Zeitungen leben heute von ihrer Substanz, die sie aus den goldenen Jahren gerettet haben, in denen das Drucken von Zeitungen noch mit dem Drucken von Geld gleichgesetzt wurde. Besonders die überregionale, meinungsbildende Presse leidet. Das Anzeigengeschäft ist ins Internet gezogen, aber nicht auf die Portale der Verlage, die dort mit ihrer aufwändigen Publizistik kein Geld verdienen. Das kostenlose Angebot nationaler und internationaler Medienmarken und Blogs reicht den Nutzern zur Deckung ihres Lesebedarfs.
Der Trend zur Onlinepublizistik führt zur Erosion der Auflagen gedruckter Zeitungen. Nach jedem Quartal melden die Verlage Rückgänge, vor allem bei den hart bezahlten Anteilen der Auflagen: den Abonnements und Einzelverkäufen. Verstärkt wird dieser Negativtrend durch den starken Anstieg der Abo- und Kioskpreise in den letzten Jahren. Höhere Verkaufspreise sind eine notwendige Maßnahme, um neben den Anzeigenumsätzen nicht auch noch die Vertriebsumsätze zu verlieren. Soweit der bekannte Teufelskreis und dann taucht doch urplötzlich noch ein neues Argument der Schuldzuweisung auf. Nach der Kostenlosmentalität der Netznutzer, der Wegelagerei Googles und den Zwangsmilliarden der Öffentlich-Rechtlichen werden jetzt die Journalisten ins Visier genommen. Die Journalisten, so heißt es, schrieben an ihren Lesern vorbei, gerade in der Russlandberichterstattung zeige sich das beispielhaft. Interessante These.
Tatsächlich kann man sich kaum an Zeiten erinnern, in denen die veröffentlichte Meinung so weit weg war von der öffentlichen Meinung. Dafür sorgt das Internet mit seinen endlosen Möglichkeiten, Debatten zu führen. Der Satz des Hamburger Journalisten Paul Sethe – „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“ – hat in Zeiten des Internets seine Relevanz verloren. Mit den Verlegern verlieren die Journalisten. Sie sind nicht mehr die alleinigen Deuter der öffentlichen Meinung.
Liebe Leute,
der Verlust der „Deutungshoheit“. Schön gesagt. Früher war man auf eine Zeitung angewiesen, um an Informationen zu gelangen. Im Zeiten des Internets kann ich jedoch mit wenigen Klicks an mehr Informationen zu jedem Thema gelangen, das mich interessiert, als daß die Zeitung je konnte oder je können wird. Die Zeitung jedoch ist wie eine gute Freundin zuhause. Von der würde ich mich trennen, wenn sie mir ständig widerspräche. Übereinstimmung ist schon wesentlich für eine Beziehung. Eine Zeitung, die ständig an mir vorbeischreibt, nicht meiner Meinung ist und alles anders sieht, warum sollte ich sie kaufen ?
Bei vielen Journalisten habe ich überhaupt das Gefühl, sie leiden am „Eppendorf-Syndrom“. Sie kennen ihr Umfeld, ihre Leute, ihre gewohnte Umgebung und kommen nicht darüber hinaus. Auch wenn sie recherchieren, kommen sie zwar in andere Städte, Dörfer und Länder, sind aber nie weit genug vom „Basislager“ entfernt, um Erfahrungen zu machen, die mehr als fotografischen Anschauungen entsprechen. So, wie ein Tourist sich nicht allein nachts in Kenia in den Urwald begibt, begibt sich der Journalist nie allein um vier Uhr morgens in dieselbe U-Bahn, die die Krankenschwester aber auf dem Nachhauseweg benutzen muß. Möglicherweise tue ich dem einen oder anderen Journalisten damit unrecht, aber im großen und ganzen scheint es mir so zu sein.
Die Meinung wird bislang immer noch über dem Publikum abgeworfen wie ein Care-Paket. Danke. Ich brauche aber nicht belehrt zu werden. Tja, und wenn ich für „Erziehung“ durch die „Medienelite“ (so bezeichnet sie sich immer sehr gern) auch noch bezahlen soll, ist es dann endgültig vorbei. Tja, „Deutungshoheit“, das war früher mal, liebe Journalisten. Heute wissen wir genausoviel wie ihr. Von Euch wollen wir heutzutage etwas anderes. Belehrt uns nicht, sondern überzeugt uns. Und zwar mit Argumenten, nicht Beschimpfungen. Nehmt den Leser ernst und behandelt ihn nicht wie einen zurückgebliebenen Vollhonk. So blöd sind wir nämlich nicht.