von 20.01.2013

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taz.lab 2012. Foto: Wolfgang Borrs
taz.lab 2012. Foto: Wolfgang Borrs
20. April: „Erfindet. So kann es nicht weitergehen“, Berlin, Haus der Kulturen der Welt

Ist es denn wirklich so, dass die politischen Verhältnisse in Deutschland alternativlos sind? Hätte ein Kandidat wie Sigmar Gabriel gegen Angela Merkel eine bessere Chance als Peer Steinbrück, der eigentlich nie etwas Falsches sagt (Pinot Grigio, Eierlikör, Kanzlergehalt, Kavallerie), dies aber so formuliert, dass es grandios missdeutet werden kann? Oder ist es ohnehin einerlei, ob nun eine Politikerin der Union regiert oder einer der Sozialdemokraten?

Macht es vielleicht gar keinen Unterschied, wenn ein Grüner wie Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg den Regierungschef gibt – etwa im Vergleich mit einem Nils Schmid von der SPD, gar einem Mann von der CDU? Würde, beispielsweise in Niedersachsen, irgendetwas besser werden, wenn die Linkspartei zur größten Partei gewählt würde, etwa mit ihrer Wirtschaftsexpertin Sahra Wagenknecht an der Spitze?

Könnte sein. Wenigstens ein bisschen. Andere aber sagen: Am Personal, von welcher der demokratischen Parteien auch immer, hängt es nicht, ob die Bundesrepublik ökologischer, sozial gerechter, kulturell vielfältiger wird. Menschen müssen auch Lust haben, in anderen, für sie besseren Verhältnissen leben zu wollen – und sich für sie einzusetzen. Die ökologisch notwendige Energiewende ist, so gelesen, vor allem ein Projekt, das, aus dem Stadium des Theoretischen hinausgetreten, plötzlich viele Interessen berührt: solche von Menschen beispielsweise, die in puncto Strom nicht sparen wollen, die Hochspannungsleitungen nicht in ihrem Sichtfeld haben möchten, denen jegliche ökologische Transformation als zu kompliziert und zeitraubend auf die Nerven geht.

Aber wie das alles genau funktioniert, wie es sein kann, dass eine Kanzlerin der CDU bis weit in sozialdemokratische und grüne Kreise hinein akzeptiert, ja, sogar als okay respektiert wird, soll auf dem taz.lab des Jahres 2013 erörtert werden. Der taz-Kongress, beinah schon traditionell eine Börse neuer Ideen und intensiver Debatten, verhandelt nicht erst in diesem Jahr das Projekt „Das gute Leben“ oder „Wie wollen wir leben?“. Im Kontext der taz kann es gar nicht um anderes gehen als darum: Wo sind Alternativen zum Politischen, Gesellschaftlichen jetzt – ohne sich von parteipolitischen Wetterlagen abhängig zu machen? Das taz-Publikum, Frauen und Männer – Sie also! – wissen, dass die Verhältnisse erst in Schwingung kommen, wenn sie mehr Einflusssphären bieten als irgendein Koalitionsvertrag es formulieren kann.

Das taz.lab 2013 steht unter dem Motto „Erfindet. So kann es nicht weitergehen“. Es nimmt eine Stimmung im Lande, in Europa, in der Welt auf: Die einen nennen sie antikapitalistisch, die anderen – vorsichtiger – zumindest stark reformbedürftig. Auf dem taz.lab 2013 geht es genau darum: Was kann, was könnte erfunden werden, damit die realpolitisch-neoliberale Maschine nicht weiter schnurrt? „Alternativlos“, wie die Kanzlerin sagt, ist nie etwas: Und das festzustellen ist bereits die eventuell wichtigste Kritik an einem Klima im Land, das auf viele Menschen mehlig, zäh und stickig wirkt.

„Erfindet. So kann es nicht weitergehen“ ist die Überschrift für eine Fülle von Foren und Werkstätten am 20. April im Haus der Kulturen der Welt in Berlin: Wie kann die Energiewende gelingen? Weshalb fällt das „Selberdenken“ und Handeln so schwer? Woran liegt es, dass das als demokratisch-partizipativ gepriesene Internet mehr und mehr von weißen, heterosexuellen Männern beherrscht wird? Wären die Piraten im Bundestag eine Bereicherung – und was wollen sie überhaupt? Welche Zeitungen können noch überleben – oder verkümmert die Lektüre von Medien mehr und mehr zum Wischen über Telefonoberflächen? Ist der Kapitalismus hinfällig? Warum werden Abermillionen von Menschen durch die Bankenkrisen faktisch enteignet zugunsten der ohnehin Wohlhabenden?

Haben Sie selbst Antworten, Alternativen, Ideen? Schreiben Sie einen Kommentar. Kommen Sie am 20. April nach Berlin. Herzlich willkommen!

Bisher haben für das taz.lab 2013 unter anderem zugesagt: Anke Domscheit-Berg, Internetpionierin und momentan Kandidatin der Piraten für den Bundestag; Harald Welzer, Mitbegründer Stiftung Futurzwei in Berlin; Claus Leggewie, Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen; Richard Sennett, London School of Economics.

