Der 27-jährige pakistanische Flüchtling Usman Manier sollte am 20. Juni aus Deutschland abgeschoben werden, und zwar in einem Linienflug von AirBerlin. Der Passagier F. Sarrazin verhinderte diese Abschiebung: Als die Maschine am Berliner Flughafen losrollen wollte, stand er von seinem Sitzplatz auf und weigerte sich, sich wieder hinzusetzen – so konnte der Pilot nicht starten. Die Polizei holte beide aus dem Flieger. Der Flüchtling Manier sitzt nun wieder in Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt. Gegen Passagier Sarrazin, der als Fotograf arbeitet und ursprünglich aus Kanada kommt, wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß Paragraf 20 Luftsicherheitsgesetz eingeleitet, ihn erwartet eine Geldbuße.
In der taz druckten wir drei Tage später ein Interview mit Sarrazin. Er erzählte uns, er habe über das Wochenende seine Freundin in Budapest besuchen wollen. Beim Check-In gab es eine Protestaktion gegen die Abschiebung, dort habe ihm jemand ein Flugblatt in die Hand gedrückt. Er habe sich dann spontan entschieden, die Abschiebung zu verhindern: „Das war’s wohl mit dem Wochenende, schoss es mir durch den Kopf.“
Der Artikel verbreitete sich in rasender Geschwindigkeit. Es war laut 10000flies.de an diesem Tag der am häufigsten weiterverbreitete Artikel im gesamten deutschsprachigen Internet, allein auf Facebook wurde er rund 9.000-Mal geliked und geteilt.
Zwei Wochen später schrieb auch der Spiegel über die verhinderte Abschiebung. Aber dort stand die Geschichte etwas anders: Sarrazin hat demzufolge einen Bekannten, der Aktivist bei einer Flüchtlingsorganisation ist. Der Bekannte erzählte ihm von der Abschiebung. Sarrazin buchte dann den Flug in der Maschine, um die Abschiebung zu verhindern. Nach Budapest wollte er gar nicht.
In der taz wollten wir nun wissen, welche der beiden Versionen stimmt, und haben nochmal mit Sarrazin gesprochen. Ihm war das alles sehr unangenehm. Er habe gar keine Freundin in Budapest, sagte er uns jetzt. Er sei davon ausgegangen, die taz sei eine kleine Kreuzberger Zeitung. Er hätte nicht gedacht, dass das so ein großes Ding wird. Und dann sei die Fanpost gekommen, viele Mails. Mit der Lüge habe er es da nicht mehr ausgehalten. Zumal sein Anwalt ihm gesagt habe, dass es juristisch keine große Rolle spielt, dass er nicht spontan gehandelt hat. In einem weiteren Artikel schreiben wir das auf. Der Vorspann des Artikels von Sebastian Erb lautet:
Ein kanadischer Fotograf verhindert in Berlin-Tegel die Abschiebung eines Asylbewerbers aus Pakistan. Dann belügt er die taz. Warum?
Leserin Lara kritisiert in einem Online-Kommentar zu dem Artikel diese Berichterstattung:
„Dann belügt er die taz.“ Was ist denn hier eigentlich das Problem, Sebastian Erb? Sie scheint es viel mehr zu stören, dass ein zivilcouragierter Mensch die genauen Umstände seines Einsatzes lieber verschweigt, als dass er nun einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt wird. Statt dem engagierten jungen Mann hinterher zu stellen, sollten unsere Ressourcen für Sinnvolles genutzt werden. Ich erwarte von der taz, dass sie kritisch über gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen berichtet und einen Gegenpol zu den großen Medienkonzernen bildet. Dieser Artikel ist einerseits ganz schön peinlich und andererseits ziemlich unsolidarisch.
