Ein Leser schreibt uns:
Richtig gut fand ich heute eine kleine Meldung über die Entschärfung der Bombe in der Hubertusallee. Im Radio hatte ich gestern von den geplanten Evakuierungen gehört. Könnt ich mehr von diesen kleinen Meldungen aus den Kiezen bringen? Es gibt doch bestimmt viele Volontäre bei der taz. Vielleicht haben die auch ein Fahrrad oder noch besser: ein Fahrrad und eine Monatskarte? dpa muss ja nicht sein.
Was meinen Sie dazu: Sollten wir mehr aus den Kiezen berichten?
Wir könnten das machen. Themen gibt es genug, an Mitarbeitern und Fahrrädern mangelt es auch nicht. Ich frage mich jedoch, ob man sich als Leser wirklich mehr Informatioenen aus den Kiezen wünscht oder eigentlich nur Informationen aus dem eigenen Kiez.
Um das mal grob über den Daumen auszurechnen: Wenn man annimmt, dass ein Kiez 50.000 Einwohner hat, dann hat Berlin 68 Kieze. Bis Sie eine Meldung lesen können über die Räumung einer Bombe in Ihrem Kiez, würden Sie also auch etwas zu lesen bekommen über ein Straßenfest im Samariterviertel, den Standort einer Bushaltestelle in der Oberbaum City, einen neuen Radweg für Biesdorf, die Schließung einer Krimi-Buchhandlung in der Victoriastadt, einen neuen Park in Falkenberg, Ärger der Fahrgäste über den maroden S-Bahnhof Wartenberg, Probleme bei der Müllabholung in Blankenburg, feuchte Keller durch steigendes Grundwasser in Ruhleben, seltene Pflanzen auf Hasselwerder, Neonazis in Buch, Zuschüsse des Bezirks für ein Frauen-Fitnessstudio in Wittenau, ökologisches Bauen in einer Siedlung in Wilhelmsruh, Parkverbote im Scheunenviertel, die sinkende Auslastung einer Musikschule in der Cité Foch, den Umbau einer Schule in Schönholz, die Verleihung einer Ehrennadel für Stadtteilmütter im Helmholtzkiez, Brandschutz im Bötzowviertel, neue Vorfahrtsregelung an einer Kreuzung im Winsviertel, ein Trimm-Dich-Pfad in Treptow, eine öffentliche Toilette in der Gropiusstadt, ein Zebrastreifen im Soldiner Kiez, die ständige Nicht-Leerung eines Altglascontainers durch die BSR in der Köllnischen Heide, Fluglärm in Gatow, die 100-Jahr-Feier des Seniorentreffs im Weitlingkiez, energiesparende Sanierung öffentlicher Gebäude in Bohnsdorf, Stadtteilgärten in Rudow, Falschparker in Buckow, Überschwemmungen im Hausotter-Kiez, Unterrichtsausfälle wegen Lehrererkrankungen an einer Schule im Brüsseler Kiez, Aufbrüche von Autos in Tiefwerder, ein Kinderspielplatz im Spree-Bogen, versalzenes Essen an einem Altenheim in Lichtenrade, Baustellen-Lärm im Ostkreuz-Kiez, Insolvenz einer Firma sowie Arbeitslosigkeit von 25 Mitarbeitern in Mariendorf, Anwohner klagen über Verkehrslärm an einer vielbefahrenen Straße im Möckernkiez, Filmpremiere in einem Kino in der Siedlung Heerstraße, Vorstellung der Kandidaten für die Wahl der Seniorenvertretung im Bayerischen Viertel, Freifunker bieten öffentliches WLAN in der Dammvorstadt, Parkplatzmangel in Lankwitz, Bezirk beschließt über Bebauungsplan für ein Grundstück in der Dorotheenstadt, Ampel im Bergmannkiez wird blindengerecht umgerüstet, Anwohner klagen über Zuglärm in Lichterfelde, Schule in Kladow weitet