vonHelmut Höge 04.04.2009

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Zu Deutsch: Facility Management Science. Doch doch das gibt es!

Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, eine Ost-West-Zwangsfusion, die erst in Karlshorst und nun in Oberschweineöde – in den leeren Fabrikgebäuden des Kabelwerks Oberspree (KWO) – angesiedelt wurde, diese FHTW bietet als erste deutsche Hochschule einen Studiengang „Facility Management“ an, FM von den Professoren liebevoll genannt, wie mir neulich ein junger Araber, der das studiert, in der U6 in Richtung Neukölln verriet.

Natürlich gab es auch schon früher solche Studienangebote, an den reformfreudigen Universitäten Bremen und Oldenburg beispielsweise. Ich habe selber dort mehrere FM-Seminare besucht und an der Uni Oldenburg dann ein Jahr als Tutor für den FM-Bereich gearbeitet, als solcher war man damals noch im Gründungsausschuß der Uni angesiedelt, denn sie war erst im Aufbau und „meine“ Studenten, das waren alles Oldenburger Hausfrauen mit Kindern, die aus dem Haus waren, wie man so sagt, und deren Mütter nun über das Begabtenabitur dort studieren wollten, so daß die Kurse genaugenommen nicht FM-Studienbereichsangebote waren, sondern zur Vorbereitung ihrer Begabten-Abi-Prüfung und damit der Immatrikulation dienten.

Wenn ich diese ganzen FM-Voraussetzungen nicht gehabt hätte, hätte ich nie Aushilfshausmeister bei der taz werden können, wo ich es nebenbeibemerkt ja auch u.a. wieder mit Müttern zu tun habe, deren Kinder wenigstens teilweise bereits „aus dem Haus“ sind, zu schweigen von den ganzen Vätern.

Mein erstes FM-Seminar an der Uni Bremen leitete der marxistische Erkenntnistheoretiker Alfred Sohn-Rethel, ihm assistierte der Kopf- und Hand-Wiederzusammenfüger Gustav von Campe, der Sohn-Rethel auch an die Uni Bremen geholt hatte. Es ging in dem „Projektstudium“ um die „Maschinisierung von Kopfarbeit bei den Dienstpeseln“, also darum, dass auch bei den FMs (die, wie wir ja wissen, im Ostblock und in Russland sogar schon lange vor der Revolution mit den IMs identisch waren) alles mehr und mehr mit Computern erledigt wird. Das habe ich bereits 1973 in Bremen gefressen (sonst könnte ich ja auch heute gar keine Einträge in meinen elektro-blog stellen, zu schweigen von Photos, Skizzen, Diagrammen und ähnlich kompliziertem Scheiß, den man vorher noch bearbeiten muß, weil er z.B. oft auf dem Kopf steht – siehe dazu „Hausmeisterkunst“ Nummer 17, 212 und 301).

Apropos: Quasi als Nebenhörer habe ich damals auch noch an der Kunsthochschule am Wandrahm zwei Kurse in „Hausmeisterkunst“ belegt, die Professor Waldemar Otto bei den Bildhauern im Keller anbot – in der Hauptsache ging es dabei natürlich um Pollerkunst. Überhaupt haben die Bremer Bildhauer und die Hausmeister dies gemeinsam, das sie „ganz unten“ angesiedelt sind – in architektonischer bzw. hausorganisatorischer (hierarchischer) Hinsicht. An der Bremer Kunsthochschule hatte nicht nur die Bildhauerei ihr Domizil im Keller, sondern auch der Hausmeister – Herr Vielgut. Die Hauswarte hatten oft sogar nur einen kleinen Verschlag unter der Kellertreppe zur Verfügung. Siehe dazu den blog-eintrag vom 15.6.2008 mit einem längeren Text zur Geschichte der „Hausmeister in Wien“ von Peter Payer. An einer Stelle wird dort die “Arbeiterzeitung” zitiert, sie bezeichnet die Hausmeister als ein “notwendiges Organ unseres Wirtschaftslebens, welches eine Kreuzung zwischen Kapitalismus und patriarchalischen Lebensgewohnheiten darstellt.” Das galt in Berlin mindestens noch bis in die Achtzigerjahre, wie Johannes Groschupf gerade in seinem Hausmeister-Roman „Hinterhofhelden“, der in Neukölln spielt, herausarbeitete. Ich erinnere in diesem Zusammenhang außerdem an den weltberühmten Roman „Hausmeister-Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ von Fjodor Dostojewski, der seinen Namen ehrenhalber von der Petersburger Hausmeistervereinigung
verliehen bekam seinerzeit (eigentlich hieß er Iwan Iwanowitsch), sein neuer Schriftstellernamen leitete sich aus dem damals bekannten deutsch-russischen Hauswartspruch „Je doller dosto jewski“ her. Gemeint war damit: Je mehr Kinder im Hausflur herumtoben, dosto schärfere Gegenmaßnahmen muß der Hauswart ergreifen, damit sie ihm nicht auf der Nase herumtanzen. Gleiches galt für etwaige staatsfeindliche Umtriebe seitens der Mieter in den Grenzen seines, des Hauswarts, Machtbereich.

