vonBlogwart 11.04.2013

taz Hausblog

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Immer schon hat mich die Schatzbildnermentalität angeödet, dieses Glitzern in den Augen, wenn’s um Zahlen und Prozente geht. Und immer hat mir die Haltung des Barons von Wolzogen gefallen: Mit seinem letzten Geld mietete er ein Luftschiff und warf aus großer Höhe Handzettel ab. Auf ihnen stand zu lesen: „Ich grüße Berlin.“

Christian Semler (geb. 1938) – Jurist, Historiker, führender Kopf der 68er, Maoist, Solidarnosc-Unterstützer, Generalist und langjähriger Autor und Redakteur der taz – starb im Februar 2013. Kommende Woche erscheint das Buch „Kein Kommunismus ist auch keine Lösung“ mit Texten und Essays von Christian Semler.

Der von Stefan Reinecke und Mathias Bröckers herausgegebene Band versammelt eine Auswahl seiner Texte über Politik, linke Geschichte, deutsche Szenen, Ostmitteleuropa, Stalin und Shakespeare. Wie ein roter Faden zieht sich die Beschäftigung mit der Geschichte der Linken, deren Glanz und Elend, durch diese Texte. Dass sich gerade Linke den entfesselten Terror des Stalinismus, das Scheitern des diktatorischen Sozialismus und eigene Irrtümer präzise vor Augen führen mussten, gilt hier als Gebot intellektueller Redlichkeit. Für Semler zählte die Hochschätzung von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit zum Erbteil der Linken, das man nicht, wie es andere Ex-Linke auf ihrem Weg nach oben in Parteien und Redaktionen taten, als entbehrliches Gepäck betrachten sollte. „Kein Kommunismus ist auch keine Lösung“ – der Titel ist kein Zitat von Christian Semler, doch als Sprachspiel spiegelt es, ironisch gebrochen und in doppelter Negation, einen Kern seines politischen Denkens: auch der nach 1990 als alternativlos erklärte globalisierte Kapitalismus wird nicht das letzte Wort sein. Die Geschichte ist offen.

Der Band kann ab sofort im taz-Shop bestellt werden (196 Seiten, broschiert, 12 Euro).

Al e-Book (pdf oder epub) auch  im e-kiosk erhältlich

Am 25. April stellen die Herausgeber das Buch im taz-Café vor.

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kommentare

  • Super, das dieses Buch so schnell erschienen ist. Ich freue mich darauf. Erleichtert, dass der Titel k e i n Zitat ist. Er ist ärgerlich und wird Semlers von Osteuropa stark beeinflusstem Denken nicht gerecht (ohne dass man seine paar KPD A Null-Jahre unterschlagen muss).
    Spätestens seit den Schauprozessen, seit 1953, 1956, 1968 (Einmarsch in CSSR, Pariser Mai) waren reflektierte Linke – Salonlöwe Sartre, Rudi, K-Gruppen Gründer Semler zählten leider (noch) nicht dazu, Camus und die Mai-Rebellen schon – Anti-Kommunisten; wenn die Alternative zur Jetzt-Zeit „Kommunismus“ sein soll, na dann tschüss. Hier schlägt wieder der deutsche Hang zum Theoretisieren durch:
    Die Praxis des K. seit 1917, das Einparteiensystem, die Gulags, die chinesische und Pol-Pot Variante zählen nicht, das schön klingende Wort, Kalles Manifest zählt.
    Damit beleidigt man die Sozialisten aller Schattierungen, die für die Emanzipation gekämpft haben, und dafür auf grausamste Art von den K’s vernichtet worden sind. Um körperlich zu ermessen, was K bedeutet, reicht es, z.B. Margarete Buber-Neumann oder Susanne Leonhardt zu lesen. Danach war es schwer, den Begriff Faschismus noch sein nicht weniger böses – theoretisch natürlich wahnsinnig anderes – Pendant Kommunismus locker-flockig in den Mund zu sehen, wie hier geschehen. Ich empfehle einen Besuch der unteren Etage, dem U-Boot, Speziallager Nr 3, von Hohenschönhausen.

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