Auf Anregung von Hausblog-Kommentator “Au Wei” stellen wir erstmals mehrere komplette Seiten aus einer gedruckten taz-Ausgabe als PDF in dieses Blog: Die vier Seiten, die die 20 Teilnehmer des Workshops der taz Panter Stiftung an diesem Wochenende erstellt haben. Nun interessiert uns (unseren Nachwuchs) natürlich: Wie fanden Sie diese Seiten? Die Blattkritik ist eröffnet!
aktuell auf taz.de
kommentare
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Auweia Au Wei, ausführliche Blattkritik, Respekt und Grazie. Stimme in fast allem zu. Vor allem im Braven. Blöderweise sind mir die coolen Themen erst hinterher eingefallen ;D. Taz, noch ne Runde?
lg
Beatback
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Hier nun die angekündigte Blattkritik meinerseits, zu der ich mich sowohl durch meine unangemessenen Äußerungen zu Frau Heusers Blogbeitrag als auch meiner Idee, taz-Leser zur Kritik üben zu lassen, in gewisser Weise selbst verdonnert habe.
Schade, dass dieser Aufruf bislang nicht mehr Resonanz gefunden hat.
Doch ich kann es verstehen. Das Thema „Underground“ ist wohl nicht gerade der Aufreger des Jahres. Bei Themen wie „Boulevardjournalismus – Ein Plädoyer für die Bildzeitung“ oder „Dschungelcamp – Spiegelbild der Gesellschaft?“ hätte das eventuell anders aussehen können. Und ihr habt natürlich das Pech gehabt, dass eure Workshopergebnisse angesichts der japanischen Katastrophe verständlicherweise sehr in den Hintergrund gerückt sind.Mir fällt es gar nicht so leicht, Stellung zu Euren vier Seiten zu beziehen, denn sie bieten aus meiner Sicht wenig Ansatzpunkte für Kritik – weder im positiven noch im negativen Sinne. Mit anderen Worten: Ich finde Euer Werk in der Gesamtbetrachtung zu brav, zu bieder und zu nichtssagend.
Gut, das vorgegebene Thema „Underground“ ist zugegebenermaßen schwer zu fassen, aber ihr habt die Potentiale, die in dem Thema stecken, nicht erkannt und / oder nicht den Mut gehabt, auch heißere Eisen anzufassen.
Wobei ich mir natürlich überhaupt nicht sicher bin, ob ich die Messlatte für die Ergebnisse diesbezüglich nicht vielleicht viel zu hoch anlege.1. Themenauswahl:
Sprayer, Hardcore-Musiker, Linke Szene, der CCC, die Berliner U-Bahn, Touristen ruinieren die Berliner Szene. Nun ja.
Bei der Annäherung an das Thema „Underground“ hätte es wahrscheinlich Sinn gemacht, mögliche Unterthemen vorab im Hinblick darauf zu untersuchen und einzuschätzen, ob sie nicht vielleicht längst publizistisch ausgelutscht sein könnten. Bei eurer Themenauswahl scheint mir das größtenteils der Fall zu sein.
Sprachlich und stilistisch sind die Texte weitgehend absolut akzeptabel, inhaltlich bieten sie aus meiner Sicht wenig Neues.Zwei der Themen, die ihr nicht weiter verfolgt habt, wären meines Erachtens wirklich lohnend und spannend gewesen. Wieso nicht Pädophilie? Es gibt genügend Pädophile, die unter ihrer unseligen Veranlagung leiden, die nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, ohne Kindern erheblichen Schaden zuzufügen, usw… Ich hätte es mutig gefunden, wenn ihr euch an dieses Thema herangewagt hättet. Klar, hätte es böse Kritik geben können, aber eine differenzierte Auseinandersetzung – natürlich ohne zu verharmlosen – hätte vermutlich nicht nur mich interessiert.
Und wieso wolltet ihr die verdeckte Arbeit von Wirtschaftslobbys nicht näher beleuchten? Das ist doch ein Ansatzpunkt für kritischen Journalismus par excellence. Ich glaube, darüber ist nach wie vor viel zu wenig bekannt.
Und was ist mit dem Thema „Doppelleben“ in allen möglichen Facetten? Ist es nicht vielleicht auch eine Form von Underground, was z.B. ich mit unglaublich vielen Menschen teile? Ich als Person bin garantiert nicht im Untergrund unterwegs, aber ein kleiner Teil meines Lebens ist Underground – im Netz agiere ich vorwiegend anonym. Und das aus einer wohlüberlegten Überzeugung heraus. Was impliziert ein solches Verhalten im gesellschaftlichen Kontext? Was für Gefahren, was für Chancen ergeben sich aus der Anonymität des Internets? Hier hätte man z.B. ein Streitgespräch in Form eines Interviews zwischen einem Gegner und einem Befürworter der Angelegenheit durchführen können. Eine würdige Gegnerin hättet ihr mit Julia Seeliger auch gleich in Reichweite gehabt.
2. Bildmaterial
Finde ich persönlich eher unspektakulär, aber akzeptabel. taz-Style eben.
3. Überschriften
Sind aus meiner Sicht soweit in Ordnung.
