Männer sind die neuen Frauen. Sie sollen alles können: stürmisch im Bett sein, aber auch rücksichtsvoll und zärtlich. Er soll ein ganzer Kerl sein, aber die richtigen Windeln kaufen. Ein Ruhepol, aber kein großer Schweiger. Eine starke Schulter, aber kein Macho. Sensibel, aber bitte nicht so empfindlich. Gut aussehend, aber bloß nicht eitel. Ganz schön viel verlangt!
Matthias Lohre, taz-Redakteur und Autor der Kolumne „Männer“, liest aus seinem neuen Buch „Milde Kerle“. Darin beschreibt er das Leben eines modernen Mannes. Und erzählt sehr wahr und sehr komisch, wie Frauen die Männer von heute besser verstehen können.
Moderation: Judith Luig, Journalistin und Autorin von „Breitbeiner – Warum wir Machos trotzdem mögen“
Lesung am Freitag, 22. Februar, ab 19 Uhr im taz-Café, Rudi-Dutschke-Straße 23, Berlin-Kreuzberg. Der Eintritt ist frei.
Das Buch erscheint am Donnerstag im Verlag Fischer Krüger. Es hat 246 Seiten, kostet 16,99 Euro und hier gibt es eine Leseprobe (PDF).
Muss das ermüdend sein, sich in erster Linie immer über gesellschaftlich produzierte und jedem Menschen von Anfang an übergestülpte Geschlechterschubladen zu definieren. Wobei das für die meisten Menschen, gerade in „unsicheren“ Zeiten, ja etwas ist, woran sie sich wieder umso mehr festklammern. Die Herrschenden unterstützen das ja auch, wo sie nur können, brauchen sie doch gerade Untertanen, die die herrschenden Verhältnisse, auch die Geschlechterverhältnisse, als „naturgegeben“ hinnehmen.
Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren da einige Menschen, v. a. Frauen, weiter: „Kein Mensch wird als Frau geboren, man wird es.“ (Simone de Beauvoir, 1949).
Insofern bleibt nur die Erkenntnis, dass für eine tatsächliche Gleichheit ALLER Geschlechter der herrschenden Geschlechterordnung, die der real existierenden geschlechtlichen Vielfalt in keiner Weise gerecht wird, ihre gesellschaftliche Basis – die Produktionsverhältnisse, die direkt die Reproduktionsverhältnisse bedingen – entzogen werden muss. Sonst bleibt es bei Pseudo-„Liberalisierung“ und -„Flexibilisierung“, kurzum: repressiver Entsublimierung.
Gegen die staatliche und gesellschaftliche Aufherrschung von Geschlecht! Ich verzichte dankend auf das mir verordnete „Mannsein“. Es lohnt sich, für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der jeder Mensch als einzigartiges Individuum, nicht in erster Linie als Träger gesellschaftlich produzierter Merkmale wahrgenommen wird. Und jede_r in seiner Einzigartigkeit vom ersten Moment an als gleichwertig behandelt und mit effektiv gleichen Lebensrechten ausgestattet ist. Das ist dann das Gegenteil von der bei Mitte-Rechts-Ideologen so gern ins Feld geführten, bösen „Gleichmacherei“: Denn nur so wird sich die ganze Bandbreite menschlicher Vielfalt, auch im Sexuellen, jemals (und für Alle sichtbar) entfalten können.