sinne einer wissenschaftlichen Erhebung, sondern stehen beispielhaft. Das ist ein Unterschied.

Tatsächlich?

Selbstverständlich. Denn es sind individuelle Geschichten, an denen sich aber überindividuelle Muster zeigen.

Was war der Ausgangspunkt Ihrer Recherche?

Vor einigen Jahren wurde ich von einer Uni zu einer feministischen Ringvorlesung eingeladen. Bereits damals nannte ich meinen Vortrag „Feige Frau“. Ich hatte erwartet, dass ich von den Zuhörerinnen Schläge kriege, aber das Gegenteil war der Fall: Viele Studentinnen sagten mir, dass meine Thesen sie nicht aufregen, sondern zum Nachdenken anregen.

Sie beschreiben in Ihrem Buch Mittelschichtsfrauen aus dem Westen. Ostfrauen, die vielfach anders leben, kommen bei Ihnen nicht vor.

Im Osten sind die Frauen meistens tatsächlich anders gestrickt. Ich habe mich aber bewusst dagegen entschieden, sie als besondere Gruppe zu beschreiben, weil sie rein quantitativ leider nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Die Protagonistinnen im Buch sind anonymisiert. Warum?

Das war der Wunsch der meisten Frauen. Hier geht es ja um sehr persönliche Geschichten. Und da ist es verständlich, wenn die Protagonistinnen nicht mit ihren privaten Erlebnissen in der Öffentlichkeit stehen wollen.

Warum haben Sie nicht mit Männern gesprochen?

Hab ich ja. Unter anderem mit den Experten, die ich zitiere. Aber Männer interessieren mich in diesem Zusammenhang kaum. Wir wissen doch fast alles über das männliche System.

Sie sagen, Frauen rücken freiwillig hinter Männer. Wäre es nicht interessant, zu erfahren, wie Männer das sehen?

Es ging mir um das, was Frauen über ihr Leben erzählen, was sie selbst als ihre Wahrheit und ihre Realität beschreiben. Die will ich nicht von Männern hören.

Entlassen Sie die Männer aus ihrer Verantwortung?

Quatsch! Wenn sich Frauen in ihrem persönlichen Umfeld der traditionellen Rolle verweigern, werden sich Männer noch umsehen. Aber das sind zwei völlig verschiedene Aspekte. Ich will ja die Frauen erreichen und nicht die Männer.

Haben Sie ein klassisches Frauenbuch geschrieben?

Wenn Sie so wollen, ja.

Wird es die Republik verändern?

Es wäre schon toll, wenn es eine Debatte auslöst, die wir meiner Meinung nach dringend führen müssen. Ich rechne damit, dass ich mir jede Menge Widerspruch einhandle. Aber auch der ist wichtig. Wir haben lange über die Strukturen geredet, das müssen wir auch weiterhin tun. Aber wir brauchen darüber hinaus eine neue Perspektive. Denn der subjektive Faktor spielt eben auch eine Rolle. Er ist einer der Gründe dafür, dass sich die Verhältnisse so wenig geändert haben.

Der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, der gerade veröffentlicht wurde, zeigt deutlich, dass es Strukturen sind, die Frauen daran hindern, Karriere und Familie zu vereinbaren.

Richtig. In bestimmten gesellschaftlichen Bereichen, zum Beispiel wenn es um den Aufstieg im Beruf geht, sind die Strukturen so stark, dass Frauen da kaum etwas machen können. Aber es gibt eben auch ihr privates Umfeld, da können sie durchaus etwas ändern.

Was?

Es geht immer um die Frage: Sind Frauen und Männer in ihrer Partnerschaft auf Augenhöhe oder folgen sie den traditionellen Mustern? Im modernen Diskurs zwischen Paaren heißt es, dass man alles gerecht teilen will. Aber heraus kommt dann doch immer wieder die alte Kiste.

Die eigentlichen Probleme beginnen, wenn Kinder kommen.

Ja. Aber warum stecken denn immer die Frauen zurück? Warum sagen sie nicht: So, Schatz, jetzt reduzieren wir beide von Vollzeit auf Teilzeit?

Warum machen Frauen das nicht?

Aus Angst vor Konflikten. Konflikte stören die Harmonie, möglicherweise die Versorgung und die Liebesbeziehung. Das alles könnten Frauen im Ernstfall verlieren.

Sie waren elf Jahre lang Chefredakteurin der taz und stehen damit für einen anderen Lebensentwurf.

