von 01.01.2015

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Von Sebastian Heiser

screenIm Jahr 2014 stagnierte die Zahl der Zugriffe auf taz.de (siehe rechts). Was sich änderte, war die Verteilung der Zugriffe: Die meistgeklickten Artikel bekommen immer mehr Klicks ab.

Im Jahr 2013 hatte der bestgelesene Artikel noch 185.000 Klicks. Im Jahr 2014 wurden neun Artikel häufiger gelesen. Der Spitzenreiter kommt sogar auf das Siebenfache, also auf 1,3 Millionen Klicks (der Artikel erschien im Juli, was man auch in der Grafik am Ausschlag nach oben sieht).

Ursache dafür ist: Unsere Leser kommen häufiger von Facebook. Vor eineinhalb Jahren kamen noch 6 Prozent unserer Leser über Soziale Netzwerke, inzwischen sind es 28 Prozent (Quelle: similarweb.com). Im Gegenzug gehen immer weniger Leser auf die Startseite von www.taz.de (41 Prozent statt 50 Prozent) und immer weniger kommen über eine Suchmaschine (20 Prozent statt 31 Prozent).

Das bedeutet: Wir haben immer weniger Einfluss darauf, welche unserer Artikel die Leser lesen. Unsere Online-Redaktion kann zwar einen Artikel ganz oben auf der Startseite von taz.de platzieren. Aber wie viel Aufmerksamkeit der Text wirklich bekommt, entscheidet sich auf Facebook. Je nach Betrachtungsweise führt dies zu einer Demokratisierung (weil jetzt die Leser entscheiden, welche Artikel sie teilen) oder Monopolisierung (weil Facebook nicht alle geteilten Artikel aller Freunde anzeigt, sondern mit seinen Algorithmen eine Auswahl trifft).

Und was halte ich von der Auswahl unserer Leser? In der Bilanz vor einem Jahr hatte ich geschrieben: „Insgesamt bin ich als Journalist übrigens mit den Präferenzen der taz.de-Leser zufrieden. Es heißt ja oft, dass online nur Schund gut geklickt wird. Bei uns ist aber in den Top 20 zum Beispiel nur ein Nackte-Brüste-Artikel (die Femen-Aktion im Kölner Dom), dabei hätten wir durchaus noch mehr solcher Artikel im Angebot gehabt. Stattdessen sind in der Liste gleich eine ganze Reihe von Artikeln, die ich auch auch zu unseren journalistischen Höhepunkten des Jahres zählen würde. Es stimmt auch nicht, dass online nur kurze Info-Häppchen gut laufen: Der Text auf Platz drei hat 23.000 Zeichen, in der gedruckten Ausgabe füllte er drei Zeitungsseiten.“

Ich bin immer noch sehr zufrieden und finde, dass die geteilten Artikel sehr gelungen sind und guter Journalismus. Eine Verschiebung gibt es bei den Themen und Darstellungsformen: Ganz oben sind Kommentare, Polemiken und Satire-Artikel statt harter Themen und aufwändiger Recherchen (im Vorjahr z.B.: Pädophilie-Beschlüsse der Grünen, Kindesmisshandlung in Haasenburg-Heimen).

Unsere zehn meistgelesenen Artikel 2014

1.297.000 Klicks für „Respektlos im Siegesrausch„: Der Kommentar zu den Feierlichkeiten nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft der Herren kritisiert die Kommerzialisierung und den „Gaucho-Tanz“.

936.000 Klicks für den Artikel über Latte-Macchiato-Mütter im Berliner Öko-Bezirk Prenzlauer Berg. Die zugezogenen Wessi-Frauen werden darin als “Rinder” bezeichnet, die mit ihren Kinderwagen die Gänge im Café verstopfen, zum Stillen ihre “Euter” herausholen und Kaffee mit Sojamilch bestellen sowie Hackfleischsuppe ohne Fleisch: „Sollen die doch zurückgehen, dahin, wo sie herkommen.” Der Artikel aus dem Jahr 2011 ist bereits zum vierten Mal in Folge in der Hitliste.

897.000 Klicks für die Kolumne „Kampfplatz mit Brüsten„, in der die Autorin die gesellschaftlichen Vorgaben an Frauen kritisiert und dazu aufruft, sich davon zu emanzipieren.

520.000 Klicks für die Kolumne „Die Wahrheit über Flug MH17“ mit mysteriösen Fakten zu Flug MH17.

418.000 Klicks für den Satire-Artikel „Tofu aus Fleisch„, in dem behauptet wird, rund 95 Prozent des weltweit produzierten Tofus bestehe gar nicht aus Soja, sondern aus dem Fleisch des bolivianischen Tofu-Trampel.

