Von Verlagsgeschäftsführer Karl-Heinz Ruch
Niemand weiß, wie der Zeitungsmarkt in zehn Jahren aussehen wird. Und ob gedruckte Tageszeitungen dann überhaupt noch erscheinen werden, wenn schon heute fast jeder irgendein komfortables mobiles Gerät bei sich trägt, ist ebenso ungewiss. Bleibt das Gedruckte den Liebhabern des ausgeruhten Rhythmus vorbehalten, der gediegenen Lektüre in der Gartenlaube oder vor dem Kamin im Winter? Keiner kann es sagen. Aber alle in der Zeitungsbranche ahnen, dass die Umwälzungen in noch schnellerem Tempo weitergehen werden.
Im Jahr 2013 hat sich die Situation der Verlage nicht verbessert. Ein Erlösmodell, das die traditionelle Finanzierung der Zeitungen aus Anzeigen und Vertrieb im digitalen Zeitalter ablösen könnte, ist nach wie vor nicht in Sicht. Immer mehr Verlage melden Umsatzrückgänge für 2013, was zeigt, dass das zurückgehende Anzeigengeschäft und die fallenden Auflagen nicht mehr durch steigende Abo- oder Einzelverkaufspreise aufgefangen werden können. Eine solche Situation zwingt einerseits zum Sparen, was in den Zusammenlegungen oder Reduzierungen von Verlags- und Redaktionsressourcen sichtbar wird. Andererseits droht das Geld für Investitionen in die lang anhaltende digitale Transformation auszugehen.
Die Verlage müssen schnell handeln. Die großen der Branche, wie Springer und Burda, investieren massiv in Internetunternehmen, um das den Verlagen vom neuen Markt »geraubte« Rubrikengeschäft wieder zurückzubekommen. Ob das erfolgreich sein wird, ist kaum abzusehen. Mittelgroße Verlage wie der Spiegel oder die FAZ, die ebenfalls Umsatzrückgänge für das Jahr 2013 melden, haben es da schwerer. Ihnen fehlt schlicht die Größe, um mit Milliardendeals, wie sie etwa Springer gerade mit dem Verkauf seiner Zeitungen und Zeitschriften abwickelt, Einkaufstouren im Internet zu finanzieren.
Was hat das alles mit der kleinen taz zu tun? Sie ist in vielfältiger Weise abhängig vom Zeitungsmarkt. Ohne die vielen anderen Zeitungen käme nie eine gedruckte taz bei ihren Lesern an. Von einer Erosion der Vertriebs- und Verkaufsstrukturen der Zeitungsbranche bliebe die taz nicht unberührt.
Wenn es überhaupt Tendenzen im Medienwandel gibt, von denen die taz nicht betroffen ist, dann ist es der Niedergang des Anzeigengeschäfts, das bei der taz nie eine große Rolle gespielt hat, zur gegenwärtigen Krise der Branche aber mindestens zur Hälfte beiträgt. Aus dem Manko wird nun ein Vorteil für die taz, zumindest relativ.
Das veränderte Mediennutzungsverhalten trifft die taz jedoch wie alle anderen. Ganz konkret spüren wir das an den Umsätzen der täglichen Abos, die im Jahr 2013 auf 16,2 Mio. Euro gefallen sind, das sind 2,8 Prozent weniger als im Vorjahr (16,66 Mio. Euro). Mehr als ausgeglichen wird das durch Umsatzsteigerungen bei den Wochenendabos von 1,0 Mio. Euro auf 1,74 Mio. Euro und bei den digitalen E-Paper-Abos von 0,59 Mio. Euro auf 0,89 Mio. Euro.
Die insgesamt positive Entwicklung unseres Abonnementgeschäfts im Jahr 2013 führt auch zu einer Steigerung des Gesamtumsatzes der taz im Jahr 2013 um 2,5 Prozent. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die taz deutlich von anderen Verlagen. Aber vor dem Hintergrund der eingangs gestellten Frage, wie der Zeitungsmarkt in zehn Jahren aussehen wird, und vor allem, wie es dann der taz gehen wird, erscheinen solche Zahlen nur als Momentaufnahme. Dennoch bestärkt uns natürlich der Erfolg der taz im Jahr 2013 in unserer Strategie der Diversifizierung unserer publizistischen Angebote und Vertriebswege.
