Es hat ein paar Monate gedauert – aber jetzt hat die Deutsche Bank doch noch mitgeteilt, wie lange sie die Aufnahmen speichert, die sie mit einer Überwachungskamera von den Fußgängern macht, die den Boulevard Unter den Linden entlangflanieren. Dort ist nämlich in der Hausnummer 13/15 das „Deutsche Guggenheim“ untergebracht, das von der Deutschen Bank mitbetrieben wird. Eine Kamera überwacht die Fassade und den Bürgersteig. Eigentlich wollte die Bank geheim halten, wie lange sie die Aufnahmen speichert – weil sonst die Sicherheit des Hauses gefährdet sei. Doch im Bundesdatenschutzgesetz ist eine Auskunftspflicht vorgesehen, auf die ich mich bei der Recherche berufen konnte. Und nach einem Schriftverkehr, der sich über beinahe zwei Monate hinzog, sah das auch die Bank ein – und gab mir die Auskunft, die ich am Samstag in der taz veröffentlicht habe. Mal schauen, wie lang es jetzt noch dauert, bis das Museum ausgeraubt wird.
Aber der Reihe nach: Im September war ich die Route der wenige Tage später stattfindenden Demonstration „Freiheit statt Angst“ abgelaufen, die sich gegen Überwachung richtete. Ich hatte dabei nach Überwachungskameras auf der Route gesucht – und 116 Stück gefunden. Im Lokalteil Berlin der taz druckten wir dann eine Karte mit den Kamerastandpunkten, diese haben wir auch in einer Karte auf Google Maps eingetragen und die Fotos von allen Kameras auf Panoramio.
Drei der Kameras zeigten wir mit halbspaltigem Foto in der taz und wollten wissen: Welchen Zweck hat die Kameraüberwachung? Wer sieht die Aufnahmen? Werden die auch gespeichert – und wie lange? Bei einer Verkehrsüberwachungskamera am Potsdamer Platz und den Kameras vor dem Auswärtigen Amt war es kein Problem, diese Informationen zu erhalten. Anders bei der Deutschen Bank. Die Pressesprecherin des Deutsche Guggenheim verwies mich an einen Sicherheitsbeauftragten, der reichte mich an einen Sprecher der Deutschen Bank weiter und der teilte mir mit, dazu könne er aus Sicherheitsgründen keine Angaben machen.
Doch jedermann darf von einem Unternehmen Auskunft darüber verlangen, welche Daten dort über ihn gespeichert sind – so ist es in § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes festgelegt. Am 14. September wandte ich mich also per Post an den Datenschutzbeauftragten der Deutschen Bank (jedes Unternehmen, das personenbezogene Daten automatisiert verarbeitet, muss gemäß § 4f des Bundesdatenschutzgesetzes einen solchen Beauftragten benennen) und verwies dabei ausdrücklich auf die Auskunftspflicht gemäß Bundesdatenschutz hin. Die Anfrage wurde intern offenbar an die Presseabteilung weitergeleitet, die sich nun wieder bei mir meldete – mit der Information, die Daten seien inzwischen gelöscht worden. Nach mehreren Nachfragen kam dann am 9. November (knapp zwei Monate nach Beginn des Schriftwechsels) die Antwort: Die Aufzeichnung wurde eine Woche lang gespeichert. Keine Ahnung, wie die Deutsche Bank zuerst darauf kam, sie dürfe dies aus Sicherheitsgründen nicht bekannt geben. Das wäre höchstens dann der Fall, wenn sie die Aufnahmen überhaupt nicht speichert: Dann könnte ein Einbrecher sich animiert sehen, jetzt in das Museum einzusteigen. Aber wenn die Aufnahmen eine Woche gespeichert werden: Dann müsste ein Einbrecher schon darauf hoffen, dass der Einbruch erst nach dem Ablauf einer Woche entdeckt wird. Bei einem Museum, das gut besucht ist und an nur zwei Tagen im Jahr geschlossen ist, ist das wohl ausgeschlossen. Mein Eindruck ist, dass die Deutsche Bank die Begründung nur vorgeschoben hat. Manchmal glaube ich, wenn in der Pressestelle mancher Bank eine Anfrage ankommt, die man nicht beantworten kann oder für die man gerade keine Zeit hat, dann wird der Zufallsgenerator angeworfen, der eines der folgenden Schlagworte auswirft: „Datenschutz“, „laufendes Verfahren“, „Bankgeheimnis“, „Sicherheitsgründe“ oder „Aktiengesetz“.