410.000-mal wurde der Artikel „Lecker Giraffe“ gelesen: Der Kopenhagener Zoo hatte die Giraffe „Marius“ an einen Löwen verfüttert, weltweit gab es darüber viel Empörung unter Tierfreunden, doch der Autor fand diese Aufregung übertrieben und wies auf die Natur der Tiere hin: „Raubkatzen fressen Tiere, so einfach ist das.“

240.000 Menschen interessierten sich für das Interview „Das ist irre“ mit einem ehemaligen Kriminalbeamten über einen Polizeieinsatz in Hamburg gegen linke Demonstranten.

189.000 Klicks erhielt der Satire-Artikel „Götzes Gauchogate“ mit einer Sammlung angeblicher Reaktionen aus Argentinien auf die Feierlichkeiten nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft der Herren.

186.000 Klick erhielt der Kommentar „Kindergeburtstag des Grauens“ über die letzte, unwürdige Sendung von „Wetten, dass..?“

161.000 Leser klickten den den Artikel „Ich bin nicht sexy…“ an, der die Kampagne des AfD-Nachwuchses „Ich bin keine Feministin“ aufs Korn nimmt.

Sebastian Heiser ist Redakteur im Berliner Lokalteil der taz

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https://blogs.taz.de/hausblog/klick-hitliste-2014-kommentare-ueberholen-recherchen/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Kommentare beleben eine Seite, nur nicht jede Seite kann wegen den Spam Geschichte solche Kommentarfunktionen freischalten. Versicherungsseiten zum Beispiel sind unsexy, wer will da kommentieren? Also bleiben nur Spamer übrig- wie ungünstig. Bei Kindergeburtstag des Grauens werden wahrscheinlich mehr Leute gewillt sein, ordentliche Kommentare abzugeben als bei Kostenerstattung Zusatzversicherung.

  • […] Und tatsächlich: Zu beobachten ist momentan der eindeutige Trend, wie sich soziale Netzwerke immer mehr als klassische Medienanbieter positionieren. Facebook macht das sogar unverhohlen-offensiv: Mit den “Instant Articles” macht der Social-Media-Riese nichts anderes als das, was Medien auch tun; auch wenn die Inhalte dafür eingekauft und nicht selbst erstellt oder bearbeitet werden. Auch eine andere Zahl spricht eindeutig dafür, wie wichtig soziale Netzwerke inzwischen für klassische Medien geworden sind. Gemessen an den Zahlen des Dienstes “10000 Flies” hat sich die Verbreitung von journalistischen  Inhalten über soziale Netzwerke alleine in den vergangenen beiden Jahren nochmal erheblich gesteigert – so viel wie momentan wurde noch nie geliked und geshared. Eine andere Statistik besagt, dass mittlerweile durchschnittlich über ein Viertel des gesamtes Treffics auf Webseiten von Facebook kommt. Selbst bei Angeboten wie der “taz”, dessen Publikum einer übergroßen Nähe zu Facebook sicher unverdächtig ist, kommt man inzwischen auf einen solchen Anteil. […]

  • …. und, liebe taz-lerInnen, „Pingback“-Einträge (im taz.blog), die man nicht direkt kommentieren kann, weil z.B. eine erforderliche „Anmeldung“ (auf der entsprechenden Website) unmöglich ist, wie bei:
    >>>>
    Pingback: Social Media sorgt für Reichweite | Eins A Blog | Eins A Blog
    <<<<
    sollten entfernt werden – nicht nur, wenn sie, wie in diesem Fall, lobbyistischen Unsinn verbreiten.

    Mein Kommentar zu deren ("eins a Kommunikation" [sic!]) Elaborat wäre (gewesen):
    Welch abenteuerlich-ärgerliche, lobbyistische Behauptung(!):
    "Dies bedeutet nicht, dass die Facebook-Seite für Unternehmen Pflicht ist. Aber es bedeutet, dass der eigene Internet-Auftritt Social-Media-Ready sein muss, um von den Zielgruppen auch in Zukunft wahrgenommen zu werden."
    Niemand, vermutlich auch nicht nicht die taz u./o. andere Tageszeitungen mit Online-Performances benötigen kostenfrei schmarotzend quicky-lesende F*c*booker(!), die in aller Regel mehrheitlich sicherlich niemals freiwillig für einzelne Beiträge zu zahlen bereit sind.
    Die Webseiten-Betreiber, die vor Jahren zögerlich begannen, die hässlichen Social-Media-Link-Buttons in jede einzelne ihrer Webseiten zu schrauben, sollten sich endlich Rechenschaft darüber ablegen, was das eigentlich für sie bedeutet und v.a., wer letztlich der alleinige Gewinner derlei Vorgehens ist, sein wird(!), denn n.a. nachteiligen Effekten dürfte nicht mal zu erwarten sein, dass aus jener vorauseilender Servilität (ohne Not) nennenswerte Zuwächse von z.B. Neu-Abonnenten resultierten!
    Es gilt: wer etwas von mir möchte, hat mich zu kontaktieren und nicht die gnadenlos kommerzielle Datenkra-n-ke F*c*book!
    Google hingegen leistet für das anonymisierte Mitschreiben von Verbindungs-Daten wenigstens noch etwas für die Allgemeinheit aller Webuser.

