von 13.07.2013

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Der 27-jährige pakistanische Flüchtling Usman Manier sollte am 20. Juni aus Deutschland abgeschoben werden, und zwar in einem Linienflug von AirBerlin. Der Passagier F. Sarrazin verhinderte diese Abschiebung: Als die Maschine am Berliner Flughafen losrollen wollte, stand er von seinem Sitzplatz auf und weigerte sich, sich wieder hinzusetzen – so konnte der Pilot nicht starten. Die Polizei holte beide aus dem Flieger. Der Flüchtling Manier sitzt nun wieder in Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt. Gegen Passagier Sarrazin, der als Fotograf arbeitet und ursprünglich aus Kanada kommt, wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß Paragraf 20 Luftsicherheitsgesetz eingeleitet, ihn erwartet eine Geldbuße.

 

In der taz druckten wir drei Tage später ein Interview mit Sarrazin. Er erzählte uns, er habe über das Wochenende seine Freundin in Budapest besuchen wollen. Beim Check-In gab es eine Protestaktion gegen die Abschiebung, dort habe ihm jemand ein Flugblatt in die Hand gedrückt. Er habe sich dann spontan entschieden, die Abschiebung zu verhindern: „Das war’s wohl mit dem Wochenende, schoss es mir durch den Kopf.“

 

Der Artikel verbreitete sich in rasender Geschwindigkeit. Es war laut 10000flies.de an diesem Tag der am häufigsten weiterverbreitete Artikel im gesamten deutschsprachigen Internet, allein auf Facebook wurde er rund 9.000-Mal geliked und geteilt.

 

Zwei Wochen später schrieb auch der Spiegel über die verhinderte Abschiebung. Aber dort stand die Geschichte etwas anders: Sarrazin hat demzufolge einen Bekannten, der Aktivist bei einer Flüchtlingsorganisation ist. Der Bekannte erzählte ihm von der Abschiebung. Sarrazin buchte dann den Flug in der Maschine, um die Abschiebung zu verhindern. Nach Budapest wollte er gar nicht.

 

In der taz wollten wir nun wissen, welche der beiden Versionen stimmt, und haben nochmal mit Sarrazin gesprochen. Ihm war das alles sehr unangenehm. Er habe gar keine Freundin in Budapest, sagte er uns jetzt. Er sei davon ausgegangen, die taz sei eine kleine Kreuzberger Zeitung. Er hätte nicht gedacht, dass das so ein großes Ding wird. Und dann sei die Fanpost gekommen, viele Mails. Mit der Lüge habe er es da nicht mehr ausgehalten. Zumal sein Anwalt ihm gesagt habe, dass es juristisch keine große Rolle spielt, dass er nicht spontan gehandelt hat. In einem weiteren Artikel schreiben wir das auf. Der Vorspann des Artikels von Sebastian Erb lautet:

 

Ein kanadischer Fotograf verhindert in Berlin-Tegel die Abschiebung eines Asylbewerbers aus Pakistan. Dann belügt er die taz. Warum?

 

Leserin Lara kritisiert in einem Online-Kommentar zu dem Artikel diese Berichterstattung:

 

„Dann belügt er die taz.“ Was ist denn hier eigentlich das Problem, Sebastian Erb? Sie scheint es viel mehr zu stören, dass ein zivilcouragierter Mensch die genauen Umstände seines Einsatzes lieber verschweigt, als dass er nun einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt wird. Statt dem engagierten jungen Mann hinterher zu stellen, sollten unsere Ressourcen für Sinnvolles genutzt werden. Ich erwarte von der taz, dass sie kritisch über gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen berichtet und einen Gegenpol zu den großen Medienkonzernen bildet. Dieser Artikel ist einerseits ganz schön peinlich und andererseits ziemlich unsolidarisch.

 

Sebastian Erb nimmt dazu wie folgt Stellung:

 

Das Problem ist, dass wir keine unwahren Behauptungen verbreiten wollen, weil darunter nicht zuletzt unsere Glaubwürdigkeit leidet. Das lässt sich natürlich nicht immer vermeiden. Aber wir versuchen immer, Behauptungen einzuordnen und wenn möglich zu widerlegen. Auch wenn ein Interviewpartner, der bei vielen aufgrund seines Handelns auf Sympathien gestoßen ist, offensiv gelogen hat, haben wir die Verantwortung, darüber zu berichten. Allein schon, um irritierten Leserinnen Aufklärung zu schaffen, die sowohl das taz-Interview gelesen haben als auch den späteren Spiegel-Text, in dem der Sachverhalt anders dargestellt wird. Diese Klarstellung erfolgt unabhängig von einer Bewertung des Handelns von Sarrazin. Für das Ordnungwidrigkeitsverfahren spielt es übrigens keine entscheidende Rolle, ob er seinen Protest länger plante oder nicht.

