taz-Redakteurin Malene Gürgen wollte eigentlich über die rechtsextreme Bärgida-Kundgebung berichten. Doch Berliner Polizisten hatten offenbar anderes im Sinn. Ein Bericht aus erster Hand.
Die taz ist ja in machen Sachen etwas eigen. Zum Beispiel haben wir unsere eigenen taz-Presseausweise – ein kleines Kärtchen, von Hand ausgefüllt, mit einem draufgetackerten Foto, einem Stempel und einer Unterschrift.
Das kann schon mal für Schmunzeln sorgen, viele KollegInnen benutzen auch deswegen lieber die Plastik-Ausweise, die etwa verdi oder der Deutsche Journalistenverband ausstellen.
„Sie müssen hier gar nicht so mit dem Kopf schütteln“, fährt mich der zweite Beamte an.
Ich verwende bisher aber noch meinen taz-Ausweis, der mich als Mitglied der Berlinredaktion ausweist – ganz einfach deswegen, weil ich bisher noch keine Veranlassung gesehen habe, mich um einen anderen, übrigens kostenpflichtigen Ausweis zu kümmern: Bisher hatte ich mit meinem Kärtchen noch nie Probleme, weder im Abgeordnetenhaus noch im Roten Rathaus oder in diversen Gerichten, und auch nicht bei den unzähligen Kontrollen durch Polizeibeamte, denen ich in meiner Arbeit – ich berichte schwerpunktmäßig über soziale Bewegungen und Nazis, das bringt häufige Polizeiabsperrungen mit sich – bisher begegnet bin.
Das ist auch richtig so: Zwar sind die Presseausweise der großen Verbände bekannter und dadurch auch akzeptierter, doch so etwas wie einen „offiziellen Presseausweis“ gibt es in Deutschland nicht, genauso wenig wie „Journalist“ eine geschützte Berufsbezeichnung ist. Das gilt spätestens seit einer Entscheidung der Innenministerkonferenz im Jahr 2007.
Pressesprecher? Kenn wa nich!
Als ich am Montagabend am Berliner Hauptbahnhof einem Beamten an der Absperrung rund um die rechtsextreme Bärgida-Kundgebung, über die ich berichten soll, meinen taz-Ausweis zeige, erwarte ich deswegen auch keine Schwierigkeiten. Doch der Beamte nimmt seine Aufgabe sehr ernst: Er mustert den Ausweis minutenlang und gibt ihn mir dann kopfschüttelnd zurück: „Das kann ich nicht akzeptieren“.
Ich erkläre ihm, dass die taz eigene Ausweise ausstellt – erfolglos. Ich biete ihm an, in der Redaktion anzurufen, um meinen Status als Redakteurin bestätigen zu lassen – er will das Angebot zunächst annehmen, zieht dann aber einen Kollegen zu Rate, der das ablehnt und mir stattdessen meinen Ausweis abnimmt. Er werde den jetzt „zur Prüfung“ zu anderen Beamten bringen.
Ich schüttele, inzwischen etwas genervt, mit dem Kopf . „Sie müssen hier gar nicht so mit dem Kopf schütteln“, fährt mich der zweite Beamte an. Ich erwidere, dass das ja wohl meine Entscheidung sei – darauf hin motzt der erste Beamte, der seinen Kollegen offenbar nicht gehört hat, ich könne hier so viel mit dem Kopf schütteln, wie ich wolle, das würde ihn gar nicht interessieren. Na wunderbar.
Absurde Verdächtigungen
Als der Beamte Nr. 2, der meinen Ausweis weggebracht hat, wieder da ist, schlage ich vor, Stefan Redlich oder Thomas Neuendorf anzurufen – ihres Zeichens Pressesprecher der Berliner Polizei bzw. Leiter der Pressestelle – und von denen bestätigen zu lassen, dass ich als Redakteurin bei der taz arbeite, denn beide kennen mich.
„Wer soll denn das sein?“, blafft mich der Polizeibeamte an. Als ich erkläre, wer das ist, wird auch dieser Vorschlag abgelehnt: Die Prüfung sei nun bereits eingeleitet, da werde so ein Telefonat auch nichts mehr ändern. Mittlerweile stehe ich seit gut 30 Minuten an dieser Absperrung, die Bärgida-Kundgebung hat längst begonnen.
