vonBlogwart 13.04.2015

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Sie war taz-Redakteurin, Kuratorin, Kunstliebhaberin, streitbare Freundin. Sie liebte schöne Blumen, Galerien und Klubs, organisierte Veranstaltungen – und prägte die Indie-Szene der Hauptstadt. Am Samstag starb Meike Jansen an ihrer schweren Krankheit.

 

Meike war Kunst

„Darum kümmert sich Meike.“ Darum auch? Was hat sie nicht alles getan für diese Zeitung! „Schreib ihr eine Mail!“ An diese Adresse? Wirklich? Unter ich@taz.de war sie zu erreichen. Was mag das für ein Mensch sein, der sich eine solche Mailadresse anlegen lässt, mögen sich viele gefragt haben, als sie Meike das erste Mal angeschrieben haben.

Sie war ein besonderer Mensch. Das machen sich all jene Kolleginnen und Kollegen an dem Tag, an dem die Nachricht von ihrem frühen Tod in der Redaktion die Runde macht, noch einmal bewusst und erinnern sich an die Begegnungen mit ihr. Seit 2002 hat sie für die taz gearbeitet. Sie war Redakteurin des taz.plan, der Berliner Veranstaltungsseiten. Deren Umbau zu einem veritablen Stadtmagazin, das jeden Donnerstag erscheint, hat sie mehr als nur mitgestaltet. Meike war dabei die Frau für die Kunst. „Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um“ hieß das kleine Format für die große Kunst, das sie bespielt hat, lange. Am Ende nannte sich die Spalte „Kunst“. Sie war Meikes Spielwiese.

Nach Feierabend. Endlich einmal Zeit, sich wieder einmal länger mit ihr zu unterhalten? „Nö!“. Man hätte es sich denken können. Wie oft hat sie diesen Satz wohl gesagt? „Ich muss noch zu einer Eröffnung.“ Ihrem Gesicht war anzusehen, was sie von der Veranstaltung hielt, zu der sie sich gleich aufmachen würde. War es eine dieser Vernissagen, für sie den Ausdruck „champagnergeschwängertes Glamourevent“ geprägt hat, oder handelte sich um Kunst? Wer sich selbst kein Urteil zutraute, konnte sich an ihr orientieren. Meike war Kunst.

Man konnte das sehen. Wenn sie an ihrem Schreibtisch im vierten Stock des taz-Gebäudes in der Rudi-Dutschke-Straße saß, mit ihren sehr großen Kopfhörern auf den Ohren und Texte redigierte, wirkte sie wie eine Installation. Dieses Bild ist nicht wegzudenken, auch wenn sie nun nie mehr an ihrem Schreibtisch setzen wird. Der wirkte nicht selten wie ein Stillleben. Sie umgab sich gern mit ausgefallenen Blumen. Der Schmuck wird der Redaktion fehlen. Fast alle in der Redaktion, im Verlag, haben eine ganz eigene Erinnerung an sie. Sie war es, die dafür gesorgt hat, dass die großen taz-Veranstaltungen, wie das taz.lab, überhaupt funktioniert haben. Und auch bei den kleineren taz-Events war es nicht selten sie, die die Veranstaltungsorte ausgewählt hat, die wusste, wie das Catering für Künstler oder Diskussionsteilneher auszusehen hat, wer wo wann welches Mikrofon braucht und wann sich wer wo einzufinden hatte. Sie war die Eventmanagerin der taz.

„Geht nicht!“, „Nö“, „Das kannst du vergessen!“ Man konnte sich gut mit ihr streiten, wenn man anderer Meinung war, was die Organisation einer Veranstaltung betraf. Es waren schöne Streite, weil allen klar war, dass man es da mit einer zu tun hat, die wusste, wie es läuft.Das wusste man nicht nur in der taz zu schätzen. Sie kuratierte und organisierte in Berlin, im In- und Ausland so manche Veranstaltung, über die in anderen Medien nur das Beste zu lesen war. Kunst natürlich, Musik, transmediale Events. So hat ihr Arbeitsleben begonnen.

