Muss die taz-Redaktion hinter Gitter? Der Tourismusdirektor von Helgoland hat gedroht, uns wegen eines taz-Artikels über seine Insel wegen Verleumdung anzuzeigen – und darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft. Dem obersten Marketing-Strategen der Insel missfällt, dass die taz-Redakteurin Petra Schellen in einem Bericht viele Belege für die Alkoholabhängigkeit der Inselbewohner zusammengetragen hatte: „Ist das Gesicht nicht ungesund gerötet? Zittern nicht die Hände beim Tee-Einschenken? War es nicht genauso bei den Vermietern im Jahr davor? (…) Aber wohin man auch schaut, das Problem ist da. Ein Teufelspakt, denkt man, ein Fluch vielleicht, dass gerade die, die von der Sucht der Touristen leben, ihr selbst verfallen. Denn auch der Schiffskarten-Verkäufer, der Börteboot-Führer … alle mit diesen roten Köpfen.“
Helgolands Tourismusdirektor Klaus Furtmeier beschwerte sich daraufhin bei der Chefredakteurin und bei dem Leiter unserer Online-Redaktion:
Sehr geehrte Frau Pohl,
sehr geehrter Herr Urbach,nachdem ich seit Erscheinen des Artikel “Helgolands Alkoholproblem – Die Insel der roten Köpfe” massiv von der Inselbevölkerung sowie von Gästen und Freunden der Insel aus dem Bundesgebiet “angegangen” (“da müssen Sie doch was dagegen unternehmen!” etc.) werde, habe ich mich dazu entschlossen bzw. fühle ich mich verpflichtet, mit Ihnen direkten Kontakt aufzunehmen.
Wie Sie sicherlich nachvollziehen können und wohl auch beabsichtigt haben, sorgte og. Artikel für blankes Entsetzen auf der gesamten Insel und den vielen Freunden und Förderern Helgolands, mehr noch, die angesprochene schallende Ohrfeige gilt auch den jährlich über 310.000 Gästen und jenen, die in absehbarer Zukunft einen Inselaufenthalt, sei es als Tagesgast oder Urlauber, in Erwägung ziehen.
Die Ausführungen Ihrer Frau Schellen werden als eine unqualifizierte Aneinanderreihung und Darstellung von abstrusen unwahren Um- und Zuständen empfunden, die dieses Kleinod im Meer und deren Bewohner und Gäste niedermacht, beschimpft und besudelt.
Wenn sich die taz denn wirklich ihrem Redaktionsstatut, § 2 (4), (6) – “Die taz wendet sich gegen jede Form von Diskriminierung” und “Die Zeitung ist der wahrheitsgetreuen Berichterstattung verpflichtet” unterordnet, dann liegt hier schlicht und ergreifend eine Lüge in Reinstform vor, denn: Helgoland bzw. seine Bewohner haben kein “Alkoholproblem”. Und ebenso wenig gehen sie “ihren Besuchern (…) mit den alten Kriegsgeschichten auf die Nerven”. Auch können wir es nicht stehen lassen, dass die Diktion des Artikels (… “Militaristen”…) – Militarismus lt. Wikipedia: “Dominanz militärischer Wertvorstellungen” – die Inselbewohner in eine Ecke drängt, die der Ausrichtung Ihres Blattes diametral entgegenläuft.
Mit dem Ausdruck “irgendwelche Revoluzzer-Studenten” besudelt die taz die wissenschaftlich einwandfrei erwiesenen Verdienste der Männer bzw. deren Hinterbliebenen, die mit ihrer “friedlichen Revolution” die Wiederfreigabe der Insel maßgeblich ermöglicht haben.
Sie mögen bitte zur Kenntnis nehmen, dass vor allem in den letzten Jahren sowohl von der Öffentlichen Hand als auch von der Inselwirtschaft erhebliche Investitionen in Infrastruktur und qualitätsverbessernde Maßnahmen getätigt wurden, die u.a. zur Konsequenz hatten, dass alleine in den letzten vier Jahren die Anzahl der urlaubenden Gäste um rund 30% (!) gesteigert werden konnte. Wir sind auch sehr optimistisch, diese Zahlen aufgrund des hohen Stammgästeanteils und des hohen Zufriedenheitsgrades der Gäste weiter steigern zu können.