Das zweite FM-Seminar an der Uni Bremen, an dem ich teilnahm, leitete der Velikovskyaner Gunnar Heinsohn, es ging dabei um die Frage: „Kann man sich ein Zusammenleben von vielen Familien und Singles vorstellen – ohne irgendeinen Hausmeister?“ Das war kein bloßes Utopie-Hauptseminar, sondern sollte am konkreten Beispiel der israelischen Kibbuzim beantwortet werden. Heinsohn hatte vor dem Seminar versucht, in einem neugegründeten Kibbuz Fuß zu fassen, nach dem Seminar veröffentlichte er ein ganzes Suhrkamp-Buch darüber. Er konnte 1974 natürlich noch nicht wissen, dass die Kibbuzim in den Achtzigerjahren dazu übergingen, ihre Einrichtungen zu privatisieren und massenhaft Hausmeister und sogar (arabische) Aushilfshausmeister einzustellen, viele lösten sich sogar ganz auf! Insofern müßte seine Studie heute überarbeitet werden.

Das dritte mehrsemestrige FM-Seminar, das ich an der Uni Bremen belegte, leitete der Sozialphilosoph Ulrich Sonnemann, und zwar als Blockseminar alle 14 Tage, da er auch noch in Kassel lehrte. Sein Seminar fand abends – im nahen Restaurant „Munte 2“ statt, vielleicht war es auch in „Munte 1“. Es ging dabei um die Grundvoraussetzungen für ein anständiges Hausmeister-Dasein – orientiert an den Radikalphilosophen Deleuze und Guattari, konkret: um ein „Klein-Werden Schaffen“, wobei diese zwei Franzosen dabei jedoch an Franz Kafka dachten, der kein Hausmeister bei der „Generali“ war, sondern Versicherungsagent, als solcher hatte er jedoch ewig mit Hausmeistern zu tun. Deswegen konnten die beiden Franzmänner auch leichtherzig Kafkas Haupttext „Die Verwandlung“ eine neue Wendung geben: Bei ihnen (im „Anti-Ödipus“ und im „Mille Plateaux“) besteht das „Problem“ des quasi über Nacht kleiner werdenden Helden nicht mehr darin, dass er sich dabei in einen großen Käfer verwandelt, sondern darin, wie er sich in diesem Zustand bei seiner schwierigen Klientel (Mieter) Respekt verschaffen kann. (Das Prager Theater „Komedia“ brachte diese noch viel kafkaeskere Version 2003 auf die Bühne, berichtete jedenfalls der polnische Reporter Mariusz Szczygiel 2006, der das anscheinend komisch fand). In den Siebzigerjahren sang Wolfgang Ambros in Wien das Lied: „A Hausmasta is a Respektsperson“.

Ulrich Sonnemanns FM-Blogseminar hatte bereits einige, sogar erhebliche Praxisanteile, freilich noch nicht zum (Zwangs-)Praktikum heruntergekommen. Einer war das – von der chinesischen Kulturrevolution und vielen damals aktuellen französischen Filmen inspirierte – Straßenfegen“ („Gassefegen“ in Kassel, aber auch in Gießen und im Vogelsberg genannt). Siehe dazu auch meinen blog-Eintrag vom 26.7. 2006, der das revolutionäre „Fegen“ in seiner „ganzen Breite auslotet“, wie der Tagesspiegel gerne zu solchen Recherchen anmerkt – schwachsinnigerweise.