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https://blogs.taz.de/hausblog/leserinnenvorwurf-die-taz-ist-unsolidarisch/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Hallo nochmal! Die Geschichte scheint sich ja jetzt bedauerlicherweise ins sowieso Nebensächliche verflüchtigt zu haben.
    Da gehört sie offenbach auch hin – bei all den verblüffenden wie furchterbaren Umwälzungen, die Tagespolitik so mit sich bringt – aber es ist terotzdehm eine GRO?ARTIGE Geschichte.

    Warum ist sie das?

    Weil sie Potential hat. Es ist nicht nur ein einfache Geschichte von Zivilcourage bzw. zivilem Ungehorsam.
    Es ist eine Geschichte über die Macht, die Möglichkeiten, der Motive und der Motivationen des Individuums in unserer heutigen Zeit des Eigennutzes. Es ist eine Geschichte, die ve4rmeintlich _Vergleichbares in den Schatten der Bedeutungslosigkeit zu stellen in der Lage ist.

    Ist das, was er tat, die Erweiterung des Narzissmus mit anderen Mitteln? Ist es tatsächluichj und ursprünglich altruiistusch motiviert?b ‚Gib t es sowas wie originären Altruismus überhazupt?
    Herrgott, ist es essaywürdig was da passiert ist?

    Stattdessen – stattdessen bekommen wir eine Reduzioerung aufs fürs organ e3sentuille: Dinge sind passiert. Under organ wurde bschissen. Doof aber wir stehen dazu. End of Story.

    Recherche ist ein Treppenwitz: Niemand erwartet die Wahrheit, das Ende aller Dinge.-
    Weil jeder weiß, daß alle lügen, sowieso.

    Aber wünschen tun sich viele Menschen, daß innerhalb dieser Lügen bisweilen etwas das Licht erblickte, das eine Geschichte zu erzählen weiß, das der Realität nahe zu kommen sein kommen könnte.

    Es ist – wie gesagt – keine Frage der Recherche. Es ist die Frage, wie man mit dem umgeht, was man hat.

    Tut mir leid, mal wieder alkoholisiert. Habe Probleme, die ruichtige Reigenfolge der Buchstaben zu bestimmen. Muß die im Geiste durchzählen, g kommt nach f, k kommt vor l, etc.

    Egal, worauf ich hinaus will: Die Recherche ist nicht das Problem. Niemand außer ignoranten iodioten kabnn der taz vorwerfen, daß sie für relativ unbedeutende Ereignisse kein 5-köpfiges Team vor Ort hat, dass eventuelle Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.

    Aber! Man kann ihr die ursprüngliche, unausgesprochene Gemeinmachung mit dem Täter vorwerfen. Man kann ihr ihr suksesszives, vorgestelltes Unverständnis für seine Lüge vorwerfen. Und nicht zuletzt, man kann ihr diese ganze Spingeschichte vorwerfen, die sie als OPfer eines einzlenenn, der Normk nichgt entsprechenden Abweishenden darstellt vorwerfen.
    Man kann ihr vorwerfen, daß sie ihre journalistische Sorgfaltspflicht zu Gunsten einer Agenda gepfert hat.

    So sieht’s doch aus.

  • Auch ich bin gerade über einen ähnlichen Fall gestolpert. Hier ging es um die Abschiebung des Mannes einer Hungerstreikenden vom Münchner Rindermarkt.
    Während die meisten Medien von einer „Aktivistin“ sprechen, sagt sie ebenfalls selbst im Interview, sie habe ein Flugblatt bekommen: http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/abschiebung-gestoppt-interview-mit-flugzeugpassagierin-100.html

    Für mich machte es schon einen Unterschied, ob sie „Aktivistin“ oder einfach normale Flugreisende ist, da dies eine Menge über die Solidarität und die Courage der Deutschen aussagt.

    Viellecht fragt Ihr hier mal nach?

    • Tja, wenn sie sagt, dass sie normale Flugreisende ist – wie sollen wir überprüfen, ob sie nicht in Wirklichkeit Aktivistin ist?

      • Wenn ihr der Aussage mit dem Flugblatt Glauben schenkt, dann hat sie bis zum Aufstehen im Flugzeug die Schritte zu einer Aktivistin hinter sich.

