vonHelmut Höge 08.05.2009

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Dieses Photo schickte uns der Hausmeister der in Zürich ansässigen US-NGO „Europe Watch“, Micky Kowalewski. Es zeigt seine Frau auf dem höchsten Poller des Markusplatzes – oder wo auch immer. Micky vergaß zwar nicht, Peter Grosse, der das Photo dann weiterleitete, mitzuteilen, in welcher Stadt und auf welchem Platz seine Frau für ihn posiert hatte im Urlaub, aber da sie in jeder Stadt und auf jedem Platz, den sie während ihres diesjährigen Europa-Trips besichtigten, auf einen Poller steigen mußte, um sich von Micky ablichten zu lassen, kamen sie hinterher durcheinander – und hoffen nun, dass einer, der das Photo hier sieht, ihnen (und uns) weiterhelfen kann – mit der Identifizierung des Platzes.

Eigentlich müßte man fortan bei diesen und ähnlichen „Werken“ von FM-Kunst sprechen, auch Micky nennt sich FMler. Er hat zwar nicht „Facility Management“ studiert – bedauert das aber inzwischen. Über den FM-Studiengang in Zürich/Winterthur schickte er uns noch folgenden Beitrag. Es geht darin um die Frage, wer auf diese Schnapsidee gekommen ist – FM-Studiengänge einzurichten:

Prof. Thomas Wehrmüller ist Leiter des Instituts für Facility Management an der ZHAW Wädenswil. Didem Dogan und Sarah Schöni vom Online-Magazin der ZHAW stellen ihm ein paar Fragen zum Thema: Standortwechsel für den Facility Management-Studiengang.

Didem Dogan und Sarah Schöni: Wie ist der FM- Studiengang in die Schweiz gekommen?
Thomas Wehrmüller: Im Jahr 1997 wurde aus der Ausbildung zur Hauswirtschaftlichen Betriebsleiterin HHF ein Fachhochschulstudiengang. Wir hatten vom Bund die Auflage, den Studiengang stärker auf die strategische Führung auszurichten. Ich habe mich in Holland inspirieren lassen und bin so auf den Studiengang Facility Management (FM) gekommen.
2001 entschied auf unseren Antrag hin dann der gesamte Bundesrat, dass dieser Studiengang FM heissen wird.

Wie ist die Idee entstanden den Standort für die FM- Studierenden nach Winterthur zu verlegen?
Wehrmüller: 1997 waren sich die Vertreter des Bundes und des Kantons Zürich nicht einig, ob das Facility Management von Zürich nach Wädenswil oder nach Winterthur verlegt werden soll. Dann hat der Kanton Zürich sich für Wädenswil entschieden. Im Hinblick auf die Gründung der ZHAW wurde die Frage neu aufgeworfen, weil FM in der Definition des Bundes zum Fachbereich Wirtschaft und Dienstleistungen gehört. Zwei verschiedene Varianten standen sich gegenüber: FM bleibt ein eigenständiger Studiengang, oder FM wird nur noch eine Vertiefungsrichtung des Betriebsökonomiestudiums in Winterthur. Weil sich das FM so gut entwickelt hat, hat sich der Fachhochschulrat vor drei Jahren für einen eigenständigen Studiengang und für Wädenswil entschieden. Wegen Raumproblemen wurde diese Frage nun neu aufgeworfen.

Das klingt spannend, was sind denn die Hauptgründe, dass der Studiengang FM in Wädenswil bleibt und nicht nach Winterthur geht?
Wehrmüller: Bei den Raumproblemen haben sich zum Zeitpunkt des Entscheides verschiedene Lösungen abgezeichnet. FM hat sich in Wädenswil sehr gut integriert und entwickelt und ist zum Beispiel mit seiner Vertiefungsrichtung Consumer Science auch für den Studiengang Lebensmitteltechnologie wichtig.