Gleichzeitig neben dieser Handarbeit gaben wir das Kampfblatt „Der Rote Hausmeister“ heraus, das inzwischen als Monatszeitschrift von einer Gruppe Hausmeister des in Berlin privatisierten bzw. zur Privatisierung oder zum Abriß vorgesehenen sozialen Wohnungsbaus herausgegeben wird. Und während wir das alte irisch-amerikanische Lied „I treat my Deputy-Facility-Manager good/And I am friendly to Stra-han-gers” sangen, fegten wir die Uni-Foyers, die Wege zwischen den Gebäuden, die Schuppen 17 und 22 im Überseehafen (wo der spätere Westberliner Bürgermeister Walter Momper dann wegen Bananendiebstahl Hafenverbot bekam), ferner den Vortragssaal „Die Glocke“ (nachdem Alfred Sohn-Rethel dort einen Dia-Vortrag über seine Chinareise gehalten hatte, in dem es vor allem darum ging, wie die Auswirkungen der Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit in der chinesischen Kulturrevolution wirklich waren. So wußte er beispielsweise zu berichten, dass der Großrechner auf dem Güterbahnhof von Nanking nicht mehr gegen die Werktätigen, sondern für sie eingesetzt werde.)

Der Seminarlektüre von Thomas Pynchons „Die Enden der Parabel“, in Sonderheit seines „Byron“-Kapitels, schloß sich ein Praxisanteil „Glühbirnen wechseln“ sowie dann auch gleich noch „Neonröhren austauschen“ an. Das war wirklich praktisch, denn alle Seminarräume der Bremer Uni wurden mit Neonröhren erhellt. Die Redaktion von „Der Rote Hausmeister“ dachte sich zu ihrer Auswechsel-Aktion, die als Seminarschein anerkannt wurde, aus, dafür den anarchistischen Bremer Pfarrer Schiesches aus Huchtingen einzuladen. Er sollte einige Glühbirnen- und Neonröhren-Filme zeigen und kommentieren – und das im Rahmen eines offenen Seminarraum-Festes. Dies klappte auch – insofern er gleich zu Beginn jede Menge Sekt und Prosecco ausschenkte. Statt der FM-Lehrfilme zeigte er dann jedoch Kurzpornos, in denen junge Frauen sich von Schäferhunden die Möse lecken ließen. In einer Pause auf den Irrtum hingewiesen, nahm der Anarchopfarrer kurzerhand eine Sektflasche und ließ den Korken knallen. Dieser flog an die Decke – und durch die Lamellen einer Deckenleuchte, wobei die Neonröhre zersplitterte – und sich ein Glasregen auf die Seminarteilnehmer da drunter ergoß. Sie waren aber bereits derart angeheitert, dass sie nur johlten – und zwar so fröhlich, dass Schiesches gleich die nächste Flasche nahm und dann die übernächste… – bis alle Neonröhren im Seminarraum zerstört waren (sie sollten aber ja ohnehin von unserem Blogseminar ausgewechselt werden). Einer der vier Göttinger Mescaleros, der inzwischen nach Bremen zurückgekehrt war (und später leider Selbstmord beging), bezeichnete diesen Praxisanteil des Seminars und namentlich Schiesches Zerstörungslust danach gegenüber der Unileitung als eine „gelungene Performance – insofern sie doch einiges verdeutlicht“ habe.

Beim Theorieteil „Drogen teilen und (be)herrschen“ ging es in Sonnemanns Hausmeisterseminar genaugenommen bloß um die doppelte Buchführung beim Dealen mit Schulverpflegung – von Milch (in Tetrapacks der schwedischen Familie Rausing) und Kakao bis zu Aspirin, Drum-Tabak, Blättchen und kleineren Mengen Haschisch. Es war also eine Art VWL/BWL-Kurs, der jedoch eng an Francois Lyotards „Economie Libidinale“ orientiert war. Wie danach der Praxisanteil aussah, kann man sich denken.

Des weiteren befaßten wir uns mit dem „Sammeln von Daten“ (unserer potentiellen FM-Klientel), ferner mit dem Anlegen eines Hausmeister-Gartens auf dem Uni-Gelände (dazu bekamen wir Unterstützung vom renommierten holländischen Gartenbauarchitekten Le Roy, wobei wir ihm jedoch ausredeten, als Grundlage für die Anpflanzungen Bauschutt zu verwenden, wie er es avantgardistisch gestimmt überall sonst zu tun pflegte).