Eine Überschrift hättet ihr allerdings mit ganz einfachen Mitteln deutlich prägnanter gestalten können:
„Die Szene ist KEIN Zoo“ (-> „Jaa, ich weiß. Habe keinen Bock auf neuerliche moralische Belehrungen.“)
hätte durch das Weglassen eines einzigen Buchstabens allerdings deutlich pfiffiger und provokanter gewirkt, besser zum Artikel gepasst und mehr Lust auf die Lektüre desselben gemacht, wenn sie so gewesen wäre:
Die Szene ist EIN Zoo (-> „Was soll das denn? Frechheit! Das will ich jetzt aber wissen!“)4. Missraten
Herausstechend finde ich den Pimmel-Beitrag. Der ist weder brav noch bieder. Sondern schlichtweg grottendoof und dabei leider noch nicht mal ansatzweise witzig. Untergrund mit Unterhose oder unterirdisch verwechselt? Fazit: Der Autor würde seinen Pimmel gern in der Öffentlichkeit präsentieren und meint, das wäre eine ganz tolle Idee. Wie infantil.
Ich meine: Nein danke. Bitte nur im Bedarfsfall auspacken. Die Natur hat bei der Evolution primärer Geschlechtsorgane nun mal eher auf Funktionalität als auf Ästhetik gesetzt.
In Anschluss an die Lektüre fragt sich manch ein Leser vermutlich: Wie kann sich eine – wenn auch nur geistige – Erektion „ergießen“?!? Wie soll ich mir das jetzt vorstellen? Der erigierte (geistige) Penis verflüssigt sich auf wundersame Art und Weise und ergießt sich anschließend? Ich habe hier eher den Eindruck, dass der bedauernswerte Autor selbst Opfer einer ungesunden cerebralen Verflüssigung geworden ist.Hier schließt sich direkt die Angelegenheit mit den Stilblüten an… bei einigen Blogbeiträgen (zumindest bei denen, die ich gelesen habe) finden sich auch ein paar wirklich eindrucksvolle Musterbeispiele.
Besonders besorgniserregend: „Das Cityhostel ist wie das britische Model Kate Moss: Mal ist sie schmuddelig – sei es wegen Drogen oder liegen gelassener Tampons. Dann wieder strahlt sie auf Hochglanzmagazinen und ich auch, weil das Cityhostel über Gratis-WLAN, Frühstück und frisch gewaschenen Bettlaken verfügt!“
Kate Moss ist wegen u.a. liegen gelassener Tampons schmuddelig?!?
Die Autorin des Artikels UND Kate Moss strahlen auf Hochglanzmagazinen, weil das Cityhostel in Berlin über Gratis-WLAN u.a. verfügt?!??!Ich habe den Eindruck, dass vielfach der Wunsch im Vordergrund stand, sich möglichst originell in eigenen Worten auszudrücken. Das finde ich prinzipiell einen sehr guten Ansatz und natürlich kann ich auch verstehen, dass dieser Wunsch insbesondere auftaucht, wenn man etwas für die taz schreiben soll. Nur leider scheint es, als ob sich der ein oder die andere im eigenen Wort- und Formulierungssalat böse verheddert hat. Am Ende kommen dabei groteske Formulierungen der Extraklasse heraus (und ich vermute mal nicht, dass es oberstes Ziel war, sich im Hohlspiegel wiederzufinden…)
Mir gefällt das in gewisser Weise, denn natürlich amüsiere ich mich köstlich über so etwas. Nur wäre es nicht schöner, wenn gelacht wird, weil die Dinge eloquent, treffsicher und pointiert dargestellt werden?
Es wäre sicher sinnvoll gewesen, die eigenen Texte vor der Veröffentlichung zunächst noch einmal auf Plausibilität zu überprüfen, bzw. überprüfen zu lassen.5. Gut gelungen
Sehr gut gefallen haben mir die Artikel „Für die Freiheit in die Illegalität“ und „Unsichtbar, unauffällig und unter uns“.
Beiden Themen hättet ihr aus meiner Sicht wesentlich mehr Raum geben können, eine weitere Vertiefung hätte mich in beiden Fällen interessiert. Vielleicht könnte die taz selbst sich demnächst mal darum kümmern?Gefallen hat mir auch die Befragung von Lesern „Was ist Untergrund für dich?“. Natürlich ist das nicht innovativer, aber der Ansatz ist bewährt und gut. So etwas lese ich auch immer wieder gerne in meinem Lieblingsprovinzblatt, der „Neuen Westfälischen“.
6. Fazit
Insgesamt finde ich eure vier Zeitungsseiten für Menschen ohne großartige journalistische Vorkenntnisse, die im Rahmen eines nur viertägigen Workshops erarbeitet wurden, in Ordnung. Positive Ansätze sind absolut vorhanden und es ist durchaus Potential erkennbar.
Das Wichtigste dürfte sein, dass ihr selbst mit euren Ergebnissen zufrieden seid und darüber hinaus mit Anregungen, neuen Gedanken und / oder Ideen aus dem Workshop wieder nach Hause gefahren seid.Elisa Heuser: Bitte Sie noch mal um Entschuldigung. Ihnen alles Gute für die Zukunft.
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Die Blogpostings der Teilnehmer haben schlimmeres vermuten lassen.
Insgesamt lassen viele Artikel auf mehr hoffen, man hätte an einigen Stellen tiefer graben können, wirkliche Probleme besprechen, mehr Aktualität hineinbringen können. Ein bisschen mehr Mut hätte den Jung-Autoren gut gestanden, aber das gilt ja auch für die taz insgesamt.
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Natürlich fühle ich mich jetzt in gewisser Weise verpflichtet, Euer Werk zu kritisieren.
Ich werde es aber noch tun, voraussichtlich Ende der Woche.
Auf den ersten Blick: Es sieht aus wie Zeitung. ;-)
Au Wei, vielleicht ist der Artikel über die verdeckte Arbeit von Wirtschaftslobbys deshalb rausgeflogen, weil das doch etwas längere Recherche benötigt und da innerhalb weniger Tage wenig zu machen ist …?