Also 1. kommt die Idee, „FM“ als Studienfach anzubieten nicht wie das Studienfach „Undertaker“ aus den USA, sondern aus Holland – von wo aus man einst anfing, erst Europa und dann die ganze Welt zuzupollern (anfänglich mit den sogenannten „Amsterdamertjes“), und 2. handelt es sich bei diesen FM-Studiengängen um eine Umetikettierung (Not-Relaunch) des vom Feminismus quasi schon abgewickelten Studiengangs „Hauswirtschaft“ – auch Hauswartung genannt – an den entsprechenden Fachschulen und Fachhochschulen. Dort, wo man früher Kochen und Abwaschen lernte werden nun Poller in 3D entworfen und die Funktionsweise von Schneeräumgeräten gelehrt sowie den Umgang mit menschlichen Funktionsträgern. So sollte es jedenfalls sein, wie üblich ist jedoch mit der Amerikanisierung eines Studienbereichs auch der ganze Inhalt ausgetauscht: Es geht nicht mehr ums Tun, whatshowever, sondern ums managen. Und da ist auch was Wahres dran: Selbst ich als Aushilfshausmeister mache nichts mehr selber, sondern rufe einfach irgendeine beschissene Dienstleistungsfirma an – und die schickt dann ihre Billiglohnsklaven (Fachleute genannt) los. Oggi, qui,subito! Die Telefonnummern dieser Firmen stehen in meinem Aktenordner unter „W“ – wie „Wartungsverträge“. Ich muß den nur noch aufschlagen – und die entsprechende Nummer wählen. Demnächst wird meine Tätigkeit sogar noch anspruchsloser, denn dann sind alle Hausmeister-Akten eingescannt und ich finde die Telefonnummern der Dienstleistungsfirmen „easy“ auf oder in meinem Computer, der wiederum mit dem taz-zentralcomputer aufs Engste verbunden ist.

Merke: Je amerikanischer desto verblödender! Der endgültige Tiefpunkt, die finale Vegetabilisierung, ist mit der Einordnung des Studiengangs „FM“ in die „Consumer Science“ erreicht. Da geht es dann überhaupt nicht mehr um Produktion, Produzenten, Produktionsverhältnisse, Produktivkräfte – ums Tun (in einer wie zerstörten Einheit von Kopf- und Handabreit auch immer), sondern nur noch um eins: „Konsumiert – damit helft ihr dem Land am meisten!“ Dies war die Parole sowohl von John Maynard Keynes während der Weltwirtschaftskrise als auch vom New Yorker Bürgermeister nach dem Einsturz der zwei Türme des großkotzig Welthandelszentrums genannten Bürohochhauses in Manhattan. Bei der jetzigen Finanzkrise spricht man in Deutschland verschämt von „Abwrackprämie“ – das meint aber das selbe: Ihr postfaschistischen deutschen Konsumentenschweine, das wissen wir, habt nur ein Interesse „Fressen Ficken Fernsehen!“ und ab und zu mal nach draußen gehen, auf der Suche nach einem „Schnäppchen“!

Primatenforscher haben kürzlich festgestellt, dass das auch für die vergleichsweise munteren amerikanischen Kapuzineraffen noch gilt – der Branchenführer spiegel-online erfuhr es als erstes: von einer US-Zeitschrift via deutscher Nachrichtenagentur. Natürlich wurden daraus flugs blöde Projektionen ökonomischer Idiotien des Spätkapitalismus auf die ursprünglich reine „Mutter Natur“, aber trotzdem was ganz Lustiges, außerdem noch viel darwinistischer als Darwin selbst:

Auch Affen schätzen Schnäppchen

Die Rabattaktion war ein voller Erfolg: Die für den halben Preis angebotenen Geleewürfelchen gingen weg wie warme Semmeln, und selbst Großeinkäufe waren keine Seltenheit. Nicht reduzierte Ware hatte dagegen einen eher schweren Stand, selbst die sonst sehr beliebten Äpfel. Eine alltägliche Situation? Im Prinzip schon – nur, dass es sich bei den Schnäppchenjägern nicht um Supermarktbesucher handelte, sondern um Kapuzineräffchen.

Die haarigen Gesellen und ihre Verwandten können nämlich fast genauso gut mit Geld umgehen wie Menschen, berichtet das Magazin „Bild der Wissenschaft“ in seiner April-Ausgabe. Dabei gehören sie sonst nicht gerade zu den Tieren, die durch überragende Intelligenz von sich reden machen: Sie erkennen sich nicht im Spiegel, gucken sich nur höchst selten Fähigkeiten von Artgenossen ab und rücken erst Recht nicht freiwillig Dinge wieder heraus, die sie einmal für sich erobert haben. Trotzdem können aus den kleinen Affen innerhalb weniger Monate wahre Finanzjongleure werden, wie bereits mehrere Forscherteams nachweisen konnten.