Indem wir beim Seminarthema „Hausmeister-Garten“ schon mit dem Unkraut haderten, kamen wir danach quasi automatisch auf das Stichwort „Vernichtung von Ungeziefer in Gebäuden“ – hierzu lasen wir Michel Serres‘ aus eigener Erfahrung schöpfende Studie „Der Parasit“, in der u.a. der Gedanke „Die besten Wirte sind manchmal auch die besten Parasiten“ hyperventiliert wird. Später hat auch Ulrich Enzensberger darüber ein Buch veröffentlicht, er tourt damit derzeit, begleitet von seiner Freundin Inge, durch diverse Berliner Veranstaltungssäle – dies ein Hinweis für die FM-Studenten der FHTW!). Der dazugehörige Praxisanteil sollte damals eigentlich in Kooperation mit dem internationalen Ungeziefer-Vernichtungskonzern „Rentokil“ durchgeführt werden, aber daraus wurde leider nichts. Erst als taz-aushilfshausmeister hatte ich 33 Jahre später mit den Kammerjägern dieses ebenso sagenumwobenen wie großangelegten Giftunternehmens zu tun. Siehe dazu auch meinen blog-eintrag vom 1.Sept. 2006 – über die Vernichtung einer Mäusefamilie in der tazzwei-redaktion im 4.Stock des taz-gebäudes. Das Stichwort „Rentokil“ ist damit jedoch noch lange nicht erschöpft. Angeblich sollen zur Zeit zwei Dokotoranden der Kulturwissenschaft an der HUB eine Arbeit über dieses „Paradigma“ bei Professor Machno schreiben.

Beim Theorieteil „Blumen- und Pflanzen-Obhut“ lasen wir „Das geheime Leben der Pflanzen“ und erneut „Mille Plateaux“ von Deleuze/Guattari, obwohl es in letzterem vor allem um das „Pflanze-Werden“ geht sowie um neue Beziehungsmodelle wie sie von der Orchidee und der Wespe bzw. vom Klee und der Hummel vorgelebt werden (siehe dazu auch Charles Darwin – zitiert in der blog-eintragung vom 16.3.2009). Der Praxisanteil bestand hier aus einer Exkursion in den Rhododendrongarten in Bremen-Horn und aus dem Besuch einer Großgärtnerei auf Genossenschaftsbasis bei Fischerhude, wo wir einen Vortrag über den russischen Gärtner Mitschurin hörten und den sowjetischen Film über ihn – „Die Erde wird blühen“ – sahen. Dabei ging es um die praktischen Grundzüge einer „proletarischen Biologie“, auch „Lamarxismus“ manchmal genannt, in unserem Seminar-Zusammenhang sprachen wir freilich von einer noch zu entwickelnden neuen „FM-Biologie“. Heute würde man dazu statt des o.e., die Theorie der morphogenetischen Resonanz vom Botaniker Rupert Sheldrake vorwegnehmenden Machwerks „Das geheime Leben…“ wahrscheinlich eher die zwei Pflanzenbücher der Schweizer Biologin Florianne Koechlin behandeln: „Zellgeflüster“ heißt das eine und „Pflanzenpalaver“ das andere. Wiewohl jetzt bloß Aushilfshausmeister bin ich bei der taz dennoch permanent für sechs große Topfpflanzen zuständig.

Beim Thema „Fahrstuhl und Lastenaufzugs-Regie“ wühlten wir uns durch ein ganzes Dutzend von Studien, die es darüber gab, meist von Architekten geschrieben. So dass wir nach anderem Stoff suchten. Der Münsteraner Philosoph Hans Blumenberg bewies in einem laut FAZ „brillanten Essay“ über den Fahrstuhl, dass Marx‘ These, eine Erfindung werde erst dann gemacht, wenn die ökonomische Entwicklung sie quasi verlange, falsch sei, denn der Fahrstuhl sei lange vor den Hochhäusern erfunden worden. Heute würde man natürlich auch noch etliche feministische Studien heranziehen – als Hausmeister: z.B. die großangelegte Untersuchung von Shirley Wilson über „männliche Belästigungen in Fahrstühlen“ und die auf Indien beschränkte Studie von Jennifer Lakschmi über das selbe Phänomen in „Paternostern“. Daneben vielleicht auch das allgemein gehaltene Werk von Helene Tursten „Als Frau im Fahrstuhl“. Oder auch das etwas naßforsch daherkommende Sachbuch von Jürgen Teichmann „Mit Einstein im Fahrstuhl – Physik genial erklärt“. Und neuerdings das Jungle-World-Dossier „Mit Nazis im Fahrstuhl“. Im „taz-hausmeisterblog“ habe ich mich bisher laut googles suchmaschine 181 mal über den „Fahrstuhl“ geäußert. Das muß hier reichen.

