Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Hinweisbeschluss angekündigt, eine Klage eines ehemaligen Bundestagsmitarbeiters des AfD-Fraktionschefs Alexander Gauland abzuweisen. Der Mann war mit Hilfe einer notorischen AfD-Anwaltskanzlei gegen alle Medien vorgegangen, die namentlich über seine Tätigkeit für Gauland berichtet hatten. Bis auf die taz fügten sich die Medien. Die taz verlor in erster Instanz, das Oberlandesgericht hat aber nun angekündigt, ihr recht zu geben.
Der Mann war in seiner Jugend von 1999 bis 2004 Mitglied der später verbotenen rechtsradikalen HDJ (Heimattreue Deutsche Jugend) und hatte dort eine Funktion übernommen, die für die Koordinierung der technischen Dienste in den von der HDJ ausgerichteten Jugendlagern zuständig war.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hat im Rahmen der Gesamtabwägung das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung über den Kläger mit individualisierenden Angaben Vorrang: „Für die Abwägung ist bedeutsam, ob die Berichterstattung allein der Befriedigung der Neugier des Publikums dient oder ob sie einen Beitrag zur Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft leistet und die Presse mithin ihre Funktion als ‚Wachhund der Öffentlichkeit‘ wahrnimmt. Letzteres hat die Beklagte [die taz] getan.“
Es sei für die Öffentlichkeit von erheblichem Interesse gewesen, zu erfahren, ob Gauland oder andere AfD-Politiker Mitarbeiter beschäftigen, die eine rechtsextreme Vergangenheit aufweisen.
„Gauland ist eine Person, dem die Öffentlichkeit schon aufgrund seiner hervorgehobenen Funktionen als Vorsitzender der AfD-Fraktion des Bundestags und als Vorsitzender der Partei der AfD ein gesteigertes Interesse entgegenbringt“, erklärte das Gericht weiter.
„Gauland wirkt zudem aufgrund seiner großen medialen Präsenz in Funk und Fernsehen an der öffentlichen Meinungsbildung intensiv mit. Allein deshalb ist es für die Öffentlichkeit von Interesse, zu erfahren, von welchen Personen als wissenschaftlichen Mitarbeitern sich (…) Gauland für die Inhalte oder die Abfassung seiner Debattenbeiträge zuarbeiten lasst. Da zudem bereits im Zeitpunkt des Erscheinens des streitgegenständlichen Online-Artikels in der breiten Öffentlichkeit eine politische Debatte darüber geführt worden ist, ob sich die AfD von rechtsextremen Bewegungen hinreichend abgrenzt oder ob sie besser vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte, ist es für die Öffentlichkeit von erheblichem Interesse gewesen, zu erfahren, ob (…) Gauland oder andere AfD-Politiker Mitarbeiter beschäftigen, die eine rechtsextreme Vergangenheit aufweisen. Es bestand auch ein nachvollziehbares Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit daran, zu den betroffenen Mitarbeitern individualisierende Angaben zu erhalten, um so die Glaubhaftigkeit dieser Berichte besser einordnen zu können, da im Zeitpunkt der Berichterstattung der Beklagten bereits über andere Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten mit einer rechtsextremen Vergangenheit berichtet worden war, etwa über den in der HDJ an führender Stelle tätig gewesenen Bruder des Klägers.“
Das Gericht weist auch darauf hin, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz etwa ein Jahr später nach einer Überprüfung aller offen zugänglichen Informationen am 8. März 2019 die Teilorganisationen der AfD „Der Flügel“ und die „Junge Alternative“ wegen gewichtiger Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen zu Verdachtsfällen erhoben habe.
Nachdem die AfD 2017 in den Bundestag eingezogen war, hatte die taz schwerpunktmäßig über die Hintegründe der Abgeordneten und ihrer Mitarbeiter recherchiert und im April 2018 erstmals Ergebnisse veröffentlicht.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist von herausragender Bedeutung für die Berichterstattung über die AfD und ihre Bundestagesmitarbeiter: Aus dem Bundestag fließen auf diese Weise große Summen in rechtsradikale Strukturen. Gegen die von verschiedenen Medien aufgenommen Berichterstattung ist von verschiedenen AfD-Mitarbeitern unter Zuhilfenahme der stets gleichen Anwaltskanzlei mit einschüchternden presserechtlichen Unterweisungen, Abmahnschreiben und einstweiligen Verfügungen vorgegangen worden, und zahlreiche Medien haben sich von der Berichterstattung abhalten lassen.
Von JONY EISENBERG, Rechtsanwalt der taz
Wir werden nach der Abweisung der Klage den Namen des Mannes unter dem betreffenden Artikel wieder nennen. Die taz-Redaktion.