Zehn lange Jahre zog die neonazistische Terrorzelle NSU mordend durch Deutschland. Zehn Jahre lang blieb ihr Tun unentdeckt. Weil die Polizei davon ausging, dass die Mörder der neun Männer aus dem Einwanderermilieu stammten. Wie die Opfer selbst. Das Unwort „Dönermorde“ etablierte sich. Deutschland versagte auf vielen Ebenen. Politiker und Medienschaffende eingeschlossen.
Der NSU-Prozess wird zu Recht als einer der wichtigsten Prozesse in der deutschen Nackriegsgeschichte bezeichnet. Weil es neben der Aufklärung der Morde auch um die Frage geht, wie der deutsche Rechtsstaat über einen so langen Zeitraum so kläglich versagen konnte, wie also Deutschland heute mit rechtem Terror umgeht. Die Welt blickt auf diesen Prozess. Eine Bedeutung, die das Oberlandesgericht München von Anfang nicht akzeptierte. Bis heute unfassbar, dass nicht selbstverständlich Presseplätze für internationale Medienvertreter zur Verfügung gestellt wurden, allem voran für VertreterInnen türkischsprachiger Medien. Ein Prozess, bei dem es auch darum geht, wie durchdrungen deutsche Staatsdiener von braunem Gedankengut sind, sollte unter Ausschluss der internationalen Presse geführt werden?
Nicht zu glauben.
Nun wurde nachgebessert. In einem Losverfahren wurden bestimmte Kontingente für ausländische Medien zur Verfügung gestellt. Das war richtig.
Gänzlich falsch und der deutschen Presselandschaft in keiner Weise angemessen ist die Art der Kontingentierung der deutschen Presseplätze. Denn ganz klar wurden dabei die öffentlich-rechtlichen Anstalten und die großen Medienkonzerne, die sich mit diversen Publikationen bewerben konnten, bevorzugt und damit die gebotene Chancengleichheit für die Dauer des gesamten Prozesses verletzt. So kam es zu dem gänzlich absurden Ergebnis, dass keine einzige überregionale Tageszeitung einen Platz bekommen hat und einzig die Süddeutsche Zeitung über ihr wöchentliches Magazin verbindlichen Einlass bekommt.
Wir bereiten derzeit eine Klage vor, die wir einreichen wollen, wenn die taz es nicht schafft, über eine Kooperation mit anderen Medien ihrer Leserschaft zu garantieren, verlässlich und kontinuierlich von dem Prozess zu berichten. Der Termin des Prozessbeginns wird dadurch nicht beeinflusst.
Denn es ist schlicht nicht haltbar, dass Zeitungen mit nationalem Anspruch und ihrer ausgewiesenen Kompetenz, den Verlauf des Prozesses einordnen und analysieren zu können, sich nur aus zweiter Hand informieren können.
Es ist richtig, dass durch die Anwesenheit von Agenturen wie dpa und Medien wie der Süddeutschen und dem Spiegel die Pressefreiheit als solche gewahrt ist. Aber bei diesem Prozess geht es um sehr komplexe Fragestellungen, die aus möglichst vielen Perspektiven beobachtet werden sollten.
Wenn die taz dieses Recht einfordert, dann nicht, weil, wie teilweise kritisiert wird, JournalistInnen sich mal wieder so wichtig nehmen. Sondern weil der Prozessgegenstand so wichtig ist. Der zehn Jahre währende Terror hat gezeigt, wie dringlich es ist, genau hinzuschauen.
Update 3. Mai: Wir haben jetzt zwei Kooperationspartner gefunden.
Nach §3 Absatz 1 GG sind vor dem Gesetz alle Menschen gleich. Und das gilt dann auch für Medienvertreter. Kein „nationaler Anspruch“ oder „ausgewiesene Kompetenz“ ändert etwas daran. Alles andere käme dann frei nach George Orwell zu dem Zustand, dass alle Medien gleich sind, nur die mit Anspruch und Kompetenz gleicher. Und wer entscheidet eigentlich über Anspruch und Kompetenz? Die taz? Springer? Burda? Das OLG München? Oder darf ich das? Eine Einteilung der Medien in kompetent und nicht kompetent wäre nichts anderes als Zensur und somit ein Verstoss gegen §5 Absatz 1 GG, auf den sich die Medien bei ihren Klagen vor dem Verfassungsgericht berufen. So etwas nennt man wohl Ironie.
Letztendlich hat die taz genau dieselben Rechte wie alle anderen Medienvertreter. Mit oder ohne Anspruch und Kompetenz. Und die Beschwerde darüber, dass die großen Medienkonzerne den Vorteil hatten, sich über mehrere Publikationen zu bewerben kommt wie ein Bumerang zurück. Denn man hätte sich seitens der taz vor der Verlosung über Kooperationen Gedanken machen sollen/können. Hinterher zu jammern, dass man niemanden zur Kooperation bewegen konnte zeugt für mich lediglich von suboptimaler Vorbereitung. Soviel zum Thema „Kompetenz“.
Und was sich alle Medienvertreter hinter die Ohren schreiben sollten, ist folgende Aussage des Bundesverfassungsgerichts: „Hauptzweck der mündlichen Verhandlung ist auch in einem aufsehenerregenden Strafverfahren dessen Durchführung, nicht die Sicherung der Berichterstattung.“