        Wenn nicht, dann zum Bleistift:

        In München aktive Organisationen für Menschenrechte fragen: Handelt sie in eurem Namen?

        Flüchtlingen ein Foto von ihr zeigen. Hat jemand ihre Nummer? Ja? Warum?

        Keine Nummer. Liebe Polizei in München: könnt ihr ein Vorstrafenregister von dieser Frau bestätigen?

        Nein? Sie mit einem Blumenstrauß besuchen gehen und Ticket zeigen lassen.

        Kann sie nicht, weil sie verreist ist?

        Kann sie doch und sie zeigt euch ihr Ticket. Wer kauft sich für gewöhnlich ein Flugticket kurze Zeit vorher zu Wucherpreisen? Sie fragen, was ihr durch den nicht stattgefundenen Flug entgeht?

        Sie will nicht mich euch sprechen? Nachbarn und Bekannten den Strauß für sie geben und nach dem Urlaub fragen.

        Ins Gespräch gekommen, über die politische Einstellung informieren. Ist sie eigentlich politikverdrossen und nie aktiv?

        Klar kann bei der Recherche alles anders als geplant laufen. Die Nachbarn mögen lieber Pralinen, das Ticket ist unlesbar, sie hatte nur Flugangst, einen Krampf und stand deshalb auf, wie auch immer.

        Euer Job dreht sich ja nicht um ausrechenbare Logik. Wenn ihr neugierig vorgeht, werdet ihr genug Belege finden. Menschen lassen sich zu Informationen leichter überrumpeln, als Schreibtisch-RedakteurInnen vielleicht denken.

        Die meisten der Aussagen behaltet ihr ja für euch. Euch geht es ja nur um das Ergebnis, ob das eine Nachricht ist oder nicht.

        • > Euch geht es ja nur um das Ergebnis, ob das eine Nachricht ist oder nicht.

          Richtig, und es ist für mich keine Nachricht, die es wert ist, einen solchen Aufwand zu betreiben. Ob sie sich erst im Flugzeug entschieden hat, die Abschiebung zu verhindern (und damit zur Aktivistin geworden ist) oder ob sie vorher schon Aktivistin war und das Flugticket extra mit dieser Absicht gebucht hat, ist für den Kern der Geschichte (ein Flugpassagier hat eine Abschiebung verhindert und muss jetzt mit Strafe rechnen) vergleichsweise wenig wichtig. Stattdessen geben wir einfach das wieder, was sie über den Ablauf und ihre Motivation sagt. Wir finden natürlich trotzdem, dass sie die Wahrheit sagen sollte (und wenn sich später herausstellt, dass es nicht die Wahrheit war, informieren wir unsere Leser darüber).

          Aber so ein Aufwand, um einen für den Kern der Geschichte nicht entscheidenden Aspekt zu überprüfen? Das steht in keinem Verhältnis. In der gleichen Zeit kann ich von meinem Schreibtisch aus fünf Geschichten recherchieren und aufschreiben, die alle relevanter sind als diese eine Teilfrage.

          Der Aufwand lohnt sich natürlich, wenn man einer brisanten Sache von erheblichem öffentlichen Interesse auf der Spur ist.

    • Sebastian: richtig.

      Der Zweck heiligt trotzdem nicht alle Mittel. Wer eine Zeitung belügt, die im schlimmsten Fall ihre Auflage einbüßt, Beispiel Stern bei den angeblichen Hitler-Tagebüchern, muss schon einen besonders guten Grund haben. Sonst zerstört die Person genau das, wofür sie sich doch mit ihrer Aktion einsetzen wollte.

      Glückwunsch. Wenn ich das richtig sehe, hat F. Sarrazin dem Nachnamen Sarrazin nicht nur eine neue Bedeutung gegeben, sondern eine der Helden-Botschaften sogar über das Massenmedium Spiegel verbreitet.

      Ich meine die Botschaft, dass Helden mit Fanpost belohnt werden. Ich hoffe, dass diese Aussage von ihm stimmt und Leute, die in Flugzeugen gegen Abschiebungen aufstehen und Strafen riskieren, wirklich danach Fanpost/Anerkennung bekommen. Auch wenn niemand über sie berichtet oder sie die Tugend beherzigen, dass man mit guten Taten nicht prahlt.