Da ist zum Beispiel die Sache mit der Kaufkraft. Als die beiden US-Forscher Sarah Brosnan und Frans de Waal bei ihren Kapuzineraffen unterschiedlich große Granitstückchen als Zahlungsmittel einführten, verstanden die Tiere recht schnell, dass ihre „Münzen“ nicht alle gleich wertvoll waren – und dass man nur mit den größeren die wirklich leckeren Gemüsesnacks erstehen konnte. Auch Sparen ist keine rein menschliche Erfindung, zeigen etwa die Schimpansen der portugiesischen Anthropologin Claudia Sousa: Sie zweigten einen Teil der Münzen, die sie als Belohnung bekamen, gleich ab und legten sie auf die hohe Kante.

Manchmal bringt Geld jedoch auch bei unseren pelzigen Vettern unangenehme Charaktereigenschaften ans Tageslicht. So erfand einer der Kapuzineraffen spontan das Konzept des Betrugs: Er bekam eine Gurkenscheibe in die Finger, die oberflächlich betrachtet den sonst verwendeten Münzen ähnelte, und versuchte sofort, sie dem Forscher unauffällig unterzuschieben. Auch Diebstahl konnten die Wissenschaftler bereits beobachten – sogar einen Fall von käuflicher Liebe, in dem Weibchen einem Männchen für Geld Sex gestattete. Den Verdienst setzte die Dame anschließend direkt in Naturalien um: Sie kaufte sich ein paar leckere Trauben.

Betrug und Prostitution

Genau wie beim Menschen diktiert auch bei den Affen in den meisten Fällen das Streben nach dem größtmöglichen Gewinn das Verhalten. Das ändert sich jedoch, wenn sich die Tiere übers Ohr gehauen fühlen: Beobachten sie beispielsweise, dass ihr Käfignachbar für den gleichen Geldbetrag eine Weintraube bekommt, für den sie selbst nur eine ungeliebte Gurkenscheibe erhalten haben, verschmähen sie vor Wut ihren Kauf – und machen die Ungerechtigkeit damit noch schlimmer. Das gibt es auch beim Menschen, wissen Verhaltensökonomen aus einer ganzen Reihe von Studien. Im Notfall verzichten menschliche Probanden sogar auf Gewinne, um unfaire Geschäfte zu bestrafen. So zeigt man, dass man sich nicht so leicht betrügen lässt und erzieht den anderen gleichzeitig dazu, die Regeln gefälligst einzuhalten.

Und noch eine Eigenheit in Finanzdingen teilen Mensch und Affe, berichtet „Bild der Wissenschaft“: Bei beiden ist die Angst vor einem Verlust größer als die Freude über einen Gewinn. Gut illustriert wird dieses Prinzip durch ein Spiel, das Keith Chen und Laurie Santos von der Yale-Universität mit einigen Kapuzineräffchen machten. Dabei mussten die Affen für ein Obststück eine Münze auf den Tisch legen, bekamen aber bei jedem zweiten Einkauf gratis ein zweites Stück obendrauf. Dann drehten die Forscher das Spiel um: Die Probanden bekamen für eine Münze offiziell zwei Obststücke, wurden aber in jedem zweiten Tauschhandel um eines davon betrogen.

Obwohl die Chancen objektiv betrachtet völlig gleich waren – in beiden Fällen bekamen die Affen abwechselnd ein oder zwei Obststücke – mochten die Tiere das zweite Spiel überhaupt nicht: Durften sie zwischen den beiden Varianten wählen, entschieden sie sich in 75 Prozent der Fälle für das erste Spiel. Auch Menschen haben eine starke Abneigung gegenüber Situationen, in denen ihnen Verluste drohen, und ziehen Bonussysteme selbst dann vor, wenn sie im Endeffekt weniger einbringen als die Alternative. Zusätzlich steigt ein Objekt in dem Moment auf der persönlichen Skala im Wert, in dem man es in Besitz nimmt – ein Phänomen, das auch „Endowment-Effekt“ genannt wird.

