Von Simone Schmollack
Die Kaffeemaschine zischt, der Fön brummt. Leise ist es nicht in der
Tussy Lounge in Berlin-Friedrichshain an einem Samstagvormittag Anfang
Februar. Egal. Die Schauspielerin Catherine Bode und die Autorinnen,
Ulrike Baureithel, Kristina Vaillant und Nana Heymann werden mit uns
gleich über das Mütterbild von heute sprechen. Daraus soll das längste
taz-Gespräch aller Zeiten werden. Besser gesagt, ein Teil davon.
Insgesamt werden 28 Frauen und Männer in die Tussy Lounge kommen, zehn
Stunden lang werden wir mit ihnen reden.
Über Frauen im Film, im Netz, in der Musik. Wie es ist, als Frau alt
oder eine Prostituierte zu sein. Oder nicht den „passenden“ Körper zu
haben. So ging es dem Model Sara Schätzl: „Kein Tag, an dem ich mich
selbst mochte.“ Das Internet ist voller Sexismen und Gewalt, beklagen
die Bloggerin Anne Wizorek und die Netzfeministin Nina Kiel. Immer nur
Anna Netrebko? Das geht auch anders, meinen die Rapperin Sookee und
Charlotte Seither, Komponistin für Neue Musik.
Der Gesprächsort ist bewusst gewählt. Die Tussy Lounge, Cafe und Frisör
in einem, spielt mit den Sujets der nicht unbedingt frauenfreundlichen
Fifties. Bilder von Frauen mit hochgesteckten Frisuren an den Wänden,
daneben Handtaschen, Spiegel. Im Raum Nierentische, Sessel, ein alter
Fernseher, ein Uraltradio.
Die Schauspielerin und Entertainerin Maren Kroymann findet das „super“.
Sie wird mit der Tatort-Kommissarin Sabine Postel und Tatjana Turanskyj
von “Pro Quote Regie” über das Frauenbild im Film reden. Aber zunächst
erzählt Maren Kroymann einen Vergewaltigungswitz. Niemand lacht. Haben
die keinen Humor?
Später kommt Luzia Braun, die ZDF-Moderatorin, um mit Anja Müller über
das Alter zu sprechen. Müller ist Fotografin, sie kennt sich gut aus mit
den Problemen von älteren Frauen. Sie fotografiert sie und macht daraus
erfolgreiche Bücher. Sie kommt mit dem Fahrrad. In der Tussy Lounge ist
es warm. Müller zieht aus: eine Hose, zwei Jacken, einen Pullunder, eine
Mütze, zwei Paar Handschuhe.
Die Tür fliegt auf, Martin Rheinländer ist da. Er hat eine Männergruppe,
mit der er seine Projektionen auf Frauen besser kennenlernen will.
Darüber wollen wir mehr erfahren. Er fragt die Frau neben sich: „Darf
ich dich umarmen?“ Als er sich nach drei Stunden verabschiedet, umarmt
er wieder. Reichlich. Sein Abschied dauert lange.
Als Nils Pickert erscheint, geht ein Raunen durch den Raum. „Wo ist Ihr
Rock, Herr Pickert?“ Pickert ist als „Mann im Rock“ bekannt geworden.
„Zu kalt“, sagt er: „Da tragen Frauen auch Hosen.“
Auch Dagmar Morath ist darüber traurig. Sie hält den Tussytag mit ihrer
Kamera fest. Ein Mann im Rock, das ist doch mal was. Wir, fünf
taz-RedakteurInnen und zwei freie Kolleginnen, müssen der Fotografin hin
und wieder assistieren: Geräte halten, Gesprächspartner suchen, Kaffee
bringen. „Zwischendurch“ führen wir unsere Interviews. Am Ende des Tages sind alle geschafft. Total erledigt. Zeit für Sekt.
*
Die Frau als nährende Mutter, Frauen als Sexbomben in
Computerspielen, Frauen als Mäuschen im Film. Männer sehen Frauen so,
Frauen auch. Manche Frauen nehmen das locker, andere verabscheuen das,
was sie sein sollen, viele sind auf der Suche nach dem, was sie sein
wollen. Wir sprechen zum Frauentag über Frauen und Fiktionen. Mit
Männern und Frauen. Über Körper im Allgemeinen und Körbchengröße
Doppel-D im Konkreten, über Fantasien generell und
Prostituierten-Fiktionen speziell, über Bulimie und Koketterie. Es ist
ein Experiment, ein Gespräch über 10 Stunden und 15 Seiten. Sie können
es von vorne bis hinten lesen oder dort einsteigen, wo Sie Lust darauf haben – in der taz.am wochenende vom 7./8. März. Am Kiosk, im eKiosk (eKiosk) oder gleich im Wochenendabo.