Das „Durchsetzen des Rauchverbots im Geltungsbereich des Hausmeisters eines Privatunternehmens oder einer öffentlichen Einrichtung“ war damals noch kein Thema. Zum Glück! Man konnte sogar noch in den Seminarräumen kettenrauchen und natürlich kiffen, obwohl vor jeder Sitzung darüber abgestimmt wurde, wobei eine knappe Mehrheit, bestehend zumeist aus Lehrerstudenten, gegen das Rauchen votierte. Bei den Kulturwissenschaftlern an der HUB ist das noch heute so, mindestens in den Kittler-Hauptseminaren.

Als das Thema „Müllvermeidung, -entsorgung“ im Sonnemann-Seminar, wie wir FMler es nannten, an der Reihe war, dachten wir uns mehr oder weniger lustige Recycling-Objekte aus (wobei es vor allem darauf ankam, sie möglichst „kreativ“ zu erklären/begründen), einige Modelle wurden dennoch später im Kunstkurs bei den Bildhauern auch realisiert (siehe unten). Die Redaktion von „Der Rote Hausmeister“, der ich da schon nicht mehr richtig angehörte, analysierte zwei Wochen lang private Mülltonnen im Reichenviertel Schwachhausen, um aus dem Abfall Rückschlüsse auf die seelischen Zustände seiner Verursacher ziehen zu können. So konnten sie z.B. anhand der vielen leeren Arzneimittel-Packungen, die sie aus dem Müll fischten, ziemlich sichere Angaben über die im Reichenviertel grasierenden Krankheiten und ihre Häufigkeit machen. Und anhand der wiederzusammengesetzten Briefschnipsel, die die Adressaten weggeworfen hatten, Näheres über ihre Einkünfte und Ausgaben sowie ggf. über die Höhe ihrer Schulden erfahren. Wie der Lehrbeauftragte Thomas Rommel aus Manila uns an der Bremer Uni später erklärte, habe seine Studie über die Hausmeister und Pförtner der Gated Communities in der philipinischen Hauptstadt ergeben, dass sie all diese für sie notwendigen „Daten“ und noch viel mehr ebenfalls herausbekommen – jedoch ohne dass sie dafür in den Mülltonnen herumwühlen müssen: „But don’t ask me how they do it. It’s their big secret.“ Beim dortigen Leiter des Goethe-Instituts, der ebenfalls zusammen mit seiner Frau, einer Tiefseetaucherin, in einer Gated Community wohnte, hatte der Hausmeister sogar laut Rommel alle Daten seiner Gäste, die ihn besuchten, herausbekommen. Entweder als eine Art spätere Rück- bzw. Sozialversicherung oder er arbeitete mit einer Diebesbande zusammen, indem er für sie sichere Tipps ausarbeitete. Über die heutige „Müllentsorgung“ und den Müll überhaupt hat dann die taz-Mitbegründerin und -bloggerin Imma Harms zusammen mit Thomas Winkelkotte einen Film gedreht. Das aber hier nur am Rande. Zuvor hatten Dorothee Wenner und ich in Manila einen Priester interviewt, der in der größten Müllsiedlung der Stadt, auf dem Müllberg gewissermaßen, missioniert, es stank dort entsetzlich, unser Thema war jedoch: „Allerheiligen auf den Philipinen“. Im Sonnemann-Seminar haben wir das Thema „Müll“ vor allem aus proletarischer Sicht vernachlässigt – das weiß ich aber erst, seitdem ich taz-aushilfshausmeister bin und vor allem mit Müll beschäftigt bin – mit mülltrennung und „blauen Tonnen“. Siehe dazu auch den blog-eintrag vom 10.7.2006 – „Die berühmt-berüchtigten blauen Tonnen“, die auch noch quasi überdeterminiert sind, weil sie von einem „Sozialbetrieb“ gebracht und abgeholt werden.

