von 08.11.2009

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Taz-Leserin Silke Karcher ärgert sich über subtilen Sexismus in der taz. Sie bezieht sich dabei auf vier Texte aus dieser Woche: „Weg mit den Hungerhaken“ (ein Gastkommentar von Kathrin Friederike Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Lüneburg, über die Zeitschrift „Brigitte“, die künftig keine Magermodels mehr abbilden will), „Schwanger war gestern“ (ein Text in der Kolumne „Die Gesellschaftskritik“ auf einer tazzwei-Seite), „Die Stahl-Prinzessin“ (ein Porträt über Megha Mittal von unserem China-Korrespondenten Georg Blume) sowie „Das Genussverbot“ (ein Kommentar von Ines Kappert, Redakteurin im Meinungsressort der taz). Silke Karcher schreibt:

Liebe tazlerInnen,

Sexismus ist nicht nur, zu finden, Frauen gehören an den Herd. Sexismus und Reduzierung von Frauen auf ihren Körper kommt in der taz nur etwas subtiler daher:

Habt Ihr mal nachgezählt, wie viele Artikel Ihr über Frauenkörper(lichkeit) – und wie viele über Männer schreibt? Warum dürfen Merkel und Käßmann nicht genauso langweilig und professionell agieren wie z.B. Steinmeier (s. Genussverbot), warum wird Understatement nicht auch als Zeichen von Selbstbewusstsein anerkannt? Protzen muss doch nur, wer eigentlich selbst nicht glaubt, dass er toll ist. Warum darf Klum nicht so schnell oder langsam abnehmen wie sie lustig ist (s. Schwanger war gestern)? Warum diese Häme? Oder ist es doch … Neid? Sie ist erfolgreich und inszeniert sich – anders als Merkel – ganz klar als Frau – aber das ist dann auch wieder nicht recht. Dann – vielleicht weil mal einen Tag der persönliche Angriff auf bestimmte Frauen fehlte? – Ein Hungerhakenartikel, sicherstellend, dass Frauen=Körperlichkeit im Gedächtnis bleibt.

Klar, vermutlich keine böse Absicht, aber merkt Ihr nicht, dass Ihr praktisch 1:1 reproduziert, was ihr zu kritisieren vorgebt? – Lasst es doch einfach mal – zumindest eine Weile – ganz sein! Das wäre erfrischend und erholsam.

Und den puren Sexismuss spart Euch doch bitte einfach ganz: So wie in „Stahlprinzessin“, wo M. Mittal, studierte erfolgreiche Geschäftsfrau aus efolgreicher Familie, die in ein neues Unternehmen einsteigt – und die Belegschaft begeistert! – als Prinzessin diffamiert und ihr – bar jeder (vorgebrachten) Grundlage – auch noch eine Quasi-Zwangsheirat unterstellt wird.

Viele Grüße (wenn auch etwas genervt)
Dr. Silke Karcher

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https://blogs.taz.de/hausblog/subtiler-sexismus-in-der-taz/

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kommentare

  • Habe verstanden: 1. Über das zu berichten, was unter anderem Folge alltäglichen Sexismus‘ ist, ist selbst Sexismus. Aha. 2. Die taz sollte nicht sexistisch sein. Gut. Hmmmm… Sie soll natürlich auch nicht rassistisch, antisemitisch, pro-imperialistisch usw. sein. Dann darf sie also – s.o. – nichts berichten oder kommentieren, das unter anderem durch Rassismus, Antisemitismus, Imperialismus usw. in die Welt gekommen ist. Wobei unter der Welt sowohl die materielle als auch die ideelle (Gedanken-, Emotions-, etc.-) Welt zu verstehen ist. Hm. Gut daran: Die taz wird billiger, weil dünner. Schlecht daran: Och, jetzt hab ich keine Lust mehr.

  • Frage: Worin unterscheiden sich die Toleranz und Henryk M. Broder? Antwort: Die Toleranz war für Broder ein wichtiger Begriff – im 17. und 18. Jahrhundert. Henryk M. Broder hingegen dürfte für die Toleranz ein unwichtiges Großmaul sein – im 20. und 21 Jahrhundert. Aber vielleicht hat das Großmaul ja irgendwie Recht. Vielleicht sollte man Leute, die Hinrichtungen propagieren, tatsächlich erschießen. Schon damit sie nicht die unschuldigen Lockführer irgendwelcher Vorortzüge belästigen müssen. Übrigens: Am 16. November ist Welttag der Toleranz (UN-Resolution A/RES/51/95).

  • Danke für diesen Brief an die taz! Das war überfällig, seit langem. Auch wenn die taz sehr viel besser ist als alle anderen und „subtiler“ vorurteilt, tut sie es eben doch, und genau das hinterlässt manchmal (nicht oft, eben manchmal!) ein leicht enttäuschendes Nachgefühl. Vielen Dank noch mal, Silke, dass du das – sicher auch für andere „Betroffengemachte“ – auf den Punkt gebracht hast!