Sie ist 1968 geboren. Schon als 19-Jährige organisierte sie – damals noch in Ostwestfalen – Konzerte für die Indie-Szene. In Bielefeld erinnert man sich bis heute an sie. In Berlin gibt es nur wenig kulturelle Orte, an denen man sie nicht erkannt hätte. Sie hat für Galerien und ihre Kunst gelebt für die Klubs und deren Musik, und ganz viel davon hat sie der taz gegeben. Wie viel das war, werden wir wohl erst in den nächsten Wochen spüren. Wie sie das geschafft hat, obwohl sie an einer seltenen chronischen Krankheit litt, das haben sich all diejenigen immer gefragt, die von ihrer Erkankung wussten. Ohne Medikamente konnte sie schon lange nicht mehr leben. Und doch war ihr Zusammenbruch Mitte März ein Schock auch für ihre besten Freunde. Von dem Multiorganversagen, das diagnostiziert wurde, sollte sie sich nicht mehr erholen. Zwölf Freunde waren bei ihr, als am Samstag die lebenserhaltenden Maßnahmen in der Berliner Charité beendet wurden. Verwandte, die sich um Meike hätten kümmern können, gab es da schon lange nicht mehr. Es waren ihre Freunde, die sie aus dem Leben verabschiedet haben, die Menschen, mit denen sie über Kunst gestritten, sich über die richtigen Fußballergebnisse gefreut hat, mit denen sie manchmal einfach nur
stundenlang spazieren gegangen ist, ihre wahren Angehörigen.

So viel hatte sie sich für dieses Jahr vorgenommen. „Mein Vorsatz für 2015? Noch mehr Kunst schauen!“ Das schrieb sie im Januar. Wir hätten sie so gerne dabei begleitet. Wer sich selbst kein Urteil zutraute, konnte sich an ihr orientieren. Meike war Kunst.

Andreas Rüttenauer, taz-Chefredaktion

 

Schatzkistenjagd am sonnenüberfluteten See

Seit ich durch das Berliner Nachtleben treibe, ist sie immer dabei
gewesen; ich kann nicht zählen, an wie vielen Abenden wir zusammen in
einem Konzert oder einem Club standen und uns darüber freuten, wunderten
oder empörten, was da auf der Bühne oder hinter dem DJ-Pult passierte.
Wir ließen uns bewegungslos von brüllendem Gitarrenkrach betäuben oder
versuchten, zu untanzbaren hysterischen Breakbeats zu tanzen.

Wir standen, das ist jetzt vielleicht fünfzehn Jahre her, in einem
winzigen Schuppen an der Spree und staunten über den Drive und die
Kunstfertigkeit der Elektronikavantgarde, zusammen mit zirka dreißig
anderen Leuten, das war bei einer der ersten Ausgaben des Club
Transmediale. Wir standen, das ist jetzt drei Monate her, beim letzten
Club Transmediale im Berghain und freuten uns über die Tausenden von
Menschen, die sich nun gemeinsam mit uns an dieser komplizierten,
schroffen, zukunftsweisenden Musik erfreuten, die uns seit so langer
Zeit schon eine Herzensangelegenheit war und die nun endlich das
Publikum gefunden hatte, das sie verdiente. Dass das so war, war auch ihr zu verdanken. Meike Jansen war von
unermüdlicher Neugier, Begeisterungsfähigkeit und Energie. Sie war immer
dort, wo die Dinge passierten, die neu und aufregend waren, und sie hat
unermüdlich dafür gesorgt, dass das Neue und Aufregende auch zu den
Menschen fand.