Ich war nie ausschließlich auf den Beruf konzentriert. Zwar habe ich immer viel gearbeitet, aber meine Beziehungen waren mir sehr wichtig.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Ich habe nicht laut „Hier!“ geschrien, als es um die Besetzung der taz-Chefredaktion ging. Sondern gewartet, bis ich gefragt wurde. Obwohl ich davon überzeugt war, dass ich es konnte.

Waren Sie feige?

Ja. Nicht über den eigenen Schatten springen zu können ist für mich Feigheit. Ich dachte damals, ich mache mich angreifbar, wenn ich mich hinstelle und sage: Ich will!

Warum?

Wer sich in den Ring begibt, fordert auch die Gegner heraus. Ich kann nur sagen: Mein Verhalten war typisch weiblich. Und typisch weiblich reagiere ich auch an anderen Stellen.

Haben Sie Ihre „weiblichen Elemente“ während Ihrer taz-Zeit hinter sich gelassen?

Ich habe viel gelernt. Ich stand damals in der ersten Reihe, da blieb mir nichts anderes übrig, als zu sagen: Entweder ich mache den Job, dann bin angreifbar und muss das aushalten. Oder ich verzichte. Es war eine der größten Mutproben meines Lebens, die taz-Chefredaktion war damals ein Kamikaze-Unternehmen. Und es gab kaum jemanden aus meinem Umfeld, der mir zugeraten hat. Fast alle, vor allem meine Freundinnen, haben mich gewarnt. Häufig mit dem schönen Frauenspruch: Warum willst du dir das antun?

Bestätigt die Zeit in der taz Ihre These, dass Frauen feiger sind als Männer?

Nicht feiger. Ich setze Frauen nicht ins Verhältnis zu Männern.

Zu wem setzen Sie „die Frauen“ dann ins Verhältnis?

Zu ihren eigenen Ansprüchen. Und die taz ist ein Ausschnitt der Gesellschaft. Aber es gibt Abweichungen: taz-Väter gehen überdurchschnittlich oft in Elternzeit und taz-Frauen überdurchschnittlich oft in die Chefredaktion. Die taz ermöglicht es wesentlich mehr Frauen, mutig zu sein. Trotzdem ist die taz kein Hort der Emanzipation. Die männlich dominierten Strukturen sind dort genauso spürbar wie anderswo. Und es gibt auch taz-Frauen, die freiwillig zurückstecken.

Wie sieht denn die Frau aus, die nicht feige, bequem und vermaust ist?

Ich habe keinen Ratgeber geschrieben, ich kann also auch keine Tipps geben. Aber es würde mich sehr freuen, wenn eine Frau sagt: Ich will eine gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe führen. Und wenn es um Entscheidungen geht – selbst bei so alltäglichen Dingen wie Hausarbeit -, versuche ich, so zu handeln, dass ich meinen Ansprüchen gerecht werde. So was ganz Schlichtes.

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https://blogs.taz.de/hausblog/die_taz_ist_kein_hort_der_emanzipation/

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kommentare

  • Soll ich wirklich was dazu bemerken? Schliesslich geht es hier nicht nur um ein Frauen-Problem, sondern in diesem Fall um ein Problem, dass beide Geschlechter gleichermassen betrifft. Es wäre wünschenswert, sich hier zusammenzuschliessen und gemeinsam einen Ausweg zu suchen.
    Das Problem ist die „freiwillige Unter-Ordnung“. Schaun wir doch mal, wie man aus der sogenannten Freiwilligkeit rauskommt. Beim Mann, traditionell ausser Haus ordnet er sich freiwillig in seinem Hauptbetätigungsfeld, dem Beruf, freiwillig unter. Bei der Frau, traditionell im Haus, ordnet sie sich freiwillig dem Mann unter. Dies, obwohl er meist ausser Haus ist. Meiner unmassgeblichen Meinung nach würde es ausreichen, sich dieses Zustandes bewusst zu werden und dadurch zusätzliche Probleme zu verhindern. In unserer Zeit (früher bestimmt noch mehr) kümmert sich die Frau um ihre Kinder und der Mann holt das Einkommen für alle. Vermutlich ist das schon seit Jahrmillionen ähnlich. Ich weiss, dass ich nicht verstanden werde, aber die Männer bekommen keine Kinder. Die Frauen sind es. Und irgendeiner muss sich ja um die Brut kümmern. Die Prügel für diesen Macho-Satz nehme ich auf mich. Wenn nun aus den hergekommenenn Unterordnungen Hierarchien gebildet werden, kommt es zu solchen Problemen. Warum soll eine Unterordung im Beruf besser dastehen, als eine Unterordung in der Familie? Mir als arbeitendem Menschen war es eher umgekehrt lieb: in der Familie untergeordnet und helfend ist 1000-mal besser, als stummes Arbeitsleben. Denn in der Familie ist meine, deine, unsere Zukunft. Wie sagte der Weise bei Gilgamesch: Die Unsterblichkeit ist den Göttern vorbehalten. Du wirst nur unsterblich durch deine Kinder.