Aus diesem Grund verkaufen Hausbesitzer ihre Häuser sogar dann nur sehr zögerlich unter dem selbst gezahlten Preis, wenn sie monatlich immense Summen hineinstecken müssen. Peter Hammerstein, Wirtschaftswissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität, erklärt es so: „Dieser Instinkt hat zur Folge, dass der Erstinhaber bereit ist, viel mehr in den Erhalt seines Besitzes zu investieren, als Eindringlinge aufbieten wollen, um dem Eigentümer das Gut abzuluchsen“ – und das gilt für Menschen wie für Affen.

Die Biologie und Anthropologie gehen hier gleitend in „Consumer Science“ über, und en passant wird dabei auch noch das das angeblich älteste Gewerbe der Welt „dekonstruiert“, wie man heute vornehm zu sagen pflegt (es ist geradezu ein neues Tuwort geworden!): Die Prostitution kam nicht mit den ersten Münzen in den Tempeln Mesopotamiens auf, sondern mit den ersten Affen, vielleicht gab es sie sogar noch viel früher. Ich sehe jedenfalls schwarz für das (schier widernatürliche) „schwedische Modell“ – der Bestrafung von Freiern.

Zurück zu den Pollern – auch da tut sich was, im öffentlichen Raum:

1. Ein paar Tage vor den 1.Mai-Demonstrationen meldete „indymedia.org“ aus Berlin der linken Öffentlichkeit:

Die Polizei will die Route der Mayday Parade am 1. Mai durch die Berliner Innenstadt nicht genehmigen. Dies erklärte sie den Organisatoren im Anmeldergespräch. Als Gründe wurden verkehrstechnische Aspekte sowie mangelnde personelle Kapazitäten angegeben. Knackpunkt der eingereichten Route die Bezirkedurch Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg ist die Friedrichstraße.

Die Polizei beruft sich auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin zur ‚Wir zahlen nicht für eure Krise‘ Demonstration vom 28.03.09. In diesem wird aus verkehrstechnischen Gründen eine Demonstration in der Friedrichstraße untersagt. Als Begründung dienen die dortigen [blauen] Poller vor den Eingängen zu den U-Bahn Stationen und die Poller an den Bürgersteigen.

Die Mayday-Veranstalter sehen nun im Bereich Friedrichstraße/Charlottenstraße „das grundgesetzlich verankerte Demonstrationsrecht außer Kraft gesetzt“ und planen, juristisch dagegen vorzugehen. Bei der Polizei wiegelt man ab: Noch sei nichts entschieden. Über die Route werde in „guten und intensiven Gesprächen“ verhandelt, so Polizei-Sprecher Bernhard Schodrowski, aber, gab er dann zu bedenken: „Unsere ausgestreckte Hand ist alternativlos!“

2. Kurz darauf startete der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses Uwe Lehmann-Brauns (CDU) bereits eine Entpollerungskampagne, allerdings nur für die der Friedrichstraße benachbarte Wilhelmstraße – indem er öffentlich anklagte/ fragte, ob die Abpollerung „der gesamten Wilhelmstraße vor der englischen Botschaft aus Sicherheitsgründen noch erforderlich oder absehbar aufzuheben ist“. Lehmann-Brauns begründet seine mitte-populistische Initiative damit, dass die Dauer-Sperrung zu einer „verstopfenden Umleitung des PKW-Verkehrs und zu einem begrenzten, aber fühlbaren Stadtverlust“ führe.

Man könnte die Poller – wie bei der Botschaft Israels, an der Synagoge in der Oranienburger Straße oder an den drei Seiten der neuen amerikanischen Botschaft – parallel zu diesen Gebäuden aufstellen und für Autos ein Halteverbotsschild aufstellen, schlug er vor. Der Durchgangsverkehr in der Wilhelmstraße würde den Fluss von zwei Verkehrsadern erheblich beschleunigen, zumal der Betrieb rund um das Holocaust-Mahnmal durch eine sprunghaft gestiegene Touristenzahl in letzter Zeit erheblich zugenommen habe.

Halten wir abschließend fest: Industriepoller von Staats wegen im öffentlichen Raum einpflanzen , und zwar massenhaft, gefährdet die Grundrechte und führt zu Stadtverlust. So gesehen zeigt das obige Photo bzw. die darauf abgebildete Frau des Hausmeisters, Margot Kowalewski, an einem x-beliebigen Beispiel, wie man auf den abgepollerten Plätzen des neuen Europas trotzdem demonstrieren kann.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausmeisterkunst_318/

aktuell auf taz.de

kommentare