von 02.05.2012

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Die Kontext-Redaktion bei der Arbeit. Foto: Chris Grodotzki
Die Kontext-Redaktion bei der Arbeit. Foto: Chris Grodotzki
Von Josef-Otto Freudenreich

Wir machen weiter! Das Unmögliche ist möglich. Die Kontext:Wochenzeitung, die im Südwesten der Republik am Wochenende der taz beiliegt, hat (fast) 1000 solidarische Abonnentinnen und Abonnenten – und dafür 1000 Dank. Sie halten das kleine Schiff auf hoher See. Genau sind es 926, aber zusammen mit den Spenden können wir sagen: Das erste Ziel ist erreicht, es geht ins zweite Jahr. Getragen von unseren Leserinnen und Lesern, die überzeugt sind: Kontext ist mir’s wert. Je mehr es sind, desto besser. Und dann schaffen wir auch die 1000er-Marke – und noch viel mehr.

Was für Aussichten! Schauen, was Turner (Fast-CDU) mit seinen Millionen macht. Checken, wie Kuhn (Grüne) und Wilhelm (SPD) den Bahnhof tieferlegen. Wie Rockenbauch (SÖS), Hermann (Piraten) und Loewe (Wasserforum) oben bleiben. Der Kampf um den Job des Stuttgarter Oberbürgermeisters wird richtig aufregend – und Kontext ist dabei. Wenn das keine Herausforderung ist …

Aber keine Bange, das wird nicht alles sein.

Nur: in der Zeit bis Oktober wird sich beispielhaft zeigen, was es auf sich hat mit der „Stuttgarter Republik“. Ob sie (noch) lebt oder stumm geworden ist, ob die Matadore ihre Fahnen eingezogen haben oder wiederkommen. Vieles spricht für Letzteres, weil die OB-Wahl zur öffentlichen Bühne wird, auf der alles gespielt werden kann, was diese Stadt und dieses Land bewegt hat und bewegen wird. Und das wird nicht nur Stuttgart 21 und „arbeiten, shoppen, Freizeit“ sein. Dafür werden die zahlreichen Initiativen sorgen, die sich um Verkehr, Schulen, Energie, Wohnungsbau usw. kümmern. Sie wollen eine andere Politik, ein Recht auf Mitgestaltung, und deshalb wird der Kampf um das zweitwichtigste Politamt in Baden-Württemberg ein weiterer Testlauf dafür, wie lernfähig die politische Klasse ist. Inzwischen gehört es ja zum guten Ton, selbst bei der CDU, den Bürger abzuholen, mitzunehmen und ins gelobte Land der Partizipation zu führen. Wir erinnern uns: Augenhöhe und Gehört werden. Da heißt es aufpassen.

Fürs Netz bezahlen – wer macht denn so was?

Kontext kann das nun weiter tun – mit dem Mandat seiner Leserinnen und Leser, die nicht „schwarz sehen“ wollten. Das ist großartig und alles andere als selbstverständlich. Fürs Netz bezahlen – wer macht denn so was? Also muss es einen Grund geben. Der Schriftsteller Rainer Wochele etwa zählt Kontext zu den „im besten Sinne republikanischen Impulsen“, die von Stuttgart ausgesandt worden sind, zum „Solitär im Medienspektrum“ eines demokratischen Gemeinwesens. Sein Verstummen, so der Literat, wäre ein „schwerlich wieder gutzumachender Verlust“. Ähnliches empfand wohl auch sein Kollege Klaus Wanninger, der Woche für Woche einen „neuen Lichtschein“ am dunklen Horizont entdeckte und flugs das Soli-Abo neben der taz zeichnete. Verbunden mit der Aufforderung, den Mut zur Weiterarbeit zu behalten, „auch wenn der Wellengang höher und rauer wird“. Wie bei dem Schifflein, das sich auf unserer Titelseite in stürmischer See befindet.

Zugegeben, das war nicht immer leicht. Auch dann nicht, als uns ein fröhlicher Zeitgenosse mitteilte, er freue sich über unser Ableben. Aber wenn ein Leser („Mir blutet das Herz“) schreibt, er könne nur einen bescheidenen Beitrag zum Überleben leisten, weil er eine fünfköpfige Familie zu ernähren habe, dann darf er nicht enttäuscht werden. So wenig wie die vielen, vielen Ermunterer („Haltet durch“), die uns in den vergangenen Wochen geschrieben haben. Nicht zu vergessen taz-Geschäftsführer Karlheinz Ruch, der über Kontext „extrem glücklich“ ist.