Sie hat in der taz darüber geschrieben und auf den von ihr betreuten
Veranstaltungsseiten die musikalischen und künstlerischen Szenen der
Stadt so vielfältig und bunt abgebildet wie wohl niemand sonst. Sie hat
aber auch dabei geholfen, dass diese Buntheit und Vielfältigkeit blieb
und sich wandelte und wuchs, als Kuratorin, Veranstalterin,
Kommunikatorin. Unermüdlich brachte sie Leute miteinander ins Gespräch,
führte Musiker mit Künstlern zusammen und Galeristen mit Clubbetreibern;
sie sorgte dafür, dass die Szene immer wieder an neue Orte gelangte, zu
anderen Leuten. Als ein paar Künstler und Konzertveranstalter am
Kottbusser Tor das Westgermany schufen, half sie beim Organisieren und
Kuratieren und stand auch noch nächtelang hinter dem Tresen; beim Club
Transmediale sorgte sie für die Logistik und saß oft auch an der
Gästeliste, mit einer sonderbaren Mischung aus Güte und Grimmigkeit, für
die allein ich sie unendlich liebte.

Als mein Sohn getauft wurde, organisierte sie mit ein paar anderen
Nachtlebenmenschen eine Schatzkistenjagd an einem sonnenüberfluteten
See, ein bizarres, aber auch glücklich machendes Bild, eine sehr gute
Piratenkönigin war sie nämlich auch. Aber das ist eine andere Geschichte. Oder auch nicht: Wenn ich mit Meike
zusammen durch das Berliner Nachtleben trieb, hatte ich manchmal doch
das Gefühl, dass wir alle, die wir uns hier und schon seit so viel
Jahren zu sonderbaren Zeiten an sonderbaren Orten verlieren, bei all
unseren Marotten und Schrullen und bei all den sonderbaren Kämpfen, die
wir manchmal gegeneinander ausfechten, vielleicht doch so etwas wie eine
Familie sind.

Jens Balzer ist Popredakteur bei der Berliner Zeitung

 

Mit Humor und Freude

Die wunderbare Freundin und Kollegin werde ich sehr vermissen, ihren
Charme und ihre Klugheit im Guten wie im Skeptischen, ihre
Geradlinigkeit und Unverbogenheit, ihre Warmherzigkeit und
Scharfsinnigkeit …

Mit Meike durfte ich jährlich den taz.lab-Kongress im Berliner Haus der
Kulturen der Welt (HKW) organisieren, was immer großen Spaß machte und
was wir beide mit einer ordentlichen Portion Humor und Freude zusammen
stemmen konnten, mit Liebe zu den Menschen und deren Gewusel. Daraus
entstand dann nach und nach eine Freundschaft.

Ich durfte sie mit Freunden „hinüber“begleiten und bin dankbar und
unendlich traurig darüber. Danke für alles, liebe Meike, falls es
Wiedergeburt gibt, würde ich Dich gerne wiedertreffen, möge Deine Seele
fliegen und eine gute Auswahl treffen.

Ellen Kraft, HKW, Berlin

 

Montagsblumen

Frau Jansen ist nicht mehr hier. Keine Frühlingsspaziergänge mehr, keine
Küchenschlachten, keine erbitterten Auseinandersetzungen über Musik und
Kunst.

Es war kaum möglich, nicht mit diesem Powerpaket aneinanderzugeraten.
Aber meine streitbare Freundin war immer da, wenn sie gebraucht wurde.
Und wurde auf einmal ganz zart und mitfühlend. Meike liebte
Montagsblumen, Neneh Cherry, Muscheln in Tomaten-Safran-Sud, den BVB und
ihre Freunde.

Falls es doch ein Leben nach dem Tod gibt: Leute, zieht euch warm an.
Meike ist im Anflug.

Petra Dorn, tazlerin

 

Weltenspringerin

Ich vermisse sie sehr, meine unbequeme Freundin, die Dinge nicht einfach
auf sich beruhen ließ, immer nochmals nachhakte, sich selten mit einem
Status quo zufrieden gab und immer diskussionsfreudig war.

Meike, unsere „Weltenspringerin“, die die Gabe hatte, Menschen aus
unterschiedlichen Kontexten miteinander zu verbinden. Deine Freundschaft
war mir wertvoll, ich danke Dir, Du fehlst mir sehr!

Zuri Maria Daiß, Künstler-Managerin

 

Nicht mehr da

es ist also wirklich passiert? meike ist gestorben? das ist SO
unfassbar. klar, es ist immer unfassbar, wenn ein mensch nicht mehr da
ist. aber bei dieser immer agilen, vermotzten, streitbaren,
hyperaktiven, kreativen … kollegin ist es irgendwie noch unfassbarer.