Im Lokalteil Berlin haben wir nun zu dem Thema in der Samstagsausgabe eine Seite 3 gemacht: Wie werden wir in der Öffentlichkeit, in Geschäften und Arztpraxen mit Kameras überwacht? Unter welchen Voraussetzungen ist Kameraüberwachung erlaubt? Was kann der Landesdatenschutzbeauftragte unternehmen, wenn zu Unrecht gefilmt wird? Und welche Hinweis- und Auskunftspflichten haben Kamerabetreiber? In einem Kasten haben wir dann die Erfahrungen mit der Deutschen Bank als Beispiel dafür genannt, wie Unternehmen ihre Auskunftspflichten zu ignorieren versuchen. Der Text steht auch hier online.
Hier nun der Schriftwechsel mit der Deutschen Bank. Die Namen der Bankmitarbeiter habe ich anonymisiert. Meine Mailadresse habe ich zum Schutz vor Spam verändert.
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An: Deutsche Bank AG
Datenschutzbeauftragter gemäß § 4f BDSG
Theodor-Heuss-Allee 70
60262 Frankfurt am Main
Berlin, den 14. September 2009
Auskunft über die Speicherung personenbezogener Daten
Sehr geehrter Datenschutzbeauftragter, sehr geehrte Datenschutzbeauftragte!
Hiermit bitte ich gemäß § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) um Auskunft, wie lange die Aufnahmen gespeichert werden, die eine Überwachungskamera der Deutschen Bank vor dem Deutsche Guggenheim, Unter den Linden 13/15 in Berlin am Donnerstag, den 10. September 2009, um 14:46 Uhr von mir angefertigt hat.
Ich arbeite als Journaliste für die Tageszeitung „die tageszeitung“. Für unserer Ausgabe vom 12. September 2009 planten wir, über die Demonstration „Freiheit statt Angst“ zu berichten, die sich gegen den Überwachung wendet (siehe Anlage). Um das Thema journalistisch aufzubereiten, wollten wir den Umfang der Überwachung durch Kameras im öffentlichen Raum dokumentieren. Am 10. September 2009 ging ich daher vorab die Route der Demonstration ab und dokumentierte, an welchen Orten sich sichtbare Überwachungskameras befinden.
An drei Beispielen wollten wir darstellen, welchen Zweck diese Überwachung hat und was mit den Aufnahmen geschieht. Diese Beispiele waren eine Verkehrsüberwachungskamera am Potsdamer Platz, die Kamera vor dem Deutsche Guggenheim und eine der Kameras vor dem Auswärtigen Amt. Auf meine Anfragen erläuterten die Senatsverwaltung für Verkehr sowie das Auswärtige Amt, dass die Aufnahmen nicht gespeichert werden. Von der Deutschen Bank erhielt ich dagegen auf meine Anfrage keine Auskunft. *** ***, die für die Pressearbeit der Deutsche Guggenheim zuständig ist, verwies mich an *** ***, der für die Sicherheit zuständig ist, dieser verwies mich an einen Sprecher der Deutschen Bank, der mir mitteilte, zu sicherheitstechnischen Fragen könne er generell keine Angaben machen.
Ich beantrage daher nun auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes Auskunft darüber, ob und wie lange die Aufnahmen gespeichert werden. Zu dem anfangs genannten Zeitpunkt habe ich mich vor der Fassade des Hauses aufgehalten. Während ich die Kamera fotografierte, bin ich auch selbst in deren Blickfeld geraten. Bei der Aufnahme mit Hilfe einer Überwachungskamera handelt es sich um eine Erhebung personenbezogener Daten im öffentlichen Raum (§ 3 Absatz 3 BDSG). Lediglich die beiläufige zufällige Wahrnehmung wäre keine Erhebung (Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2007, § 3 Rz. 23). Hier erfolgt jedoch eine gezielte Aufnahme eine bestimmten Ortes zu dem Zweck, die Personen aufzunehmen, die sich dem Gebäude nähern. Es handelt sich um personenbezogene Daten über Betroffene, da festgestellt wird, dass die Personen mit einem spezifischen äußeren Erscheinungsbild sich an diesem Ort befunden hat. Gemäß § 34 BDSG haben Sie daher die gewünschte Auskunft zu erteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Heiser
Anlage
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Von: ***.***@db.com
Datum: 1. Oktober 2009 17:42
Betreff: Ihre Anfrage vom 14. September 2009
An: sebastian-heiser@taz.de
Sehr geehrter Herr Heiser,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 14. September 2009 bezüglich der Speicherung personenbezogener Daten.