die Kooperation mit dem Jugendamt aus, Gestank aus Abflusskanälen im Gleimviertel, Eröffnung einer Erinnerungsstele im Bismarckviertel, sinkende Kita-Auslastung im Boxhagener Kiez, Anwohner fordern häufigere Geschwindigkeitskontrollen im Grunewald, zu wenig Notdienste von Apotheken in Wilhelmstadt, Bilanz von drei Jahren Quartiersmanagement im Brunnenviertel, Bezirk sucht Ideen für die Nachnutzung eines Schulgebäudes im Leopoldkiez, Umbenennung eines Platzes in Wilhelmsruh, ein Bahndamm im Sprengelkiez entwickelt sich zu einer wilden Müllkippe, Brückensanierung in der Siemensstadt, Skatturnier in Kietz, ein Horizontalfilterbrunnen säubert Wasser in Konradshöhe, Zwangsräumung in Haselhorst, Anwohner klagen über Fluglärm in Hermsdorf, Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes in Rahnsdorf, ein Café in Bürknersfelde entwickelt sich zum Treffpunkt für Amateurfunker, neuer Spielplan eines Hinterhoftheaters im Winsviertel, eine neue App stellt Sehenswürdigkeiten im Stephankiez vor, zum ersten Mal mehr als 300 Teilnehmer des Stadtteillaufs in Staaken, zunehmender Schwerlast-Verkehr macht einer Brücke in Oberschöneweide zu schaffen, Erntedankfest in Hakenfelde, Galerie im Märkischen Viertel eröffnet, zwei Motorradfahrer bauen einen Unfall in Rosenthal, Anwohner klagen über Partylärm in SO36, Jugendfußballturnier im Plänterwald, Adlershof sucht eine Kiez-Hymne, Ladeninhaber machen sich Sorgen um Erscheinungsbild einer Geschäftsstraße in Malchow, Enkeltrick-Betrüger aus dem Nikolaiviertel muss sich vor Gericht verantworten, evangelische Gemeinde sammelt Spenden bei einem Bücherverkauf auf der Roten Insel, Eröffnung einer Biogasanlage in der Luisenstadt, Straße im Reuterkiez bleibt wegen Verzögerung von Bauarbeiten länger gesperrt, ein Krankenhaus in Biesdorf schafft 15 zusätzliche Pflege-Ausbildungsplätze, am Falkenhagener Feld wird eine Lärmschutzwand gebaut.
Das alles müssten wir drucken, um ein einziges Mal eine Meldung im Blatt zu haben, die sich im näheren Umfeld von 50.000 Personen um Sie herum abspielt. Wollen Sie das wirklich?
Ich bin verwirrt. Welche Einheiten hat Berlin tatsächlich?
Die gültigen Bezirksgrenzen – nur eine Verwaltgungssache?
Kiezgrenzen – kartografierbar?
Quartiers(management)grenzen – ernstzunehmen?
Ex-Bezirksgrenzen – die dominantesten Grenzen?
Oder die Grenzen der Ortsteile?
Uralte Dorfgrenzen wie die von Rixdorf, wirken die immer noch? Wieso denn?
Die einstige Ost-West-Grenze, inwieweit wirkt die noch heute?
In welchen Bezugsgrößen denkt der oder die oder _ Durchschnittsberliner_In? In Straßenzügen, in Blöcken, Vierteln, Ortsteilen, Bezirken, ganz-städtisch, in Bundesländern? In gar keinen Grenzen? Alle unterschiedlich? Welche Grenzen sind warum sinnvoll? Kiezgrenzen, um Probleme im Kleinen loszuwerden? Stadtgrenzen, um mit großen Problemen wie dem BER umzugehen? Was ratet ihr Neu-Berliner_Innen, die die Stadt verstehen wollen? Kann dazu nicht mal jemand von euch Orientierung geben? Damit aus dieser ganzen Grenz-Kacke ein wunderschön aufgeklärtes Überblicks wird? Muss ja nicht auf Berlin beschränkt bleiben.