Zum Thema Tagestourismus ist es bedauerlich, dass Frau Schellen (bewusst?) gerade die Anbieter in ihrem Artikel ausgeklammert hat, die sich mit viel Engagement und finanziellem Einsatz dem einstmaligen Image – übrigens erfolgreich – entgegenstemmen.
Da Sie ja – in Einklang mit Ihrem Redaktionsstatut – eine Einladung von meiner Seite nicht annehmen dürfen, lege ich Ihnen nahe, ersuche ich Sie, fordere ich Sie auf, sich persönlich ein Bild von den tatsächlichen Gegebenheiten auf der Insel zu machen!
Gottlob – um auch einmal etwas Positives zu sagen – gibt es andere Redakteure, die ihren Berufs-Kodex differenzierter verstehen oder interpretieren! Wie schön, die (Helgoland-)Artikel eines Roger Repplinger oder Thilo Schmidt gelesen zu haben!
Ich erwarte nun von Ihnen eine sofortige Reaktion, eine Klar- sowie Gegendarstellung und auch eine Entschuldigung aus der Führungsetage Ihres Hauses (Anmerkung: dies natürlich auch von Frau Schellen!).
Und selbstverständlich … aber das kennen Sie ja … behalten wir uns weitere rechtliche Schritte (§ 187 StGB – Verleumdung? Den Ausdruck Rufmord kennt das Gesetz ja nicht) vor.
Abschließend bitte ich um Verständnis dafür, dass ich vorliegende Mail über meinen gut sortierten Verteiler versende und damit auch Ihre Mailadressen preisgebe. Damit will ich auch anderen Personen Gelegenheit geben, ebenfalls mit Ihnen den direkten Kontakt zu suchen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus FurtmeierTourismusdirektor Nordseeheilbad Helgoland
Kurverwaltung Helgoland Lung Wai 28
27498 Deät Lun / Helgoland
Tel.: 04725-8143-20 Fax: 04725-8137-28
tourismusdirektor@helgoland.de
Die Helgoländer meldeten sich nicht nur per Mail, sondern auch über die Kommentare auf taz.de zu dem Artikel zu Wort: Unter dem Namen „Martin Böhmer“ schrieb zum Beispiel jemand: „Dieser Artikel ist mit Abstand der größte Schwachsinn, den ich je gelesen habe. Entweder war die Autorin nicht selbst auf der Insel, oder sie war zu bekifft, um objektiv zu sein.“
Nachdem die taz die Veröffentlichung einer Gegendarstellung ablehnte und über einen möglichen „Abbruch der diplomatischen Beziehungen“ zu Helgoland schrieb, lenkte das Eiland offenbar ein. In einer eigens für die taz getexteten und regulär bezahlten Anzeige bekennt sich die Insel nun offen zum Alkoholkonsum: Sie wirbt mit einem Strandkorb nebst Tisch, auf dem die Sektgläser bereits bereitstehen. Helgoland spricht zudem offen die Hoffnung vieler Trinker an, die mit dem Alkoholkonsum ihre Sorgen vergessen wollen. Der Slogan lautet: „… und Probleme bleiben zuhause“. Na dann: Prost!
@ S. Heiser
Guck an. Wie überaus beruhigend.
So hat die taz bei dieser niederträchtigen und unwürdigen Angelegenheit dann wenigstens in einem Punkt ein minimales Minimum an korrektem Verhalten an den Tag gelegt.
Da kommen mir doch glatt ein paar Tränen der Rührung. Oh, wie konnte ich nur! Wie konnte ich nur so böse Worte für die liebe, arme, unschuldige taz finden und ihr so schlimme Schandtaten zutrauen?
Uhuhuhuuuu, wie ich mich jetzt schäme….