Bei der Kameraüberwachung für das Gebäude Unter den Linden 13/15 in Berlin handelt es sich um eine Beobachtung eines öffentlich zugänglichen Raumes mit Hilfe optisch-elektronischer Einrichtungen gemäß § 6b BDSG. Die kameragestützte Überwachung ist im Hinblick auf die Sicherheitslage und die Exponiertheit des Gebäudes zur Wahrnehmung des Hausrechts und Beweissicherung im Falle von Beschädigungen und anderen Straftaten notwendig.
Die Aufzeichnung erfolgt in Zeitscheiben, die revolvierend überschrieben werden. Die Kameraüberwachung wird für keinen anderen Zweck genutzt.
Da wir folglich aus der Kameraüberwachung keine personenbezogenen Daten über Sie erhoben haben, können wir Ihre Anfrage dahingehend beantworten, dass die Deutsche Bank AG aus der Kameraüberwachung keine Daten zu Ihrer Person gespeichert hat.
Mit freundlichen Grüßen
*** ***
Deutsche Bank AG
Presseabteilung
Theodor-Heuss-Allee 70
60486 Frankfurt am Main
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Von: Sebastian Heiser
Datum: 1. Oktober 2009 17:48
Betreff: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009
An: ***.***@db.com
Sehr geehrter Herr ***,
vielen Dank für Ihre Antwort. Nach welchem Zeitraum werden die
Aufzeichnungen denn überschrieben? Wie lange wurde die Aufzeichnung
von meinem Bild gespeichert?
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Heiser
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Von: Sebastian Heiser
Datum: 29. Oktober 2009 09:20
Betreff: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009
An: ***.***@db.com
Sehr geehrter Herr ***,
wie ist denn der aktuelle Stand der Dinge bei der Bearbeitung meiner
Nachfrage von vor vier Wochen?
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Heiser
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Von: Sebastian Heiser
Datum: 3. November 2009 13:06
Betreff: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009
An: ***.***@db.com
Sehr geehrter Herr ***,
ist meine Nachfrage von vor fünf Tagen bei Ihnen angekommen?
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Heiser
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Von:***.***@db.com
Datum: 4. November 2009 11:30
Betreff: Antwort: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009
An: sebastian-heiser@taz.de
Sehr geehrter Herr Heiser,
Entschuldigung, dass wir Ihnen noch nicht geantwortet haben. Ihre Nachfragen vom 1. und 29. Oktober sind eingegangen. Leider gab es eine Verzögerung auf unserer Seite. Sie werden aber spätestens am kommenden Montag von mir eine Antwort erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
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Presseabteilung
Deutsche Bank AG
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Von: ***.***@db.com
Datum: 9. November 2009 19:00
Betreff: Antwort: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009
An: sebastian-heiser@taz.de
Sehr geehrter Herr Heiser,
Entschuldigen Sie bitte die späte Beantwortung Ihrer Nachfrage.
Aufzeichnungen werden innerhalb von einer Woche gelöscht/überschrieben. Wie Ihnen in unserem Schreiben vom 1. Oktober 2009 bereits mitgeteilt, haben wir aus der Kameraüberwachung keine personenbezogenen Daten zu Ihrer Person gespeichert. Insofern können wir zu einer etwaigen Aufnahme Ihrer Person auch keine Aussage treffen. Im Hinblick auf das von Ihnen genannte Datum 10.9.2009, 14:46 Uhr können wir bestätigen, daß die Kameraufzeichnung dieses Tages innerhalb der o.g. Zeitspanne gelöscht wurde.
Mit freundlichen Grüßen
*** ***
Presseabteilung
Deutsche Bank AG