  • Nun „weibliches Verhalten“ ist möglicherweise ebenso obsolet wie „männliches Verhalten“, wie uns die Soziologie („doing gender“) seit mehreren Jahrzehnten erklärt.
    Aber wir Männer sollten zweifellos unsere Lust an der Hausarbeit entdecken, wie das Peter Redvoort in „Die Söhne Egalias“ recht humorvoll beschreibt.

    Volker

  • @c edom
    es müssen sich auch nur die frauen angesprochen fühlen die sich angesprochen fühlen, egal ob „positiv“ getroffen oder „negativ“. was ist denn daran obszön?

    auch frauen und frauen wählen unterschiedliche berufe. es geht doch eben genau nicht um diese äussere, logische, verstandesersichtliche ebene, sondern darum was die frauen fühlen! emotionen! grossartig! wunderschön. doch nicht die männer alleine müssen diese und alle ansprücke schön finden, sondern auch die frauen selber. und damit kommt das thema selbstverantwortung auf den tisch und fegt die feigheit und bequemlichkeit vieler vieler frauen (und männer) runter.
    und was das mit verengung auf akademiker-kreise zu tun hat ist mir auch nicht erschliessbar.

  • „Aber Männer interessieren mich in diesem Zusammenhang kaum. Wir wissen doch fast alles über das männliche System.“ – solche Sätze sind osbzön. Solche Aussagen personalisieren Probleme. Das ist Kumpanei: „Wir wissen doch … [alle) alles …). Es ist eben keine Wissenschaft, keine umfassende Perspektive, sondern nur Journalismus.
    Männer und Frauen wählen verschiedene Berufe. Frauen haben institutionalisierte Erwartunge an Männer. Zudem wird das Thema klassenspezifisch auf Akademiker verengt. Normale Arbeitnehmer kommen nicht vor.

  • Hurra, hurra die Schule brennt! Endlich mal eine Frau die

    a) nicht nur die Männer auffordert! Sie fordert, dass die Frauen nicht nur Ansprüche an ihre Partner (in Liebe und Beruf, etc.) stellen sollen, sondern sie auch selber erfüllen sollten. Und ich meine hier emotionale, psychische wie auch manifeste/strukturelle Ansprüche. Wie soll sonst gleichberechtigte Partnerschaft funktionieren, wenn die Frau nicht auch z.B. vorübergehend bereit ist mehr Zeit mit Geldverdienen zu verbringen, weil Papa grad gebraucht wird vom Sohnemann? Welche Frau ist schon bereit einen Mann mal in den Arm zu nehmen ohne sich gleich emotional ins „Bin-doch-nicht-deine-Mutti“-Konzept o.ä. zu verdrücken – 90% der Frauen sind damit doch komplett überfordert, weil sie selber keinen Halt in ihrem (v.a. Emotional-) Leben haben.

    b) klar ist bezüglich der „neuen Emanzipation“. Klar darin, dass Bücher über Frauen auch von Frauen und für Frauen wichtig sind. Es geht nicht nur um die Emanzipation weg vom Mann und vermeintlich „männlichen“, dem für viele „inkarnierten Bösen“.

    Es geht vor allem darum, dass Frauen endlich ihre eigene Schönheit und Kraft finden, sich aber eben nicht mit Männern und dem Männersystem vergleichen, sich davon messen lassen. Wenn sie nämlich ihre Schönheit sehen und zutiefst anerkennen und leben, werden sie auch die Schönheit in jedem Menschen (dazu zähle ich auch uns Männer) sehen und einfach nur glücklich sein und nicht mehr die ganze Zeit an allem rumnörgeln. Das heisst nicht (!!!), dass dies alle und immer tun oder dass eine Frau das nicht darf, aber es macht sie eben nicht glücklich.

    Ich meine: Zufiefst glücklich, ausgelassen vor absoluter Lebensfreude! „Selbstverantwortung für das eigene Glück übernehmen“ ist doch das Stichwort. Und das Glück ist in allen Dingen, nicht nur denen die man gerade mal jetzt eben toll findet, das ist nur ein billiges emotionales Herzhüpferchen.

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