  • Mit dem Relaunch von taz.de, der derzeit umgesetzt wird, bekommen wir auch ein neues Kommentarsystem. Damit soll alles schneller und übersichtlicher werden. In der Folge werden sich hoffentlich auch mehr Autoren an Diskussionen beteiligen.

    • … und das ist wirklich löblich.
      Es wäre fein, wenn noch etwas am Layout eurer Blogs gearbeitet würde.
      Etwas größere Zeilenabstände wäre wünschenswert.

      Unschön ist auch, dass die Leserkommentare sehr unformatiert aussehen. Ist anstrengend zu lesen.

  • Autoren sollten viel öfter auf sachliche Kommentare eingehen. Oft stellen Kommentatoren die wichtigen Fragen, haben gute Argumente, oder bieten weiterführende Informationen. Ich verstehe nicht, wie die meisten Autoren das einfach so stehen lassen können. Ich würde mir wünschen, das Autoren öfter darauf eingehen würden.
    Danke, das es hier so war :-)

  • Bitte um Entschuldigung für meine extrem ausfallenden Beiträge von gestern. Ich war sehr betrunken und sehr enttäuscht und wütend über diesen furchtbaren Satz „Dann belügt er die taz.“

    Ich halte ihn wirklich für symptomatisch. Bin zwar kein taz-ler der ersten Stunde und kann deswegen nicht sagen, ob und wie sie sich im Laufe der Jahre verändert hat, aber ich hatte eben tatsächlich mehr erwartet. Wir bleiben anders? Nicht mit dieser Masche, tut mir leid.

    Snuicides Beitrag verstehe ich nicht. Der Fotograf gab das Interview, er log, was die Umstände seiner Aktion anging, die taz druckte das Interview, ohne seine Aussagen zu überprüfen, empörte sich hernach über seine Lüge und ich „empörte“ mich über die taz.

    Der Grund für meine gestrige Vehemenz ist mir nicht ganz klar. Nachwievor finde ich den Satz „Dann belügt er die taz“ einfach grottig. Er ist effektheischerisch und vermittelt – oder soll vermitteln – ein Bild der taz als Institution.
    Er hat schließlich auch nicht die taz belogen sondern den, dem er das Interview gab. Er hat die Öffentlichkeit belogen beziehungsweise die Organe, die jetzt über seine Strafe entscheiden. Aber eben nicht die taz.

    Das hätte Sebatian Erb auch klar sein müssen. Wenn man sich schon auf die Fahnen schreibt, wie anders man doch bleibe, dann gehört dazu – zumindest meiner Meinung nach – vor allem die Vermeidung manipulativer Taschenspielertricks. Gute Recherche kann ich woanders finden, Aufrichtigkeit, Demut gegenüber dem Stoff, an dem man gerade sitzt, und genügend Respekt vor und Vertrauen in den Leser, nicht unbedingt.

    Nochmal Entschuldigung für gestern. Es muß sehr häßlich sein, so etwas zu lesen. Sollte mich mal wieder die Wut packen, werde ich meine Ergüsse copy&pasten, einmal drüber schlafen, dann bei Bedarf sachlichisieren und erst dann abschicken.

    • Die Entschuldigung ist angenommen!

      Richtig, der Punkt mit der Lüge gegenüber der Öffentlichkeit ist der wichtigere Punkt. Andererseits wäre in dem Vorspann der Satz „Dann belügt er die Öffentlichkeit“ nicht richtig gewesen, weil er inzwischen (zum Zeitpunkt, als dieser Artikel erschien) ja die Wahrheit gesagt hat. Insofern würde die Erwähung der taz im Vorspann also der Betonung dienen, dass er nur gegenüber der taz gelogen hat und nicht gegenüber dem Spiegel.

      Ich würde die Bedeutung des Vorspanns nicht überbewerten. Auf dem kurzen Platz kann das Thema nur angerissen werden – es kann dort nicht so ausführlich behandelt werden, wie es notwendig ist. Dazu ist dann der Text da.

      Ich finde die Erwartung, wir hätten jede einzelne seiner Aussagen vor der Veröffentlichung überprüfen sollen, völlig unrealistisch. Ich denke auch nicht, dass Leser das erwarten. Den Kernaspekt haben wir natürlich gegengeprüft – die Polizei hat bestätigt, dass Sarrazin tatsächlich im Flugzeug aufgestanden ist und dadurch die Abschiebung verhindert hat. Die weiteren Aspekte der Geschichte waren in sich schlüssig und er erzählte sie glaubwürdig. Wie hätten wir überprüfen sollen, ob er den Flug nur gebucht hat, um die Abschiebung zu verhindern? Hätten wir uns das Rückflugticket zeigen lassen sollen? Was ist, wenn er gesagt hätte, den Rückflug wolle er erst später spontan buchen? Oder hätten wir verlangen sollen, mit seiner Freundin in Budapest zu telefonieren? Sollen wir wirklich allen Gesprächspartner ein so großes Maß an Misstrauen entgegenbringen?

