Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat heute unter dem Titel „Die große Legende“ einen Text von Christian Füller über Pädophilie bei den Grünen veröffentlicht. Die FAS behauptet, die taz-Chefredakteurin habe diesen Text nicht gedruckt, weil ihr die These zu steil gewesen sei.
Das ist aus mehreren Gründen falsch: Zum einen ging es bei der Kritik der Chefredaktion nicht um die Steilheit der These. Kritik an mangelnder journalistischer Sorgfaltspflicht und fehlenden Belegen führten dazu, dass sich die Chefredaktion entschied, den Text aus der Ausgabe vom 17. August zu nehmen. Zum zweiten handelt es sich bei dem Text, der in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen ist, mitnichten um den Text, der der taz angeboten wurde. Es gibt ähnliche Passagen, aber es ist ein massiv überarbeiteter und ergänzter Text, in dem viele der von der taz-Chefredaktion kritisierten Stellen verändert oder nicht mehr vorhanden sind.
Selbst die zentrale These hat sich stark verändert: „Pädophilie aber war keine Nebensache bei den Grünen, sondern stand im Zentrum der Ideologie“, so hieß es in dem Text, der für die taz vorgesehen war. In der FAS ist nun zu lesen: „Daher kann man sagen, dass Pädophilie in den Gründungsideen der Grünen mit angelegt ist. Sie wollten die sexuelle Revolution auf die Kinder ausdehnen – das Ziel der Pädosexuellen schlechthin.“
Die Chefredaktion
Siehe auch: Wie die taz über die aktuellen Pädophilie-Vorwürfe gegen die Grünen berichtet
„Die von uns Gestoppte“ (Version)… Bleiben wir doch mal beim Auslöser.
1. Es war und ist ungewöhnlich, gerade in der taz, dass ein redigierter, schon gesetzter Artikel, der die Zustimmung der verantwortlichen Redaktion hat und durch den Justitiar abgesegnet war, in letzter Minute von der Chefredakteurin aus dem Blatt gekippt wird.
2. Darüber hat es auch in der Redaktion heftige Auseinandersetzungen gegeben, da selbst Redaktionsmitglieder, die Füllers These nicht teilen, den Vorgang als solchen als Angriff auf die interne plurale Hauskultur der taz gerichtet sahen, mit fatalen Konsequenzen nicht nur nach innen sondern nach aussen
3. Im selben Zeitraum wurde in der taz in einem ähnlichen Manöver ein zweiter Beitrag gekippt, der Meinungsbeitrag von Sabine Constabel aus Stuttgart zum Thema Prostitution, auch hier ein Debattenbeitrag, der wie einige Redaktionsmitglieder zugestehen, sehr wohl ein „starker“ Debattenbeitrag war. Auch hier war ein Problem, dass „grüne“ Politik hier stark kritisiert wird.
4. Nicht von ungefähr, wird ausserhalb interpretiert, dass die taz mit Aufgriff des Themas jetzt, auch ihre Reputation ein Stück weit wiederherstellen wollte. Der Vorwurf reines Verlautbarungsorgan der Grünen zu sein, nicht nur afin, war allseits zu hören. Insofern spricht ascola richtig davon, dass dies auch ein Rehabilitierungsversuch der taz sein könnte. Ob die taz vollständig rehabilitiert ist? Nun ja, vielleicht wäre einfach eine Entschuldigung bei Christian Füller angesagt, was ja in keinem Fall heisst, dass die gesamte Redaktion, dieses merkwürdige „uns“, seine Thesen komplett teilen muss, sondern einfach zugesteht, dass das Thema äussert komplex, schwierig und kontrovers ist.
5. Der Artikel von Walter und Klecha ist notwendigerweise verhaltener, gerade hier zeigt sich aber, dass der Debattenanstoss, als solcher war Christian Füllers Artikel angefordert, richtig war. Christian Füller kondensierte und nahm vorweg. Und Walter und Klecha hatten gar keine andere Wahl, nachdem sie zuvor bereits zu FDP, zum Kinderschutzbund veröffentlicht hatten. Die Nichtveröffentlichung vor der Wahl wäre wirklich zum Reputationsdesaster geworden.
6. Ja, es ist rührend und verwirrend, was gestandene taz-Mitarbeiter hier abziehen, anstatt einfach mal ihre persönliche Meinung zum Thema auszudrücken. Herr Metzger ist ja hauptsächlich in der sonntaz tätig und die wollte ja eigentlich drucken. Da muss es ja doch bei ihm und anderen ein wenig mehr als dieses „uns“ geben. Niggemeier hat übrigens mit ein paar Aktualisierungen auf seinem Blog klargemacht, dass so Einiges ziemlich hahnebüchen abgelaufen ist, taz-intern. Der hat ja ein paar Quellen gehabt, in der taz. Und im taz-Hausblog geht’s um Hausinternes. Das nun als Einheitsfront zu gestalten, so als hätte es keine Divergenzen gegeben, ist lächerlich.
7. Durch den Hinweis von Metzger, die Version bei Niggemeier wäre eine „leicht“ andere, wird Christian Füller verdächtigt, Niggemeier da drauf gestossen zu haben. Er selbst hat aber klar gesagt, dass dies nicht der Fall ist. Ob er dann Niggemeier den Text zur Verfügung gestellt hat und vielleicht, ähnlich, aber doch nicht vergleichbar mit Sebastian Heisers rührenden Texteingriffen hier, Marginalien an seinem eigenen Text verändert hat, ist Nebensache, da der Text so oder so eine nur „leicht“ veränderte Version sei. Daran ist der Text auch zuvor in der taz nicht gescheitert und er wäre auch mit diesen oder anderen Änderungen an Ines Pohl gescheitert.
Frau Pohl hat sich übrigens zu keinem Zeitpunkt den weitergehenden Fragen gestellt. Hier geht es darum, ob sie durch den Eingriff in die redaktionelle Autonomie der Teilredaktionen nicht doch mehr als nur Richtlinienkompetenz durchsetzen wollte, sprich die Grünen über Gebühr vor kritischen Inhalten und Debatten schützen wollte. Da spricht viel für. Auch dass ihre Entscheidung mehr instinktiv und unbesonnen war. Das kommt ziemlich klar durch das hier allgegenwärtige Rumlavieren zum Ausdruck.