Der Weg der taz in den nächsten Jahren wird kein einfacher werden. Wir werden uns sehr anstrengen müssen und immer wieder auch auf die kritische Unterstützung unserer LeserInnen und Förderer angewiesen sein. Aber wir können optimistisch sein, wenn wir weiter die Lage der taz realistisch analysieren und entschieden handeln. Seit die taz-Genossenschaft gegründet wurde, war es ein wesentliches Ziel, eine Eigenkapitalbasis aufzubauen, um die taz von Konjunkturen unabhängiger zu machen und sie für Investitionen in Zukunftsprojekte zu stärken. Dabei wollen wir uns immer der Unterstützung unserer taz-GenossInnen sicher sein. Wir stellen ihnen unsere Absichten vor und fragen sie regelmäßig nach ihren Meinungen.
Weil wir an die Zukunft der taz glauben, planen wir Zukunftsprojekte. Oder besser: Weil wir solche Projekte planen, glauben wir an die Zukunft der taz. Mit den Reformen der letzten Jahre, wie der Wochenendausgabe, dem Wochenendabo und dem Ausbau von taz.de, konnten wir viele neue LeserInnen gewinnen, die publizistische Reichweite der taz vergrößern und damit auch die Grundlage für neue Erlöse schaffen. Ein großes Projekt der nächsten beiden Jahre wird die Inbetriebnahme eines neuen Redaktionssystems sein, mit dem wir besser als jetzt die unterschiedlichen Publikationswege bedienen und mehr Freiräume für die Redaktion schaffen können. Ein solches Redaktions- und Produktionssystem ist das Rückgrat unserer Arbeit und als Ersatz des in die Jahre gekommenen Systems quasi »alternativlos«. Eine Investition in der Größenordnung von rund 1,6 Mio. Euro, die aus Fördermitteln, Genossenschaftskapital und zum Teil aus den regulären Abschreibungen finanziert werden kann, soweit es sich um jährlich wiederkehrende Investitionen handelt.
Ein weit größeres Projekt der nächsten Jahre ist der Neubau eines taz-Verlagshauses in der Friedrichstraße und der Umzug aller Mitarbeitenden in drei Jahren. Der Vorstand der Genossenschaft hat das Projekt, das auf der letzten Generalversammlung im September als Idee vorgestellt wurde, weiter verfolgt, und der Aufsichtsrat hat als ersten Schritt einer Konkretisierung Mittel für die Durchführung eines Architektenwettbewerbs freigegeben.
Das Hausprojekt
Die taz will ein neues Haus bauen und damit für die Zukunft investieren. Alle Mitarbeitenden sollen wieder unter einem Dach arbeiten. Wir werden unsere Arbeit für neue Anforderungen organisieren und mit einem neuen Redaktionssystem den Workflow effektiver gestalten, um mehr Freiräume für wichtige Arbeiten zu schaffen. Das neue Haus ist für die Genossenschaft eine gute Kapitalanlage und eine nachhaltige Maßnahme, um Vermögen zu bilden und zu sichern.
Der Standort
Das für den taz-Neubau vorgesehene Baufeld liegt in einer traditionsreichen, aber durch Krieg und Stadtzerstörung geplagten Gegend, der Südlichen Friedrichstadt am südlichen Ende der Friedrichstraße. Geprägt wurde sie in den letzten Jahrzehnten durch die Halle des 1965 erbauten Blumengroßmarkts, deren Nutzer im Jahr 2008 umgesiedelt wurden. 2009 kaufte das Jüdische Museum Berlin die Halle und baute sie nach Plänen des Architekten Daniel Libeskind zur Akademie um. Für die Randbebauung der umliegenden Freiflächen entwickelte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg das Standortentwicklungskonzept »Kunst- und Kreativquartier Südliche Friedrichstadt« (PDF). Auf dessen Grundlage wurde bereits ein Teil der Baufelder in einem Bewerbungsverfahren vergeben; hierbei stand das jeweilige Konzept im Vordergrund und nicht der gebotene Grundstückspreis. Die Entscheidungen über alle Baufelder sind gefallen, die Projekte rund um den ehemaligen Blumengroßmarkt werden in den nächsten drei Jahren realisiert.
