Am Samstag erschienen in unserer Wochenendausgabe im Rahmen eines Workshops der taz Panter Stiftung vier Sonderseiten zum Thema Osteuropa. In einem Artikel über die Hinrichtung zweier mutmaßlicher Attentäter eines Anschlags, spricht sich die Autorin für die Todesstrafe aus. Um das Projekt vom restlichen Inhalt der Ausgabe abzugrenzen, wurde es auf der ersten Seite der vier Sonderseiten vorgestellt. Zudem haben alle vier Seiten die Überschrift „OSTEUROPAWORKSHOP“. Zu dem Artikel haben uns zahlreiche Leserbriefe erreicht, in denen kritisiert wird, wie die taz nur einen solchen Artikel veröffentlichen kann. Dazu meint Barbara Oertel, Leiterin der taz-Auslandsredaktion und des Workshops:
Zweifelos: Der Beitrag „Begnadigung oder Genickschuss?“ von Liza Krasavtceva in der Sonderbeilage der taz-Ausgabe vom 23./24. Februar 2013 ist ein Skandal. Dieser besteht nicht nur darin, dass die Autorin sich für die Höchststrafe ausspricht, sondern dass die taz dieses Plädoyer auch noch abdruckt – eine Zeitung, die in diesem konkreten Fall Mitinitiator einer Kampagne gegen die Hinrichtung der beiden Beschuldigten war und sich auch in ihrer sonstigen Auslandsberichterstattung klar und deutlich gegen die Todesstrafe positioniert.
Warum dann die Veröffentlichung? Der Beitrag entstand im Rahmen eines Osteuropawokshops der tazPanter Stiftung mit 13 jungen Journalisten aus Russland, Weißrussland, der Ukraine und der Republik Moldau. Das Ziel derartiger Seminare ist es, die Teilnehmer mit hiesigen journalistischen Standards sowie der Funktionsweise und derRolle von Medien vertraut zu machen, sich über zivilgesellschaftliches Engagement zu verständigen sowie sich über aktuelle politische Entwicklungen in den unterschiedlichen Ländern auszutauschen.
Mit Ausnahme der Republik Moldau, die erst am Anfang einer demokratischen Entwicklung steht, sind in den anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion zunehmend autoritäre Tendenzen zu beobachten. In Weißrussland herrscht seit dem Amtsantritt von Staatspräsident Alexander Lukaschenko im Jahre 1994 das repressivste Regime in der Region – wie nicht zuletzt der Umstand zeigt, dass hier immer noch die Todesstrafe vollstreckt wird.
Grundsätzlich erhebt sich bei Unternehmungen wie dem Osteuropaworkshop die Frage, an wen sich dieses Angebot richtet: ausschließlich an diejenigen, die sich bei den wenigen unabhängigen Medien für einen Wandel der undemokratischen Verhältnisse einsetzen? Oder auch an Vertreter staatlicher Medien, die Sprachrohr der Regierungspropaganda sind, mit der Idee dabei auch hier einen Denk- und Lernprozeß in Gang zu setzen. Wir haben uns für beides entschieden. Und so fiel bei dem Osteuropaworkshop die Entscheidung in einem einzigen Fall zugunsten einer Teilnehmerin aus, die in einem staatlichen Medium in Weißrussland arbeitet – eben jene Verfasserin des Beitrages über die Todesstrafe.
An die erste Frage schließt sich eine zweite an: Sollen derartige Beiträge veröffentlicht oder wegzensiert werden? Die Antwort, über die man trefflich streiten kann, lautet: Zensur nein. Denn es wäre unglaubwürdig, über Pressefreiheit zu dozieren, aber gleichzeitig Meinungen zu deckeln. Zudem geben derartige Ansichten, die bedauerlicherweise immer noch eine Mehrheit der Weißrussen teilen, Aufschluß darüber, warum es heute in dem Land immer noch so aussieht, wie es aussieht. Und sie zeigen, warum die Arbeit und das Engagement der taz Panter Stiftung für diese Länder auch weiterhin von großer Bedeutung ist.
Update 26. Februar: Artikel von Spiegel Online über den Artikel
Man kann über Pressefreiheit und guten Journalisms trefflich diskutieren.
Aber eigentlich fällt mir nur eine Frage ein:
taz, habt Ihr den Verstand verloren!?