In Zeitdiagnosen, in Feuilletons, auch im Kulturteil der taz pflegte man jahrelang die Übung der gebrochenen Zustimmung. Man wollte Pop gut finden, musste ihn aber ein wenig belächeln, um ihn für das taz-Publikum genießbar zu machen. Einfach nur Madonna gutfinden – das ging nicht. Wenn schon, musste Musikberichterstattung irgendwie immer mit dem Subtext versehen werden, eigentlich handele es sich um Industrialisiertes, Entfremdetes, jedenfalls nichts Systemkritisches in einem grundsätzlichen Sinne.
So war das auch jahrzehntelang mit der taz und ihrer Sport-, besser Fußballberichterstattung. Man hatte in den eigenen journalistischen Reihen starke Expertise, ja, in Kollegen wie Andreas Rüttenauer und Markus Völker, in Thomas Winkler und dem Analysten Christoph Biermann Journalisten, die weit über das taz-publizistische Spektrum hinaus Respekt, mächtigen Respekt genossen und genießen.
Die meisten unserer LeserInnen haben es mit Staunen und Genuss zugleich begrüßt, dass die taz vor vier Jahren, zur Fußball-WM in Deutschland, mit täglichen Sonderseiten erschien. Die Überlegung – damals unter dem Dirigat von Peter Unfried, heute taz-Chefreporter – war: Die taz sollte populäre Themen nicht ignorieren, sondern sich ihrer annehmen; bloß klüger und anders als die anderen. Mit anderen Themen, mit anderen Schwerpunkten – beispielsweise durch eine intelligente, nachgerade wissenschaftliche Spiel- und Spielerkritik, durch eine verspielte Genderkritik sowie durch einen Diskurs, den man als Schwarzrotgold bezeichnen könnte. Darf man als Linker, als Alternativer mit der deutschen Mannschaft jubeln, wenn sie gewinnt? Oder greinen, wenn sie verliert? Wäre das womöglich eine Verneigung vor Nationalismus?
In ähnlicher Weise hat die taz es auch mit den Olympischen Sommerspielen vor zwei Jahren in Peking gehalten. In Kooperation mit den Auslandskollegen, vor allem mit dem Chinakorrespondenten Georg Blume, hat die taz täglich mit Sonderseiten über das größte Sportereignis der Welt berichtet – wobei das spezifisch Sportliche keinen besonderen Raum erhielt, sondern all das, was gesellschaftlich in der Hauptstadt der Volksrepublik die Sache ist.
Jetzt zur Fußball-WM in Südafrika gibt es wieder tägliche Sonderseiten und ein extra taz-WM-Abo. In der Redaktion hat sich abermals ein Team zusammengefunden, das gewöhnlich so eng nicht zusammenwirkt: Deniz Yücel aus der Schwerpunkt-Redaktion, Afrikaredakteur Dominic Johnson aus dem Auslandsressort, taz-Volontärin Frauke Böger, Thomas Winkler aus dem Sport und Lalon Sander, Volontär, der mit Carl Ziegner aus der Onlineredaktion den Netzauftritt betreut. Ines Kappert und Doris Akrap arbeiten als AutorInnen für die WM-taz besonders in kultureller Hinsicht. Schließlich auch noch Martina Schwikowski, unsere Korrespondentin am Kap und darüber hinaus, vor allem diese, Markus Völker und Andreas Rüttenauer, die wir zu diesem Turnier akkreditieren konnten. Außerdem etliche KollegInnen aus der taz-Akademie und mit Nils Nadolny auch noch einen Schülerpraktikanten.
Was sie alle eint? Der Spaß am Fußball, die Leidenschaft für den Kick, die Umsicht, sich zu identifizieren, ohne sich im Gestrüpp des Nationalen zu verlieren. Sie eint außerdem ein Gewitter an Signalen aus der taz-Leserschaft, das die WM-Berichterstattung von uns allen goutiert – und tatsächlich das Gefühl haben kann und sollte, in der taz ein Blatt zu lesen, das informatorisch die richtigen Akzente zur richtigen Zeit setzt. Eben auch fußballerisch!
Wir bekommen natürlich auch Briefe, Mails und Blog-Kommentare von Lesenden, die uns am liebsten wieder in den Steinbruch der üblichen Redaktion schicken würden. Die sich nicht für das Thema interessieren oder, falls doch, es mit schlechtem Gewissen am liebsten auslöschen täten. Etwa im Sinne von: In der Welt hungern Milliarden – und ihr besorgt das Geschäft der Fifa-Milliardäre.
Gegen solche Haltungen können wir nichts machen. Wir bitten diese Lesenden, unsere Seiten einfach wegzublättern: Die taz ist ja thematisch nicht schmaler geworden, weil es die WM-taz gibt.
Wir lieben Fußball, wir finden, dass Nationalismus öde ist – und wir finden, dass Länderspiele ihre Passionen entfalten, auf dem Platz wie beim Publikum, aber diese nicht zu Kriegen führen sollten. Wir freuen uns jetzt schon auf die WM 2014 in Brasilien!
Nachtrag 25. Juni: Wie mir das passieren konnte – unbegreiflich, mir selbst am meisten. Nämlich: Wir als WM-Team der taz freuen uns natürlich nicht zunächst auf die Männer-WM 2014 in Brasilien, sondern auf das kommmende Jahr schon, auf die Fußball-WM der Frauen in Deutschland. Unser Team hat vor drei Jahren den Titel gewonnen, mit 2:0 gegen Brasilien. Wir werden dieses Ereignis publizistisch natürlich mit besonders intensiver Aufmerksamkeit begleiten!
Jan Feddersen ist Redakteur für besondere Aufgaben und Leiter des taz-WM-Teams in Berlin
@ kleiner Spinner
Na ja, vielleicht einfach weil es Spass macht? Und weil es prinzipiell vollkommen in Ordnung ist, sich für die deutsche Nationalmannschaft zu freuen? In Deutschland ist ohne jede Frage einiges verbesserungsbedürftig, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten dieser Welt läßt es sich hier hervorragend leben.