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https://blogs.taz.de/hausblog/taz-lab-2013-halten-sie-diesen-tag-frei/

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kommentare

  • Noch eben meine Meinung. Ja, ich glaube es wäre besser, wenn Merkel nicht mehr regieren würde.
    Und ja, ich glaube, Sahra Wagenknecht sollte mehr politischen Einfluss haben.

  • Gratuliere zunächst zu dem klugen Einleitungstext! Tatsächlich ist es fraglich, ob das ständige Predigen von „So-kann-es-nicht-weitergehen“, von Wandel und Änderung (das ja nebenbei auch den Neoliberalismus auszeichnete) und das das Credo aller WutbürgerInnen ist, die Lage noch trifft.
    Ich beobachte jedenfalls als Soziologe, dass der kategorische Imperativ sich weitgehend durchgesetzt hat, Bürger also allerorten sehr erfolgreich selbst staatliche Aufgaben übernehmen.
    Das reicht von der Zwergschule bis zur Tilgung von Staatsschulden, von der genossenschaftlichen taz bis zur Erdwärmepumpe.
    Dass all dies möglich ist, ist m.E. schon eine Folge der Regierungspolitik des Nicht-Tuns, die bereits in den 16 Jahren unter Kohl und nun unter Merkel sehr erfolgreich war.
    Die Forderung nach Reformen, Paradigmenwechseln etc., die ja unermüdlich vorgetragen wird, geht deshalb an der Rolle der Politik und an den Potentialen der Bürger vorbei. Diese können jederzeit auch die verbleibenden Probleme Staatsschulden und Niedriglöhne bzw. Armut durch einfache Umverteilung lösen. In der Schweiz und Skandinavien ist dies bereits geschehen, allerdings in einem umfassenden Konsens ohne „links“ und „rechts“.
    Ich bin gespannt,ob das taz-lab 2013 auch solche neuen, positiven Stimmen hören lässt, oder ob es beim bewährten Miserabilismus bleibt.
    Vielleicht schafft sich Deutschland bald an statt ab?

  • Mit der Energiewende ist erstmals seit langer Zeit wieder ein gesellschaftlich allgegenwärtiges, positiv besetztes Thema im Land. Es wäre zu schade, den diesem Thema innewohnenden Elan mit besserwisserischem Gehabe und Rechthaberei zu ersticken bevor die Atmung richtig in Gang gekommen ist. Nach Fukushima gab es den runden Tisch der Ethik-Kommission. Wer die Zeit hatte, den Debatten zu zuhören, wird festgestellt haben, wie groß die Übereinstimmungen am Tisch waren – von Greenpeace bis Industrie. Der Spruch dieser Kommission hat den Begriff Energiewende alternativlos werden lassen.
    Ich denke: wir brauchen einen permanenten runden Tisch der klare Handlungsempfehlungen aussprechen kann, an dem zum Beispiel dreimal pro Jahr öffentlich getagt wird. Alle Bedenkenträger (von der Rettung der Haselmaus bis zur Verspargelung der Landschaft)stehen im Lichte einer interessierten Öffentlichkeit und stellen ihre Kompromissfähigkeit oder Unfähigkeit unter Beweis. Bestenfalls wird man so ermitteln, an welcher Stelle und warum zum Beispiel 10 km Leitung nicht zusammengefügt werden können. Man wird sehen, welche Bedenkenträger für ein Zugeständnis an der eine Stelle einen Bonus an einer anderen Stelle erhandeln. Man wird öffentlich miteinander reden und die großen „Allesverhinderer“ und die unerträglichen „Sowieso alles Besserwisser“ werden erkannt als diejenigen, die nix hinkriegen können und wollen.Damit müssen sie dann öffentlich leben.
    Ein Vergnügen für die interessierte Öffentlichkeit. Ein Gaudi der gekonnten Selbstdarstellung. Ein Fest für die Demokratie. Eine große Chance, sich nicht zu blamieren.

  • Vor allem, primär, kommt es darauf an, die professionslierte Macht, spezielll Politik in ihre vollen Perfidität, die alles um Längen. Billionen von Lichtjahre, schlägt, was ín der gutmütogen, harmomiessüchtigen linken Seele an „krimineller“ Phantasiechen zusammenzubekomen ist,

  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    da ich bei meiner taz-Lektüre auf den Artikel zum taz-lab 2013 stieß, und dort sachdienliche Hinweise zur Systemfrage erbeten werden, erlaube ich mir, Sie auf meine Publikation
    („Manual der Macht“; s. Internet „Social Science Open Access Repository”) hinzuweisen.

    Dieser Essay – die Grundlage meiner derzeitigen Dissertation – enthält einen Entwurf der „einheitlichen Feldtheorie der Humanwissenschaften“, welche u. a. (soziale) Macht als komplexes System konzeptualisiert und eine umfassende Analyse der rezenten Machtstrukturen ermöglicht.

    Wenn Sie Interesse an einer neuen, innovativen Herangehensweise an die Systemfrage haben, wird sich diese kritische Untersuchung der gegebenen Machtstrukturen – so hoffe ich – für Sie als anregend erweisen.

    Für Ihre Mühen möchte ich mich bedanken und verbleibe
    mit freundlichen Grüßen
    Emmanuel Goldstein

    Ps.: Mailadresse „taz-lab@taz.de“ funktioniert (z.Z.) nicht.

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