Endlich müssen keine Tage mehr gezählt werden — denn Deniz ist frei. Na gut, ein letztes Mal: seit 35 Tagen. Und Donnerstag war er in der taz zu Besuch. Während draußen der Schnee treibt, beginnt drinnen wirklich der Frühling. Nach abgekürzter Themenplanung (die Zeitung wird natürlich trotzdem voll, genauso wie das Internetz!) kurzem Trubel, voll und stickig ist es, ein gutes Dutzend Nachwuchsjournalist*innen des Panter-Workshops sind auch dabei, und dann kommt er rein. Tosend der Applaus, die ein oder andere Freudenträne.
Vor Deniz‘ Platz ein Sträußchen biodeutscher Petersilie mit weißer Rose in der Mitte. Seine Haare sehen aus, als wären sie seit der Entlassung wieder schwärzer geworden, graue Melange, Insignie der Erholung. Der Konferenzraum ist voll von Freund*innen, die zumindest auch Kolleg*innen waren. Sind. Im Herzen verbunden. So fanden auch Ex-tazzler*innen den Weg in die Rudi-Dutschke-Straße 23, jene, die mit Deniz hier arbeiteten, stritten, Freundschaft pflegten. Es ist emotional aufgeladen im ersten Stock, bestimmt zittert die ein oder andere Hand.
Dann redet Deniz. Von seinem letzten Jahr, das sich nicht an den Kalender, aber an die Unterstützung hier in Deutschland hielt. Von dem Sack voll Zeitungen, den er bei der Entlassung erhielt, weil man sie ihm vorher nicht zustellen wollte. Er bedankt sich für das taz-Knastabo, das wurde ihm direkt eingerichtet. Er hatte auch versucht, eines von der WELT zu bekommen, das klappte zunächst aber nicht. Wichtig sei die taz gewesen, mindestens um die Ergebnisse der Bundesliga zu verfolgen. Ganz praktische Dinge eben.
Auch und vor allem Christian Specht, taz-Porträtist und Deniz-Freund erster Stunde, hat ihn vermisst. Mit brüchiger Stimme sagt er: „Die Nachricht der Festnahme habe ich im ZDF gesehen und gedacht, wieso bist du jetzt nicht hier, dann könnten wir was zusammen machen.“ Darauf Deniz: „Christian, du bist einer der wenigen, dessen Post mich erreicht hat, durch alle Lese- und Kontrollkommissionen. Der SPIEGEL zum Beispiel hat das auch versucht, die haben es nicht geschafft.“
Die Laune ist gut, die Stimmung ausgelassen. Aber: Was jetzt, Deniz Yücel? Zum Gesundheitscheck müsse er, natürlich, nach einem Jahr in Haft. „Und weniger geraucht habe ich im Knast auch nicht gerade.“ Dann knallen die Korken. Entflammen die Feuerzeuge. Wie war das, wir hören alle auf, wenn er wieder frei ist? Ganz egal, Hauptsache, er ist da. Herzlich Willkommen zurück in der taz, wenn auch nur für kurz, Deniz! Und bis Samstag, „Auf die Freiheit“ im Festsaal Kreuzberg.
„Auf die Freiheit“, 24. März 2018, 20 Uhr, Ballhaus Kreuzberg, Karten im Vorverkauf 9 Euro, Video-Livestream ab 20 Uhr unter www.cosmoradio.de. Deniz Yücel live und in Farbe – lachend, rauchend, herzend!
Schön, dass Deniz frei ist; aber es müssen weiterhin Tage gezählt werden. Es sind noch so Viele in Willkürhaft des ErdoÄŸan-Regimes. Für die sind die Nächte jetzt vermutlich besonders lang.