Ein wichtiger Teil der Sonnemannschen Hausmeister-Blockseminare bestand aus dem „Problem: Kommunikation“, d.h. wie geht man als Dienstleister mit seiner Klientel um, um nicht zwischen ihnen – Mieter/Untermieter und Vermieter/Verwalter – aufgerieben zu werden? Die endlosen Diskussionen darüber reichten von „Macht Rhizom! (der rosarote Panther)“ bis zu „Am Telefon nie was versprechen!“ Siehe dazu auch mein blog-eintrag vom 21.7. 2006 über Trotzki und das Telefon. Diese Trotzki-Studie ist natürlich neueren Datums, ich schrieb sie für die an der Frankfurter Uni herausgegebene Zeitschrift „kommunikation@gesellschaft“, aber auch bei Sonnemann lasen wir schon Trotzki, jedoch nicht unter dem Telefonaspekt, sondern jene Passagen in seinem Gesamtwerk, in denen er sich über das von Nichtrevolutionären sogenannte „Organisieren“ (der Revolution) lustig macht (u.a. über den „faschistischen Theoretiker“ Curzio Malaparte, der inzwischen wieder beliebt ist – seltsamerweise auch bei Linken). Heute würde man zu diesem Problem (des Sozialen) wahrscheinlich eher den französischen Wissenssoziologen Bruno Latour lesen – genauer gesagt: seine Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT).

Diese Vermutung könnte man nun leicht anhand des Vorlesungsverzeichnisses des ersten regulären deutschen Studiengangs „Facility Management“ an der FHTW verifizieren. Das will ich hier abschließend noch kurz versuchen:

Seltsamerweise geht es dort nicht mehr um „Theoria cum Praxi“, sondern genau andersrum:

Als erstes bieten Herr Prof. Dr. Külpmann und Frau Prof. Dr. Banghard nämlich „Fragen zur ‚Praxisphase'“ an.

Sodann annonciert der Dozent Kai Kummert ein Seminar über „FM-gerechte Planung“ – ich vermute, es handelt sich dabei um die architektonische Planung. Dies läßt sich aber wohl nur durchsetzen, das haben wir jedenfalls im Kurs Hausmeisterkunst an der Bremer Kunsthochschule gelernt, wenn der oder die FM derart hochbezahlt werden, dass ihre Tätigkeit ernsthaft bei den Ausgaben zu Buche schlägt. Es läuft also in jedem Fall auf ein Plädoyer für höhere Hausmeisterlöhne hinaus. Näheres dazu hat die neue Dienstleistungs-Gewerkschaft „Ver.di“ ausgerechnet.

Der selbe Dozent bietet auch noch ein Seminar über die Nachhaltigkeitszertifizierung an, ich nehme an, ebenfalls für Gebäude. So etwas gibt es auch beim „Öko-Hochhaus“ der GSW-Wohnungsbaugesellschaft neben der taz, die jetzt irgendwelchen üblen Heuschrecken bzw. scheuen Rehen aus Amerika gehört. Beim Bau dieses Gebäudes gab es wegen seines „ökologischen Werts“ und der Nachhaltigkeit eine fette Subvention vom Staat. Bisher haben die Besitzer jedoch noch keine Unterlagen darüber veröffentlicht, ob ihr Hochhaus wirklich Öko und überhaupt Loha-adäquat ist. Professoren der Architekturfakultät an TU bzw. UdK bezweifeln das stark, abgesehen davon fühlen sich die dort in den GSW-Büros Arbeitenden unwohl, weil sie nichts ändern dürfen – am Klima der Räume: alles wird automatisch gesteuert. Das vielphotographierte „Öko-Hochhaus“ in der Kochstraße, nunmehr Rudi-Dutschke-.Straße, ist vielleicht einfach nur ein Bluff – um an Staatsknete heranzukommen, oder höchstens eine Fehlplanung.