  • Mir ist Sexismus in der taz noch nicht aufgefallen – und auch bei den erwähnten Beispielen kann ich keinen erkennen.

    Beispiel Heidi Klum: Die Frau lebt davon, ihren Körper zu vermarkten, und gönnt sich davon nichteinmal unmittelbar nach der Entbindung eine Pause. Im Gegenteil, sie zieht ein Extremprogramm durch, um wieder „in Form“ zu kommen. Dies zu kritisieren oder auch nur darüber zu berichten soll sexistisch sein?

    „Weg mit den Hungerhaken“: Die Brigitte will „natürlichere“ Models abbilden, nicht mehr ultradünne Frauen, die ein falsches Frauenbild vermitteln. Darüber zu berichten soll sexistisch sein?

    Falls ja, dann bleibt bitte so sexistisch, auch solche Themen gehören in eine Tageszeitung, auch in die taz.

  • Die Frage bei der Moral ist, wie weit man gehen will.

    Die taz ist derzeit die beste Zeitung, die ich lese – von Sexismus habe ich darin nichts bemerkt. Die Zeitungen, die ich leider gelegentlich lesen muß sind da ganz anders. Ich weiß nicht, ob ich Nackedeis im Blatt der Schweinehirne mit den großen Buchstaben schlimmer finden soll als eine Grundhaltung, in der Menschen an sich als Ware und Produktionsmittel gelten wie im Blatt der Herrenmenschen aus Frankfurt.

    Wie sollte man denn sonst lesbar und auch unterhaltsam über eine verlogene gesellschaftliche Debatte wie die über Magermodels berichten wenn man keine knallige Überschrift wie “Weg mit den Hungerhaken” benutzt? Die Überschriften gehören mit zum Besten an der taz. Ich sehe in solchen Worten keinen Sexismus sondern Satire.

    „Das Genussverbot“ beschreibt hervorragend die Zwickmühle, in der frau sich heute leicht findet – wann ist man Karrieristin, wann ist man Heimchen am Herd, wann ist man Arbeitsroboter oder Kanzlerinnenlaiendarstellerin? Der Aspekt „Spaß“ kommt bei all der Rollenfindung doch immer zu kurz. Da frage ich mich nicht nur: wo ist das sexistisch? Sondern auch: hat Silke den Artikel gelesen?

    Wäre der Gerechtigkeit Genüge getan, wenn auch die physische Ausstrahlung von Männern einmal gut gewürzt zum Thema würde?

    Mein Vorschlag:

    Ein Artikel, der sich damit befasst, wie Inneres und Äußeres beim modernen Mann im Einklang sein können, am Beispiel von Roland Pofalla, Guido Westerwelle und Kriegsminister Guttenberg.

  • Zuerst habe ich mich gewundert, warum das Wort Stahlprinzessin sexistisch sein sollte, ist er doch ein passender Begriff für einen weiblichen Nachkommen einer Stahldynastie. Männer würde man im selben Kontext ja auch als Prinzen titulieren.

    Ein Blick in den Artikel zeigt aber, dass Frau Mittal erst durch Heirat zur Familie gehört. Einen angeheirateten Mann würde man aber nie als Stahlprinzen bezeichnen, schon gar nicht, wenn er im Begriff ist, ein Modeunternehmen zu führen. Und wahrscheinlich würde man das auch nicht bei einer deutschen Frau tun, die bei Thyssen einheiratet.

    Anflüge von Sexismus und/oder Rassismus, vielleicht kann Georg Blume etwas dazu sagen, was ihn da geritten hat.

    Mfg. Thomas

  • Ich kann dem Kommentar von Silke nur vollstens zustimmen. Abgesehen von der Textebene, findet sich Sexismus auch vermehrt in der Bildebene (den Artikeln beigefuegten Photos von durchweg weiblichen leichtbekleideten Personen…).
    Danke fuer den guten Kommentar! Beste Gruesse.

  • Grundsätzlich stimme ich der Silke zu, es wird ja hier in den Kommentaren auch häufiger genau dies bemängelt.
    Nur: Unterstelle ich jetzt einfach mal, dass die Zielgruppe jener Geschichten in den Frauen auf ihre Körperlichkeit reduziert werden hauptsächlich eben die Frauen sind.

    Für die meisten Männer ist es eben dann doch nicht so interessant, wer sich wie kleidet, wann schlampig und wann ordentlich aussieht etc pp
    Man werfe einfach nur einmal einen Blick in 90% der sogenannten „Frauenzeitschriften“, dann wird klar: Diese Artikel werden so geschrieben weil Frauen sie so lesen wollen.

    Da kannst du Silke natürlich nichts dafür, aber ich denke es ist einfach eine Geschichte der Nachfrage.
    Vielleicht ist äußeres Erscheinungsbild (Tratsch) für Frauen ein ähnliches Gesprächsthema wie für Männer körperliche Leistung (Sport, Fußball)

    Mich interessiert beides nicht, und wird deshalb gepflegt nicht gelesen..

    Mfg, Paul

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