Der Jubel war groß und manche hatten sogar ein paar Freudentränen in den Augen, als am Mittwochabend im Radialsystem V in Berlin-Friedrichshain verkündet wurde, dass Daniel Schulz den Theodor-Wolff-Preis in der Kategorie „Meinung überregional“ erhält.
Die Geschichte des Autors über sein Aufwachsen in Ostdeutschland und die teils tief verankerten rechten Strukturen in der Gesellschaft sei „ein relevanter, tiefgründiger archäologischer Text unserer Zeit“, befand die Jury der wohl renommiertesten Auszeichnung für JournalistInnen in Deutschland. Im heißen Saharawind an der Spree wurde Daniel Schulz den ganzen Abend über gefeiert.
In seinem Essay „Wir waren wie Brüder“ hat sich Daniel Schulz, der Co-Leiter des Reportageressorts der taz, auf eine schwierige Reise in seine Vergangenheit begeben. Er hat sich die Frage gestellt, was die rechten Demonstranten in Chemnitz, Männer seiner Generation, denn mit ihm zu tun haben.
Er erzählt in seinem Text von den letzten Jahren der DDR, der Brutalität des Umbruchs und schließlich den 90ern, diesem „barbarischen Jahrzehnt“, wie er schreibt, als die Polizei und der Staat zurückweichen und Neonazis das Machtvakuum füllen. Er beschreibt, wie er vor Rechten wegrannte und gleichzeitig mit einigen befreundet war. Einige von ihnen trifft er heute wieder. Hier zum Nachlesen: taz.de/wirwarenwiebrueder
Schon im November hatte Daniel Schulz mit seinem Essay den Deutschen Reporterpreis gewonnen. Wer Daniel Schulz vermisst, weil er ihn schon länger nicht mehr in der taz gesehen hat, darf beruhigt sein: Er arbeitet gerade an einer Radiofassung seiner Geschichte. Sie soll unter anderem am 6. November um 22.04 Uhr im rbbKultur gesendet werden.
Insgesamt sechs JournalistInnen ausgezeichnet
In der Kategorie „Meinung lokal“ ging der Preis an Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, für seinen Essay „Heimat-Schutz“ über das Stadt-Land-Gefälle und die daraus entstehenden Vorurteile.
In der Kategorie „Reportage lokal“ entschied sich die Jury für Maris Hubschmid vom Tagesspiegel und ihre Reportage „Bis zum letzten Tropfen“ über ein Heim für alkoholkranke Männer in Berlin.
In der Kategorie „Reportage überregional“ erhielt Marius Buhl den Preis für seine Reportage „Bis zum Letzten“ im SZ-Magazin über die langsamsten und letzten Mitläufern eines Marathons.
Preisträger beim Jury-Thema des Jahres „Welt im Umbruch – Demokratie in Gefahr?“ ist Andrian Kreye von der Süddeutschen Zeitung für „Berührungspunkte“ über das Thema Künstliche Intelligenz.
Den Theodor-Wolff-Preis für sein Lebenswerk erhielt der schwer erkrankte Journalist Michael Jürgs, der ihn leider nicht selbst entgegen nehmen konnte. Jürgs sei als streitbarer und engagierter Verteidiger eines unabhängigen, aufklärerischen Journalismus immer wieder mit großen grundsätzlichen Beiträgen zum Journalismus in Deutschland hervorgetreten, hieß es in der Begründung der Jury.
Von STEFFI UNSLEBER, taz-Reporterin
Hier finden Sie alle Nominierten und ihre Texte.
2018 ging der Theodor-Wolff-Preis in der Kategorie „Thema des Jahres: Heimat und die Fremden“ an taz-Autor Hannes Koch. Er wurde für seinen Text „Karim, ich muss dich abschieben“ ausgezeichnet.