    • Pingbacks lösche ich, wenn es sich um automatisiert erstellte Spam-Einträge handelt, die von einem Roboter (bzw einem Programm) erstellt wurden. Wenn dagegen ein Mensch sich inhaltlich mit einem Hausblog-Beitrag auseinandergesetzt hat und diesen verlinkt, wird nicht gelöscht. Das gilt unabhängig davon, ob die Meinung dieses Menschen mir passt und ob er mit dem Schreiben von Blogbeiträgen PR für sein Unternehmen macht (so wie ich es hier mache). Etwas anderes würde nur gelten bei Menschen, deren Meinung ich so unerträglich ekelhaft finde, dass diese Menschen für mich kein Teil dieser Gesellschaft mehr sind. Das kommt aber nur selten vor, ich bin der Meinung, dass man abweichenden Meinungen eher mit Argumenten begegnen sollte als mit Unsichtbarmachung. Völlig irrelevant ist jedenfalls für mich, ob die Seite eine Kommentarfunktion bietet (und falls ja: ob diese funktioniert).

      • Vielen Dank für Ihr Statement; bleibt nur noch die Frage, wie man „Menschen“ auf gleicher Augenhöhe und ohne ‚unsichtbar‘ gemacht zu werden „eher mit Argumenten begegnen“ könnte, wenn der „Meinung“-sverkünder & Inhaber des Lobby-Weblogs seinen Bauchladen geschlossen hält – insofern „jedenfalls“: 1A, Ihr Statement.

  • […] Klick-Hitliste 2014: Kommentare überholen Recherchen | taz Hausblog "Das bedeutet: Wir haben immer weniger Einfluss darauf, welche unserer Artikel die Leser lesen. Unsere Online-Redaktion kann zwar einen Artikel ganz oben auf der Startseite von taz.de platzieren. Aber wie viel Aufmerksamkeit der Text wirklich bekommt, entscheidet sich auf Facebook." (Tags: Facebook taz Homepage Reichweite Sharing Job ) […]

  • Ich halte es für signifikant und dezent ‚deprimierend‘, dass weder 2013, noch 2014 auch nur näherungsweise ein einziger taz-Artikel zu Edward Snowden, resp.: der NSA & Co., Verfassungsschutz etc., auf den vorderen Klickrängen erscheint.
    Das mag nicht nur der Verbl-(en)/(ö)-dung der Gesellschaft geschuldet sein, sondern sehr vermutlich auch der thematisch defizitär mangelhaften, unengagierten Berichterstattung seitens der taz.
    Deshalb hier ein Hinweis auf einen aktuellen Beitrag des Deutschlandfunks’, der ggf. den einen oder anderen themenkontextuell informieren UND motivieren könnte und ja wohl ‚irgendwie‘ auch mit dem hier Bezug genommenen taz.blog: „Klick-Hitliste 2014“ zu tun hat, oder nicht? Zum Nach-lesen/hören:

    Staatliche Überwachung
    Befallen vom Überwachungsvirus
    Reihe NetzKultur! (1/5)
    http://www.deutschlandfunk.de/staatliche-ueberwachung-befallen-vom-ueberwachungsvirus.1184.de.html?dram:article_id=307639

  • Was sehr schön deutlich wird: Eine hohe Klickrate bedeutet nicht automatisch“sehr gut“ im Sinne von Zustimmung. Gerade die Nummer 1 wurde in der Öffentlichkeit sehr heftig diskutiert, was sicherlich dazu geführt hat, dass sich viele User direkt informieren wollten, obwohl sie den Kommentar negativ bewerten.
    Trotz allem ein Erfolg beim täglichen Kampf um Anzeigenkunden. Und wer weiß: Evtl. war auch ein neuer Fan darunter!

    • Gegen die Artikel ist nichts zu sagen. Ich freue mich, wenn jemand diese Artikel liest. Interessant ist halt insgesamt, wie sich die Auswahl der bestgeklickten Artikel verändert.

  • Geklickt ist nicht gleich gelesen. Wenn der Artikel nicht hält, was die Überschrift verspricht, dann hört man auch schon mal nach dem zweiten oder dritten Paragraphen auf zu lesen. Egal wie lang der Artikel ist.

    • Das stimmt. Wir haben keine harten Daten darüber, wie viele Klicker den Artikel auch ganz gelesen haben. Wir haben nur Mutmaßungen: Wenn der Artikel nicht hält, was die Überschrift verspricht, dann würde man den Artikel wahrscheinlich eher nicht mit seinen Freunden auf Facebook teilen.

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