Rüdiger Rossig, tazler und Musiker

 

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https://blogs.taz.de/hausblog/unsere-kollegin-meike-jansen-ist-tot/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • ? Was soll das ?

    Die Müll-Links sind nach wie vor da. Ich schlage vor, dass die taz die Möglichkeit technisch wieder abschafft, an dieser Stelle der taz-Blogs unkontrolliert kommentieren und Pingbacks setzen zu können.

    Können die Müll-Links bitte von der Nachruf-Seite für Meike Jansen entfernt werden? Soll ich diese Bitte sicherheitshalber morgen an die Adressen im Kontaktfeld von taz.de schicken?

    Mir ist klar, dass die taz so eine sorgsame Blogmoderation wie von Sebastian Heiser nicht ersetzen kann. Nur, dann sollte sie die Kommentarfunktion wie die Süddeutsche Zeitung lieber ganz abschalten als zur Müllhalde von kontextfernen Links und unwidersprochenen Müll-Argumenten, wie aktuell unter der Rezension zur Flüchtlingsthematik mit der direkten Gegenüberstellung von Koran und Hitlers „Mein Kampf“, zu werden!

  • Hallooo, im Feiertag oder in der Ignoranz befindliche Tazler_nnen! Unter dem Nachruf zu Meike Jansen stehen aktuell befremdliche Pingback-Links von „Close up: Sexarbeit“ bis „free movie downloads“. Mit Respekt für die Verstorbene bitte erhebt euch aus eurer (Mainstream-)Untätigkeit und entsorgt den Müll. Meinen Kommentar dann gern auch, trägt ja nichts zum Nachruf an sich bei. Danke!

  • Mensch Meike, musstest Du so früh abhauen ? Wir kannten uns seit den späten 80ern im Forum Enger wo wir uns wöchentlich gesehen haben und du uns als späte Teenager manchmal umsonst reingelassen hast, wenn wir pleite waren…so war das eigentlich bis heute…nur dann eben im Berghain. Als Du mich während des Angel Soundchecks 2004 bei CTM in der Maria grinsend fragtest: , Du spielst immernoch gern im Dreck, ne ? ‚, wusste ich, wie eigentlich jedes Mal wenn wir uns über den Weg liefen, dass wir Familie sind. Danke Dir und wir sehen uns In Space…bin jetzt schon gespannt was es dort für Clubs und Musik gibt.
    Schneider

  • Liebe TAZ,

    so einen menschlichen, persönlichen und herzerwärmenden Nachruf habe ich noch nie gelesen.

    Wunderbar eine Redaktion die so fühlt und schreibt.

    DANKE

    • was für ein Nachruf

      – ich sitze hier und mir laufen die Tränen –

      es gibt gelebtes Mitgefühl und treue Freundschaft,
      ich glaube das wichtigste im Leben

      danke, eure Gedanken werden mich in diesen Tag begleiten

  • Dein feinsinniges, humorvolles und hilfsbereites Wesen wird mir immer in Erinnerung bleiben. Es war schön, Dir zu begegnen.

  • For brief 2 or 3 encounters, Meike left an indelible memory of herself. She personified boundless encounters between most various people and nations, arts and sounds. It’s because she loved people with intensity, rebellion, kindness and the heart that is one of a kind! Well done sister! Meike has just gone ahead of us! Love & Peace from Ana & Rob (Shaking Foundations)

  • Meike, ich bin sprachlos!

    Die erste Kritik zu meinen Arbeiten hast Du geschrieben. Das hat mich damals sehr stolz gemacht und ich zitiere dich heute noch gern. Später, als wir uns zufällig in Istanbul trafen und drei Tage miteinander in verschiedenen Ausstellungen verbrachten, habe ich deinen genauen, manchmal unbequemen aber immer gerechten und fundierten Blick noch mehr schätzen gelernt. Wir haben in diesen Tagen viel diskutiert. Es waren gute Diskussionen. Ich bin froh dich gekannt zu haben!

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