vonhausblog 19.06.2024

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Von Mechthild Küpper

In den vergangenen Jahren trafen wir uns am Grab von Thomas Rogalla, früher, wie wir, Kollege in der taz-Berlinredaktion. Sabine Weißler und ihre Tochter Johanna luden regelmäßig auf den St. Matthäus-Friedhof an der Großgörschenstraße ein, wo auch Ritas früh gestorbener Mann Wolfgang Kramer liegt. Die in Duisburg-Mündelheim geborene Rita Hermanns war Sprecherin der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz in Berlin (AL), der Vorläuferorganisation der Grünen, ich glaube, gemeinsam mit Burkhard Müller-Schoenau – „Bucki“.

Sie kam wohl Mitte der achtziger Jahre zur taz, die damals im Wedding beheimatet war, in die Lokalredaktion und ging schließlich als Sprecherin zu Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD). Das hatte den Effekt, dass wir in der Lokalredaktion aus diesem Haus überhaupt keine Informationen mehr bekamen. Aber so war es mit allen Kollegen, die Pressesprecher wurden.

In der taz waren die (Links-)Radikalsten die Außenpolitiker und die Kolleginnen und Kollegen der Abo-Abteilung, es gab bei uns im Haus Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und auch der Stasi. Vom Kollegen Johann Legner bekam ich nach der Wende eine kopierte Seite aus der Gauck-Behörde, die sich um die Stasi-Unterlagen kümmerte und für die Opfer aufbereitete, mit einer Liste der „feindlich-negativen Kräfte“ in der taz. Nebenbei: Kollege Rogalla arrangierte einen Termin mit einem Abteilungsleiter, der mir Lektürehilfe für eine IM-Akte gab.

In der AL waren viele Linksradikale, aber ebenso viele Pragmatiker, so wie Rita, Wolfgang Wieland etwa oder Bernd Köppl. Rita war unendlich freundlich und geduldig, so dass wir gut verstehen konnten, dass man sie gern um sich hatte, wie später auch Schulsenator Klaus Böger (SPD). Sie hatte Humor.

Don Giovanni und Panettone

Einmal erzählte sie uns, dass ihr Freund Giovanni abgereist sei und sie in der Badewanne die Ouvertüre vom „Don Giovanni“ gehört habe. Für uns war Giovanni „der Förster“, und wir hofften, dass sie ihn heiraten würde. Er war aber Forstwissenschaftler aus Padua, und Rita heiratete Wolfgang Kramer vom ZDF.

Wenn sie Geburtstag feierte, ging ich mit Wolfgang zur Eisdiele in der Maaßenstraße und brachte Eis für alle. Wie gut wir lebten mit unseren Hungerlöhnen! Einmal in der Woche hielt die Lokalredaktion morgens ihre Konferenz im Café Berio ab – danach fuhren wir mit den verschiedenen Autos in die Weddinger Wattstraße.

Jahre später traf ich Rita, einen riesigen Panettone in der Hand, auf dem Flughafen in Treviso. Sie hatte ihren Freund Giovanni besucht, dessen Tochter heiratete. Auch er ist längst tot. Ich schwärmte von einem Buch, das sie schon kannte, weil ihre Tochter es ihr empfohlen hatte.

Rita starb, nach langer Krankheit, nun mit 71 Jahren am 11. Juni in Berlin, sodass wir uns, ihre Freundinnen und Freunde, bald wieder auf dem Matthias-Friedhof gemeinsam treffen werden.

Mechthild Küpper kam 1982 zur taz in die Berliner Lokalredaktion. Später arbeitete sie viele Jahre aus Berlin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

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