Das Grundstück
Als die taz im Sommer 2013 ihr Interesse an einem Teil eines Baufeldes signalisierte, kam sie fast zu spät. Aber es hat geklappt. Am 30. Oktober 2013 hat der Steuerungsausschuss beim Liegenschaftsfonds des Landes Berlin die Direktvergabe eines Teilgrundstücks des Baufeldes 1 am Blumengroßmarkt (Friedrichstraße 20-22, 10969 Berlin) an die taz Verlagsgenossenschaft beschlossen. Die mit der wirtschaftspolitischen Bedeutung der taz für Berlin begründete Direktvergabe zum Verkehrswert ist mit Nutzungsbindungen verbunden, die die taz mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft vereinbart hat. Inzwischen liegt ein Entwurf des Grundstückskaufvertrages vor. Auf der Basis des geltenden Bebauungsplans (VI-150d-2b) haben Abstimmungen mit den Grundstücksnachbarn stattgefunden, um für das weitere Planungsverfahren baurechtliche Sicherheit zu erhalten. Weitere Untersuchungen des Baugrundstücks auf seine Beschaffenheit sollen möglichen Überraschungen im späteren Bauablauf vorbeugen. Ein endgültiger Abschluss des Grundstücksverkaufs muss schließlich noch vom Vermögensausschuss des Abgeordnetenhauses des Landes Berlin genehmigt werden.
Planung
Wegen der städtebaulichen Bedeutung des Bauvorhabens im Rahmen des Standortentwicklungskonzepts »Kunst- und Kreativquartier« ist
im Kaufvertrag ein Architektenwettbewerb vorgesehen. Mit Ulrike Lickert hat die taz eine erfahrene Architektin gefunden, die auf die Koordination und Durchführung solcher Wettbewerbe spezialisiert ist. Frau Lickert betreute unter anderem die Realisierung des Campus Rütli in Berlin-Neukölln. Ihr letztes Projekt war der Wettbewerb zur Zentral- und Landesbibliothek auf dem ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof. Mit der Architektenkammer Berlin haben wir einen nichtoffenen Wettbewerb mit einer Teilnehmerzahl von 25 Architekturbüros und einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren vereinbart. Noch bis zum 31. März 2014 können sich interessierte Büros für den Wettbewerb bewerben.
Gesucht werden Teilnehmer in zwei Kategorien: Bewerbungen der »jungen Büros« werden sieben Teilnehmer ausgewählt, aus denen der »erfahrenen Büros« 18. Ein Gremium, dem drei VertreterInnen der taz, ein Vertreter des Bezirksamts und mindestens zwei vom Preisgericht unabhängige freischaffende ArchitektInnen angehören, wählt die TeilnehmerInnen aus. Einzelheiten zum Wettbewerb und zum Bewerbungsverfahren stehen unter www.competitionline.com/taz
Baukosten
Als Orientierung für den Architekturwettbewerb und Basis eines Finanzierungskonzeptes wurde von der Koordinatorin des Wettbewerbs ein Kostenrahmen für das Bauvorhaben nach DIN 276 erstellt. Wir rechnen mit Baukosten in Höhe von 17,895 Mio. Euro. Zusammen mit den Grundstückskosten in Höhe von 2,042 Mio. Euro ergeben sich Gesamtkosten von 19,937 Mio. Euro.
Finanzierung
Die Finanzierung soll auf mehreren Säulen aufgebaut werden:
Genossenschaftskapital: 3.000.000 Euro
Fördermittel-Zuschuss: 3.234.432 Euro
Genossenschaftskapital und stille Beteiligungen: 6.203.296 Euro
Hypothekendarlehen: 7.500.000 Euro
Genossenschaftskapital: Die taz-Verlagsgenossenschaft kann mit ihren vorhandenen Eigenmitteln in Höhe von 3 Mio. Euro den Erwerb des Grundstücks und erste Planungen (Wettbewerb) finanzieren.