Nach weiteren etwa 15 Minuten winkt mich einer der Beamten heran, in der Hand meinen Ausweis. Ich bin erleichtert und gehe davon aus, dass ich nun endlich meine Arbeit machen kann. Aber nichts da: „Es besteht der Verdacht, dass dieser Ausweis gefälscht ist, wir zeigen Sie jetzt wegen Urkundenfälschung an“, eröffnet mir der Beamte, ich solle zur Personalienfeststellung mitkommen.
Die Begründung: Der taz-Stempel auf der Vorderseite meines Ausweises sei unvollständig. Das stimmt – der Teil des Stempels, der über das Foto geht, ist nicht mehr zu erkennen – aber dass es überhaupt keine Veranlassung für mich gibt, diesen Ausweis zu fälschen, und dass es sich deswegen nur um eine „Alterserscheinung“ des Ausweises handeln kann, hätte längst bewiesen sein können.
Ich bin ziemlich perplex und möchte gerne noch den Fotografen, der mich begleitet, informieren, er steht nur ein paar Meter entfernt. Doch das erlaubt mir der Beamte nicht: „Sie kommen jetzt sofort mit“. Er sagt mir, ein Kollege werde den Fotografen informieren – als ich ihn eine halbe Stunde später anrufe, weiß er von nichts.
Zerknirschte Pressestelle
Ich werde zu einem Einsatz-Fahrzeug der Polizei geführt, dort sagt mir eine LKA-Beamtin noch einmal das gleiche wie gerade eben der Beamte, allerdings in deutlich freundlicherem Ton. Ich schlage abermals vor, Thomas Neuendorf anzurufen, um die Situation aufzuklären – die Beamtin fragt mich, ob ich seine Handynummer habe.
Die habe ich nicht in meinem Privathandy gespeichert, also schlage ich vor, bei der Pressestelle anzurufen, deren Nummer ich auswendig weiß. Die Beamtin nimmt den Vorschlag sofort an und notiert sich die Nummer, ich muss dennoch erst mal mitkommen ein paar Meter weiter, meine Personalien aufgeben. Dann muss ich wieder warten – wenigstens stehe ich mittlerweile näher an der Bärgida-Kundgebung und kann verstehen, was die RednerInnen sagen.
Nach etwa 10 Minuten kommt dann der Beamte, der meine Personalien aufgenommen hat: Die Pressestelle habe meine „Identität bestätigt“, die Beamtin habe dann noch einmal in der taz angerufen, wo man ebenfalls bestätigt habe, dass ich bei dieser Zeitung angestellt bin. Die Anzeige gegen mich werde deswegen zurückgezogen.
Ich bekomme meinen Ausweis wieder und darf für den Rest des Abends tatsächlich meiner Arbeit nachgehen. Später meldet sich noch die Pressestelle bei mir und entschuldigt sich: „Natürlich kann die taz ihre eigenen Ausweise ausstellen, und wir müssen die auch akzeptieren“, bestätigt mir eine Sprecherin. Das würden aber vielleicht nicht immer alle Beamten wissen.
Das müssen sie von mir aus auch gar nicht. Eine Stunde lang jeden Vorschlag zur schnellen Klärung der Situation einfach abzublocken, mich dabei mehrmals völlig unbegründet anzuschnauzen und mir zwischenzeitlich sogar mit einer völlig absurden Anzeige zu drohen, ist aber einfach unterirdisch. #dankepolizei
MALENE GÜRGEN ist Redakteurin der taz Berlin.
Titelbild: dpa
Liebe Frau Gürgen,
ich verstehe Ihr Problem nicht ganz. Sie hätten doch einfach „inkognito“ sich unter die Demonstranten der Bärgida mischen können. Eine Kundgebung ist doch öffentlich. Bei einer Kundgebung in Kiel habe ich auch niemandem irgendeinen Presseausweis gezeigt, sondern bin einfach mitgelaufen und habe später darüber im Radio berichtet.