      In der heutigen Ausgabe berichten wir über eine Demo und geben dort wieder, dass ein Teilnehmer ein Schild hielt mit der Aussage „Ich hab meine Mama lieb, auch mit Rollstuhl!“ Wir haben das ungeprüft wiedergegeben. Erwarten unsere Leser, dass wir erst seine Mutter fragen, ob es stimmt? Aber selbst wenn sie bestätigt, dass er immer nett zu ihr ist – woher wissen wir, dass er sie wirklich lieb hat und das nicht nur vortäuscht, weil er sonst enterbt wird?

      In der heutigen Ausgabe schreiben wir über den Bauernhof von Annette Alpers-Tipke in Bargstedt. Die sagt, der Bauernhof sei in zwölfter Generation im Familienbesitz. Erwarten unsere Leser wirklich, dass wir das erst im Grundbuchamt und in alten Archiven überprüfen, bevor wir es drucken?

      In unserer morgigen Ausgabe schreiben wir darüber, dass Flüchtlinge in einer Asylbewerberunterkunft in Eisenhüttenstadt seit vier Tagen im Hungerstreik sind. Wie sollen wir gegenrecherchieren, ob sie in der Zeit wirklich nichts gegessen haben?

      Wir überprüfen den Kernaspekt einer Geschichte, den wesentlichen Teil. Darüber hinaus geben wir das wieder, was uns erzählt wird – und machen dabei im Artikel kenntlich, wer uns was erzählt hat.

      • Ja, Sie hätten dem Mann mehr Misstrauen entgegenbringen müssen.

        Die Geschichte von Bürgern, die in Flugzeugen gegen Abschiebungen aufstehen – ist alt und bekannt. Sie wurde mehrfach verfilmt. Bekanntes lässt sich leichter instrumentalisieren. Da müssen Sie sich eine extra Portion Details erzählen lassen, die sie dann auf Stimmigkeit gegeneinander abwägen.

        F. Sarrazin wird jetzt ewig und drei Tage im Web als hinterlistiger Aktivist für Menschenrechte auffindbar sein. Das könnte ihm über lange Zeit schaden. Dafür sind Sie mitverantwortlich.

        Ich erwarte von der taz, dass die Berichte stimmen.

  • Auch hier macht der Ton die Musik. Man kann die – wenn man so will „gefühlte“ – Notlage des Passagiers in einem zweiten Artikel darstellen und man sollte im konkreten Falle eben auch das Verständnis für dieses Handeln artikulieren (welches ich einem taz-Redakteur hier auch unterstellen möchte).

    Aber ein schmollendes „der belügt uns“ sollte er sich schenken.

    Andererseits hätte auch Sarrazin ohne Schaden gleich mit der Wahrheit herausrücken können.

    Manche Zuschriften (auch zu anderen Themen) lassen in letzter Zeit einen latenten Unmut über die Arbeit der Redaktion erkennen. Die taz-ler sollten sich mal intern damit befassen!

    • Unmut über die Arbeit der Redaktion gibt es seit 1978. Wir befassen uns ständig damit. Es ist jedoch schwierig für uns, eindeutige Schlüsse zu ziehen, da der Unmut von vielerlei Seiten geäußert wird und unsere Leser Veränderungen fordern, die in unterschiedliche Richtungen gehen und sich dementsprechend gegenseitig ausschließen. Zudem weiß man nicht, ob die, die Unmut äußern, auch repräsentativ für alle Leser sind, oder ob die Mehrheit der Leser zufrieden ist und sich nur die Minderheißt äußert, die unzufrieden ist.

  • Der Mann hat wohl die Lektion gelernt, dass heute auch kleine Interessengruppen ihre gefälligen PR-Stories verbreiten, um der Sache zu nützen. Und jetzt erwarten einige, dass sich die Taz die PR-Märchen der „Guten“ zueigen macht, anstatt PR-Methoden im Non-Profit-Bereich in Frage zu stellen.

    Dabei geht es doch auch anders. Bei Robin Wood weiß man zum Beispiel, dass die Aktivisten gezielt anreisen und nicht so tun, als seien sie spontan auf Bäume geklettert und hätten das Equipment rein zufällig dabei gehabt.

