von 11.12.2009

taz Hausblog

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Bettina Ismair kümmert sich mit der Initiative „Offenes Haus – Offenes Herz“ um Familien mit Migrationshintergrund und vor allem um die Kinder. Im September hatte sie den taz Panter Preis erhalten.

Foto: Rolf Zöllner
Foto: Rolf Zöllner
Jetzt sind es fast schon wieder drei Monate seit der Verleihung des taz Panter Preises. Ich habe inzwischen schon mehr als 1.000,- Euro meines Preisgeldes ausgegeben – in erster Linie für Bekleidung und Schuhe für die Kinder. Die Wirtschaftskrise ist jetzt deutlich spürbar auch im reichen Bayern angekommen und die sozial Schwachen sind natürlich am schlimmsten betroffen. Da bleibt wirklich kein Geld mehr für Kinderstiefel in einer Nummer größer o. ä.! Gottseidank ist der Winter bisher noch nicht so kalt gewesen (und das Öl nicht ganz so teuer), so dass wenigstens hier noch keine so große Not war. Einige Male bin ich auch schon mit ein paar Leuten zum Essen gegangen – in ein Restaurant – welch‘ unvorstellbarer „Luxus“ für diese Menschen. Aber ich denke, so etwas darf (muss?) auch einmal sein – nicht nur immer das unbedingt Lebensnotwendige.

Am meisten beschäftigt hat mich in den vergangenen Wochen das Schicksal von Agnes (das elfjährige Mädchen, das die Wirbelsäulenkrankheit Skoliose hat und so dringend ein Korsett benötigte) und ihrer Familie (alleinerziehende Mutter mit einer weiteren Tochter). Ich weiß nicht mehr, wie viele Telefonate ich geführt und wie viele Briefe und E-mails ich geschrieben habe. Die Bürokratie in Deutschland ist entsetzlich (sogar für mich, die ich ja aus der Verwaltung komme und deren Jargon beherrsche) und die „Arge“ bzw. die „Agentur für Arbeit“ machen ihrem Namen wirklich alle Ehre! Inzwischen hat sich mehr oder weniger alles geklärt, Mutter und Kinder sind wieder krankenversichert und das Korsett (zumindest das erste jetzt) wird von der AOK bezahlt.

Ich war und bin in dieser Zeit in ständigem Email-Kontakt mit Herrn Dr. Bernd Reuter, der die angekündigte Spende von 3.000,- Euro für Agnes überwiesen hat. Herr Dr. Reuter wird uns voraussichtlich an Weihnachten besuchen, um Agnes selbst kennenzulernen. Sie hat ihr Korsett Mitte Oktober bekommen und muss es jetzt Tag und Nacht tragen – und das voraussichtlich die nächsten 5 bis 6 Jahre! Natürlich wird immer wieder ein neues Korsett angepasst werden müssen, da Agnes ja noch wächst. Sie braucht spezielle Kleidung, sehr viel Krankengymnastik nach einer besonderen Methode, die nur ganz wenige Praxen anbieten, und natürlich auch sehr viel psychische Unterstützung. Herr Dr. Reuter weiß das und will Agnes die nächsten Jahre nicht nur finanziell begleiten. Das ist wirklich großartig!

Daneben versuche ich natürlich, jeden Besuch beim Arzt bzw. in der Klinik für Agnes ein bisschen „schöner“ zu machen, d. h. wir gehen dann immer zu McDonalds, waren auch schon einmal im Kino und beim Schwimmen. Agnes ist sehr tapfer und glücklich, auch wenn sie Schmerzen hat. Die Aufmerksamkeit und Zuwendung, die sie jetzt erhält, lässt sie staunen und ihre Krankheit als durchaus positiv annehmen. Sie ist ein sehr liebes Mädchen und ich würde ihr sehr gerne ihren größten Wunsch, nämlich „einmal zu fliegen“, erfüllen. Vielleicht kommen wir im Frühsommer mal für ein Wochenende nach Berlin – und machen einen Besuch in der taz.

Auch bei mir selbst bzw. beim „Offenen Haus“ hat der Preis doch noch einiges in Bewegung gesetzt. Nachdem es ja am Anfang so ausgesehen hat, als würde hier keiner etwas davon wissen (wollen), obwohl es ja in den örtlichen Zeitungen stand, soll jetzt immerhin eine größere Reportage erscheinen. Lassen wir uns überraschen. Ach ja, und ich hatte zwischenzeitlich auch Besuch vom „Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung“. Er war gut zwei Stunden hier, sah sich in Markt Schwaben ein bisschen um und trank eine Tasse Kaffee bei mir.

Am 19. Dezember habe ich alle Kinder vom „Offenen Haus“ in ein Theaterstück für Kinder eingeladen („Herr der Diebe“), das bei uns am Ort stattfindet. Ich habe mir sagen lassen, dass allein die Kulissen großartig sein müssen, und ich freue mich jetzt schon sehr auf die Augen der Kinder! Vielleicht ergibt sich ja eine Möglichkeit, ein Foto unserer Gruppe im Theater zu machen – das werde ich Ihnen dann auf jeden Fall zukommen lassen. Alle Mütter habe ich ebenfalls in ein Theater eingeladen: Ende Januar gibt das Stadttheater Landshut das Musical „My fair Lady“ in der deutschen Urspungsversion. Ich denke, das wird auch allen Spaß machen und ist etwas ganz Besonderes. Die meisten Frauen waren ja noch nie in ihrem Leben in einem Theater.

Noch einmal tausend Dank für den taz Panter Preis! Mit dem Geld lässt sich nicht nur unmittelbare Not lindern, sondern – und das ist meines Erachtens fast noch wichtiger – den Menschen wenigstens für ein paar Stunden Hoffnung und Würde geben! Ganz herzliche Grüße aus Bayern!

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