Von Dominik Röttgers, taz-Telefonzentrale
Um 8 Uhr in der Frühe beginnt die Schicht in der Zentrale: Jacke aus, Computer an, den Stapel der aktuellen Ausgabe hinlegen, damit die KollegInnen auf ihrem Weg in die höheren Stockwerke eine taz mitnehmen können. Noch schnell auf einen Kaffee und ein Kippchen mit Horst vom Putzteam in die Raucherecke, dann beginnt um 8.30 Uhr der Telefondienst. Der Anrufbeantworter schaltet sich ab und die Anrufe werden in unsere Warteschleife geleitet. Bis 9 Uhr passiert im Regelfall nichts. Manchmal rufen KollegInnen an, sie seien krank. Sonst bleibt das Telefon still. Langsam aber sicher kommen die ersten KollegInnen ins Haus. Die ChefInnen vom Dienst (CvDs) und die Onliner fangen früh an. Irgendwann kommt der Hausmeister, um die Zeitungen zu verteilen. Die Geschäftsführung holt sich ihre Frankfurter Allgemeine Zeitung, bevor es mit tazpresso to go aus dem taz-Café ins gegenüberliegende Gebäude geht, wo einige Abteilungen des Verlags und die Le Monde diplomatique sitzen. Das war’s.
Die meisten Leute wissen ja auch, dass es ziemlich zweckfrei ist, so früh am Morgen anzurufen. Die Abo-Hotline ist auch erst ab 9 Uhr besetzt. Also alles entspannt! Im Regelfall.
Und dann gibt es diese anderen Frühschichten. Tage, an denen man zwischen 8 Uhr und 8.30 Uhr mehrmals sieht, wie jemand anruft und das Band anspringt. Also heute keine Kippe mit Horst, dafür schnell die aktuelle Ausgabe zur Hand und gecheckt, was wir wieder Provokantes, Anstößiges oder sonstwie „Böses“ gedruckt haben: Verboten auf Seite 1… harmlos, das könnt ihr geistreicher! Deniz Yücels Kolumne „Besser“… nee, erscheint erst Dienstag. Sind irgendwo Titten im Blatt… oder noch schlimmer Schwänze, Kai Diekmann oder beides zusammen??!! Nichts von dieser Front zu befürchten. Also warten…
An dieser Stelle würde ich gerne schreiben, dass alles halb so wild ist. Dass es meistens KollegInnen sind, die vor und direkt ab 8.30 Uhr anrufen. Zum Beispiel, weil sie gerade im Wendland für einen Liveticker unterwegs sind und die Durchwahl für die Online-CvDs nicht parat haben. Kein Problem, die kann ich aus dem Stegreif. Oder dass es AbonnentInnen sind, denen 10 Minuten vor Abflug in die Sommerferien einfällt, dass sie ihr taz-Abo noch nicht unterbrochen und als Knastabo gespendet haben. Ach, wie gerne notiere ich deren Name und Adresse und leite den gewünschten Unterbrechungszeitraum weiter, auch wenn es sich nicht vermeiden lässt, dass der Briefkasten sich noch 3 bis 4 Tage mit tazzen füllt.
An Tagen, an denen das Telefon zu solch unchristlicher Zeit klingelt, rufen unter anderem gerne Christen an. Die Berichterstattung zum Papstbesuch oder zum EKD-Kirchentag sei allzu einseitig und kritisch. Oder es rufen die Kirchenkritiker an, dass jetzt ja mal genug sei mit dieser unsäglich positiven Berichterstattung zum Papstbesuch. Neben Verboten, Yücel und Schwänzen dienen natürlich auch Sonderproduktionen wie die Frauentags-, Männertags-, Deutschland- oder GenossInnen-taz immer gerne als Aufhänger, um mal wieder Frust abzulassen. Wer beginnt nicht gerne den Tag mit einer kleinen Hasstirade gegen deutsche Rassisten in der taz oder türkische Rassisten in der taz oder schwänzelnde SexistInnen?!
Und es gibt jene Tage, da bricht so etwas ohne Vorwarnung über einen herein. Tage, an denen ich mir wünschte, der Telefondienst begänne erst um 9 Uhr oder ich wäre nochmal mit Horst oder Helmut zum Rauchen gegangen. Da wird ohne Begrüßung ins andere Ende der Leitung gebrüllt. Es dreht sich entweder um die falsche Zustellung der taz, untermalt mit Beschimpfungen, die wahrscheinlich deutlich machen sollen, dass dies zum wiederholten Mal vorkam. Oder es wird einfach mal ganz allgemein Kritik angebracht, wie scheiße die taz doch geworden sei – in genau solchen Worten. Es sind diese Tage, die eigentlich nur besser werden können. Manche AnruferInnen lassen sich auch wieder beruhigen. Anderen merkt man an, dass sie wirklich nur anrufen, um Frust loszuwerden. Und der oder die PartnerIn hat sich bereits auf die Arbeit geflüchtet. Ich habe auch größtes Verständnis, dass, wer auf den Isar-Loisach-Boten wartet, keine taz im Briefkasten haben will. Aber warum fällt das den Leuten immer MONTAGS um 8.30 Uhr ein?
Siehe auch: “Bin ich jetzt in der Redaktion?”
Ich könnte noch empfehlen: Hängt euch in eine Ecke der Telefonzentrale ein erschreckendes Foto hin. Von dem Oberbayerischen Musikantenstadl, gibt es so nicht aber so ähnlich, von Dieter Bohlen oder eines von den Reaktoren von Fukushima. Immer mal hinsehen zum Abhärten.