Sebastian Erb nimmt dazu wie folgt Stellung:
Das Problem ist, dass wir keine unwahren Behauptungen verbreiten wollen, weil darunter nicht zuletzt unsere Glaubwürdigkeit leidet. Das lässt sich natürlich nicht immer vermeiden. Aber wir versuchen immer, Behauptungen einzuordnen und wenn möglich zu widerlegen. Auch wenn ein Interviewpartner, der bei vielen aufgrund seines Handelns auf Sympathien gestoßen ist, offensiv gelogen hat, haben wir die Verantwortung, darüber zu berichten. Allein schon, um irritierten Leserinnen Aufklärung zu schaffen, die sowohl das taz-Interview gelesen haben als auch den späteren Spiegel-Text, in dem der Sachverhalt anders dargestellt wird. Diese Klarstellung erfolgt unabhängig von einer Bewertung des Handelns von Sarrazin. Für das Ordnungwidrigkeitsverfahren spielt es übrigens keine entscheidende Rolle, ob er seinen Protest länger plante oder nicht.
Hallo nochmal! Die Geschichte scheint sich ja jetzt bedauerlicherweise ins sowieso Nebensächliche verflüchtigt zu haben.
Da gehört sie offenbach auch hin – bei all den verblüffenden wie furchterbaren Umwälzungen, die Tagespolitik so mit sich bringt – aber es ist terotzdehm eine GRO?ARTIGE Geschichte.
Warum ist sie das?
Weil sie Potential hat. Es ist nicht nur ein einfache Geschichte von Zivilcourage bzw. zivilem Ungehorsam.
Es ist eine Geschichte über die Macht, die Möglichkeiten, der Motive und der Motivationen des Individuums in unserer heutigen Zeit des Eigennutzes. Es ist eine Geschichte, die ve4rmeintlich _Vergleichbares in den Schatten der Bedeutungslosigkeit zu stellen in der Lage ist.
Ist das, was er tat, die Erweiterung des Narzissmus mit anderen Mitteln? Ist es tatsächluichj und ursprünglich altruiistusch motiviert?b ‚Gib t es sowas wie originären Altruismus überhazupt?
Herrgott, ist es essaywürdig was da passiert ist?
Stattdessen – stattdessen bekommen wir eine Reduzioerung aufs fürs organ e3sentuille: Dinge sind passiert. Under organ wurde bschissen. Doof aber wir stehen dazu. End of Story.
Recherche ist ein Treppenwitz: Niemand erwartet die Wahrheit, das Ende aller Dinge.-
Weil jeder weiß, daß alle lügen, sowieso.
Aber wünschen tun sich viele Menschen, daß innerhalb dieser Lügen bisweilen etwas das Licht erblickte, das eine Geschichte zu erzählen weiß, das der Realität nahe zu kommen sein kommen könnte.
Es ist – wie gesagt – keine Frage der Recherche. Es ist die Frage, wie man mit dem umgeht, was man hat.
Tut mir leid, mal wieder alkoholisiert. Habe Probleme, die ruichtige Reigenfolge der Buchstaben zu bestimmen. Muß die im Geiste durchzählen, g kommt nach f, k kommt vor l, etc.
Egal, worauf ich hinaus will: Die Recherche ist nicht das Problem. Niemand außer ignoranten iodioten kabnn der taz vorwerfen, daß sie für relativ unbedeutende Ereignisse kein 5-köpfiges Team vor Ort hat, dass eventuelle Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.
Aber! Man kann ihr die ursprüngliche, unausgesprochene Gemeinmachung mit dem Täter vorwerfen. Man kann ihr ihr suksesszives, vorgestelltes Unverständnis für seine Lüge vorwerfen. Und nicht zuletzt, man kann ihr diese ganze Spingeschichte vorwerfen, die sie als OPfer eines einzlenenn, der Normk nichgt entsprechenden Abweishenden darstellt vorwerfen.
Man kann ihr vorwerfen, daß sie ihre journalistische Sorgfaltspflicht zu Gunsten einer Agenda gepfert hat.
So sieht’s doch aus.