Ein so schwieriger wie reizvoller Schritt ins zweite Jahr

Für die Kontext-Redaktion ist das ein so schwieriger wie reizvoller Schritt ins zweite Jahr. Es gilt, den Standard nicht nur zu halten, sondern Stück für Stück auszubauen. Das gilt für die Berichterstattung aus der Stadt, die zwischen betongläubigen Investoren und Politikern eingemauert ist. Das gilt für das Land, in dem der schwarze Filz noch immer fein gewirkt ist, und das betrifft überregionale Themen, die der Mainstream nicht bedient. Wie zum Beispiel der Essay von Thomas Rothschild zu Günter Grass – „bei Weitem das Beste“, was dazu verfasst wurde, so ein Leser aus Bad Honnef.

Dazu kommt eine Überarbeitung des Internetauftritts, der nutzerfreundlicher werden muss. Der zur Debatte einlädt, als Forum für alle Bürger, die sich auf den Marktplatz der Meinungen begeben wollen.

Ein ambitioniertes Programm, wohl wahr, und – vorläufig – mit derselben Ausstattung zu stemmen. Personell wie finanziell. Insofern bitten wir unsere Leserinnen und Leser um etwas Nachsicht, wenn nicht alles auf einmal klappt. Wer dem Tod von der Schippe gesprungen ist, freut sich über jeden kleinen Schritt.

Ein Tusch auch auf den Kontext-Verein

Dem Dank an die solidarischen Abonnenten hat auch ein Tusch auf den Verein für Ganzheitlichen Journalismus, den Träger von Kontext, zu folgen. Ohne das unerschütterbare Engagement des Vorsitzenden Uli Reinhardt, unterstützt von seinen Mitstreitern Johannes Rauschenberger, Thomas Rossmann und Rainer Stieber, stünde Kontext nicht dort, wo es jetzt steht. Dank auch an den Beirat unter Vorsitz von Edzard Reuter und Hanne und Andreas Schairer, denen eine gute Zukunft des Gesamtprojekts, inklusive der Bildungsarbeit, am Herzen liegt.

Auch sie sehen einen „große Schritt nach vorne“, nachdem der Verein am vergangenen Montag weitere Grundlagen geschaffen hat. Der Vorstand wird erweitert, um die Bereiche Zeitung, Bildung und Finanzen personell abzudecken. Dazu ist eine Satzungsänderung notwendig, die, zusammen mit den Wahlen, auf der Tagesordnung der nächsten Vereinssitzung stehen wird. Auch bis dahin halten wir es mit dem langlaufenden Beiratsmitglied Dieter Baumann: „Weiter so!“

PS: Der Fotograf Chris Grodotzki hat die tägliche journalistische Arbeit bei Kontext ein Jahr lang begleitet. Mit dieser Fotoreportage hat sich der 23-Jährige an der FH für Fotojournalismus in Hannover beworben. Er hat den scharfen Blick im Bild festgehalten, die Recherche, die Redaktions-Besprechungen – und die Trophäen. Wie etwa den CDU-Schal, ein Relikt aus dem Wahlkampf von Ex-CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus.

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https://blogs.taz.de/hausblog/kontext-ist-gerettet-1000-dank/

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kommentare

  • Herzlichen Glückwunsch! Ich hab mit euch gebibbert… und freue mich jetzt umso mehr. Beiträge wie die Nach-S21-Debatte, aber auch der Essay von Thomas Rothschild zu Günter Grass‘ Gedicht sind eine echte Bereicherung.Das darf auch in Zukunft nicht fehlen.

  • Dem Tod von der Schippe gesprungen – aber zu kurz. Wo bleiben ernsthafte Bemühungen um eine engere Zusammenarbeit, evtl. Vereinigung mit der Einundzwanzig? Bei aller Freude über Vielfalt – EIN unabhängiges, engagiertes und investigatives Blatt als Kontrast zum Stuttgarter Zeitungsfilz wäre finanziell eher im schippenfreien Bereich und dank Vielfalt der Meinungen weder Grünen-Parteiblatt noch S21-Kampfpostille. Konkurrenz belebt zwar das Geschäft, bahnt in diesem Fall aber eher den Weg in die Wüste. Die nächsten Ausgaben und Schritte in diese Richtung werden darüber entscheiden, ob ich bei meiner Unterstützung bleibe. Einstweilen also verhaltene Freude.
    PS: Ich kann der Redaktion eine Mappus-Tasse spendieren fürs nächste Foto.

  • Dazu kommt eine Überarbeitung des Internetauftritts, der nutzerfreundlicher werden muss. Der zur Debatte einlädt…

    Ich glaube, ein Problem ist die zwingende Anmeldung für Kommentare. Das ist einfach eine lästige Schwelle. Natürlich ist dann das Moderieren u.U. zeitintensiver (Shitstorms bei der Wahl etc.), aber ein Versuch wär’s wert!

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