GRW-Fördermittel: Die taz-Verlagsgenossenschaft hat am 27. November 2013 einen Antrag auf Förderung nach der Gemeinschaftsaufgabe »Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur« (GRW) gestellt. Der neue Standort liegt im Fördergebiet »C«, in dem an mittlere Unternehmen für förderfähige Investitionsvorhaben Zuschüsse in Höhe von 25 Prozent vergeben werden. Der Förderantrag der taz umfasst die Investitionsvorhaben Redaktionssystem und Neubau. Bezogen auf den Neubau beliefe sich der Investitionszuschuss auf ca. 3,2 Mio. Euro. Mit einer Entscheidung über den Antrag rechnen wir im ersten Quartal 2014.
Genossenschaftskapital und stille Beteiligungen: Neben den GRW-Fördermitteln und den vorhandenen Eigenmitteln der Genossenschaft wollen wir einen weiteren Anteil von 6,2 Mio. Euro an der Gesamtfinanzierung aus der taz-Genossenschaft finanzieren. Wir gehen davon aus, dass es eine breite Unterstützung für das Neubauprojekt in der taz-Genossenschaft gibt, die sich auch wie in den letzten Jahren in Aufstockungen von Geschäftsanteilen äußert. Zudem gehen wir davon aus, dass das Projekt Interesse bei vielen Menschen findet, für die es jetzt einen Grund mehr gibt, sich bei der taz-Genossenschaft zu engagieren. Als Ergänzung wollen wir allen taz-GenossInnen eine Beteiligung als stiller Gesellschafter an der taz-Verlagsgenossenschaft anbieten. Diese Beteiligung wird ausschließlich Mitgliedern der taz-Genossenschaft möglich sein. Die mögliche Ausgestaltung einschließlich der Verpflichtung zu behördlichen Genehmigungen lassen wir derzeit prüfen.
Hypothekendarlehen: Abhängig von der Realisierung der vorgenannten Finanzierungsbausteine bleibt ein Finanzierungsrest von 7,5 Mio. Euro, für den ein Annuitätendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung und 3 % Anfangstilgung in Anspruch genommen werden soll. Hierzu wurden Gespräche mit der Hausbank geführt.
Bleibt die Frage: Was passiert mit den beiden taz-Häusern in der Rudi-Dutschke-Straße? Mit Ablauf dieses Monats (März 2014) wird das letzte Bankdarlehen getilgt sein. Ein Verkauf der Häuser ist nicht beabsichtigt. Für die Genossenschaft sind sie eine gute und sichere Kapitalanlage in attraktiver Lage – und wirtschaftlich sinnvoll zu vermieten.
Wir wenden uns mit diesem kühnen, aber ebenso Erfolg versprechenden Vorhaben an unsere UnterstützerInnen und an all diejenigen, die zu UnterstützerInnen werden wollen. Wir glauben an die Zukunft der taz, weil wir an die Zukunft eines unabhängigen Journalismus glauben.
Uns bestärkt der starke Rückhalt, den die stetig wachsende taz Genossenschaft uns seit Jahren gibt. Die taz ist vor ziemlich genau 35 Jahren als Projekt zur Veränderung der Gesellschaft gestartet – und Veränderung ist auch immer Teil des eigenen Selbstverständnisses gewesen. Veränderung nicht als Selbstzweck, sondern als Weg der nachhaltigen Entwicklung. In diesem Sinne: Beteiligen Sie sich ab Herbst 2014 an der Weiterentwicklung der taz und dem Projekt taz-Neubau!
Sehr sympathisch geschrieben.
Schön, dass es bald wieder ein Verlagshaus für alle geben wird. Zurück zu alten Ufern.
Was ich mir aber schwer vorstellen kann, ist ein klassischer Neubau. Ein efeubewachsener Altbau mit großem Park dran fände ich noch passender.