  • „Dann belügt er die taz“ – dieser Satz ertrinkt fast in seinen eigenen Krokodilstränen. Wie kann er das nur tun? Die solidarische, linke, immer um emanzipatorische Berichterstattung bemühte, unser aller taz, die belügt man nicht!
    Aber mal halblang – „lügen“ ist eine so durch und durch moralische Wertung, um nicht zu sagen moralinsauer, da schüttel ich nur den Kopf und hoffe, dass der vermutlich noch etwas jüngere Mann, der diese Berichte verfasst, auch noch reifen und gelassener werden wird.

  • naja, das Ganze ist wieder einmal so ein wirre Geschichte-der erzählt das was, der andere dort was, dann ist natürlich sofort ein Anwalt dabei- was nun wirklich abgelaufen ist, ist ziemlcih schleierhaft, der Abzuschiebende sass ruhig im Flieger ohne Polizei, im Flughafen werden Flugblätter verteilt, eins bekommt der Kanadier und entschliesst sich spontan, obwohl er mit den Fakten überhaupt nicht vertraut ist, zu seiner Aktion, vielleicht dachte er auch-in Berlin kann man das schon machen-und ein bischen Reklame ist auch nicht schlecht !

  • Hä? wenn ich das Richtig verstanden hab, gab doch der Fotograf das Interview? Also ist Jojas Kommentar einfach Bullshit… war halt ne Notlüge, eine Art von Lüge – ich mag euch taz! Und gut zu wissen, das man mit einer kleinen Ordnungswidrigkeit eine Abschiebung verhindern kann. Wie hoch die Geldstrafe wird, erfahr ich hier bestimmt auch, wenn es soweit ist?

    • Richtig, der Fotograf gab uns zwei oder drei Tage nach der Aktion das Interview.

      Über die Höhe der Geldstrafe werden wir mit Sicherheit berichten!

  • Und um das mal zu einem Schluß zu bringen: „Dann belügt er die taz.“
    Dieser Satz ist sowas von symptomatisch für die taz, ja für das deutsche Pressewesen, das gesamte.

    Der Herr hat ja noch nichtmal „die taz“ belogen, sondern einfach nur den Typen, der ihm gerade sein sympathisierendes Dingsbums unter die Nase hielt. Den Typen, der geradezu danach hechelte, eine taz-konforme Story ins Boot bringen zu können.
    Und dem dadurch eine tausendmal bessere Story – weil komplexer, menschlicher und sowas von am Puls der Zeit seiend – ignorantissimus durch die Lappen ging.

    Aber statt eines mea culpa nur muffelige Empörung, Transparenz und Ehrlichkeit heuchelnd („Wir bleiben anders“ ins Megaphon blökend), doch endlos satt, zufrieden, fett, alt geworden in der selbst gebuddelten Nische. –

  • Aber das ist ja noch nicht mal das schlimmste. Das schlimmste ist, dass ihr meint, den Spieß umdrehen zu können, indem ihr dem Übeltäter etwas vorwirft, von dem ihr hofft, dass es den Leser zu euren Gunsten pazifiziert: Ihr habt Scheiße gebaut, aber diese Scheiße war euer Gold, nur konnte er das nicht sehen.

    „Dann belügt er die taz.“

    Die taz.

    Ausgerechnet die taz.

    Was für ein verkommenes Subjekt.

    Und wie billig, manipulativ, eigennützig meinungsmacherdreckig wollt ihr eigentlich noch werden?

  • „Dann belügt er die taz.“

    „Das Problem ist, dass wir keine unwahren Behauptungen verbreiten wollen, weil darunter nicht zuletzt unsere Glaubwürdigkeit leidet.“

    Nicht zuletzt. Eure Glaubwürdigkeit.

    Ihr habt kein Glaubwürdigkeitsproblem, weil eure Recherche nicht perfekt ist. Ihr habt ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil ihr euch allzu behaglich in eurem ganz speziellen taz-Kokon eingerichtet habt.
    Käselnde Fassungslosigkeit, dass ihr „belogen“ worden seid, ausgerechnet von jemandem, den ihr auf eurer Seite wähnt. Wirklich? Ist das alles, wozu die linksalternativste Zeitung Deutschlands in der Lage ist?

    Und dann belügt er die taz. Ja toll, wer tut das nicht? Man muß euch doch nur entsprechend triggern und ihr pawlowt wie hastenichgesehen.

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