Von Vanessa Weiss
„Wenn das in den Achtzigerjahren wäre, dann hätten wir die Veranstaltung wohl nicht so voll bekommen“, kommentiert Martin Reichert, Redakteur der sonntaz, die zahlreiche Beteiligung der Kongressbesucher, die mehr über Carolin Emckes Buch über ihr Coming-Out erfahren wollen.
Nach ihren Büchern „Von den Kriegen – Briefe an Freunde“ und „Stumme Gewalt – Nachdenken über die RAF“ widmete sich Carolin Emcke in ihrem erst kürzlich erschienenen Buch „Wie wir begehren“ ihrer eigenen Geschichte. Persönlich und immer in Verbindung zu den sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen zu ihrer Jugend- und frühen Erwachsenenzeit schildert sie episodenhaft ihre Gedanken über die Entdeckungen ihrer Homosexualität, wenn sie beispielsweise über den aus ihrer Sicht unspektakulären ersten Kuss mit einem Jungen berichtet, den sie bildhaft beschreibt. Vielleicht war auch das einer der „Momente, die das Leben verändern“, wie sie die Wirkung einer Schauspielerin im Theater auf sich beschreibt.
Beim Schreiben des Buches vertraute sie nicht nur auf ihre persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen, sondern auch auf intensive Recherche sozialer und gesellschaftlicher Bedingungen homosexueller Akzeptanz, erklärt sie. Sowohl die Medienlandschaft als auch die Literaturszene setzten sich in den Achtziger- und Neunzigerjahren mit diesem Thema auseinander. Dennoch schien dies auch dort eher ein Tabuthema gewesen zu, wenn sich der Moderator Martin Reichert zu Aussagen über die Achtzigerjahren hinreißen ließ, dass sie „muffig, eng und rigide“ gewesen seien.
Aber warum sind die Menschen heute weniger verklemmt als früher, so dass sie eine für 50 Zuhörer ausgelegten Veranstaltungsraum stürmen, um mehr über ein episodenhaftes Coming-Out–Buch zu erfahren? Vielleicht ist es vor allem die Offenheit, mit der Politiker und Prominente über ihre Homosexualität in den Medien sprechen.
Carolin Emcke über ihr Buch „Wie wir begehren“, Toleranz und den Umgang mit Sexualität
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