Kai Kummert bittet im übrigen um eine Anmeldung zur „Exkursion“ auf die große FM-Messe in Frankfurt. Wie bekannt haben wir in Berlin bisher nur eine „Hausmeisterkonferenz“ einmal im Jahr, die zudem noch von den Vermietern beherrscht wird, weswegen ich z.B. 2008 keine Akkreditierung dafür bekommen habe, obwohl ich alle Formulare dafür sauber und rechtzeitig ausfüllte. Aber wer beherrscht die FM-Messe? Das müßte sich doch leicht rauskriegen lassen.

Dann weist Kai Kummert noch auf ein weiteres FM-Event hin: „Am 21.04.2009 heißt es ‚auf zum VINCI Karrieretag'“. Das ist typisch für diesen neoliberalen Geist der Zeit, der allerdings und endlich in die Krise geraten ist: Karriere! Für den FMler, also für den ganz gewöhnlichen Haus-, Hof-, Wald-, Hafen-, Bade- und Platzmeister, sowie Feldschützer und Heizer gibt es keine sogenannte „Karriere“ – auch wenn alle Welt davon faselt und dies für das Wichtigste überhaupt hält: dass es voran geht – und zwar nach oben, was mit erheblichen Gehaltszuwächsen und eventuell auch noch fetten Boni verbunden ist. Für den wahren Hausmeister geht es dagegen nur und stets nach unten. „Abwärts treibt der Sinn!“ konstatierte bereits der Dichter Novalis, der in seinem Zivilberuf Hausmeister bei einem Bergwerkskonzern im Harz war. Oben wurde bereits erwähnt, dass der berühmte Sozialphilosoph Ulrich Sonnemann in dem nämlichen Zusammenhang von einem „Klein-Werden Schaffen“ sprach, wobei er sich auf zwei noch berühmtere französische Philosophen berief. Nebenbeibemerkt hat auch der jetzige taz-hausmeister Wolf seine Werkstatt im Keller – wie es sich gehört. Und der erste taz-hausmeister, Peter, hat sogar ganz im Keller gelebt, anschließend zog er jedoch für immer auf eine sonnige griechische Insel, wo er dann jedoch starb. Er hatte einst, zu Zeiten des Sonnemann-Seminars noch, an der Bremer Kunsthochschule Archiktektur studiert. Und dementsprechend war seine Kellerwerkstatt im ersten taz-domizil im Berliner Wedding dann auch ausgerüstet.

Die FHTW-Professorin Banghard bietet ein Seminar über „Kommunikation“ an. Was wir mit diesem Thema in unseren Bremer FM-Seminaren einst anstellten, wurde bereits oben angedeutet. Statt Latours „Akteurs-Netzwerk-Theorie“ (ANT) hier und jetzt zu behandeln, was nahegelegen hätte, zumal Suhrkamp und Merve diesen FM-Theoretiker jetzt verlegen wie blöd, hat die Professorin Banghard sich jedoch entschieden, das Thema um den Begriff „Selbstmanagement“ zu erweitern. Das macht mich etwas ratlos – um nicht zu sagen nachdenklich. Läuft diese Verbindung nicht auf ein bloßes „Autogespräch“, also mit sich selbst (auf eine gewissermaßen nach innen gewendete, monadische Kommunikation – ein Oxymoron) hinaus? Die selbe Dozentin bietet dann auch noch ein Projektstudium ohne Nennung der „Aufgabenstellungen“ an.

Außerdem bittet sie ihre Studenten, sich als Praktikanten bei der DEGEWO – dem größten wohnungswirtschaftlichen Unternehmen in Berlin- zur Verfügung zu stellen. Die Firma wird „in Zukunft der Gestaltung ihrer Freianlagen in den Wohngebieten einen größeren Stellenwert als in der Vergangenheit einräumen. Ein besonderes Augenmerk wird derzeit auf die Gropiusstadt gelegt. Die Anlagen sind in die Jahre gekommen und es soll für das Gebiet ein Konzept erstellt werden. Die Mitarbeiter der Bauabteilung benötigen für die anstehenden Aufgaben“ – eben Praktikanten, die FM studieren. Die DEGEWO hat viele andere Gesellschaften (vor allem im Osten) geschluckt. Bei Wikipedia heißt es dazu: „Die Gesellschaften treten am Markt einheitlich unter dem Namen Degewo auf. Das neue Logo, ein offener Ring, soll sowohl Geborgenheit und Schutz, als auch Offenheit für Neues symbolisieren.“ Mir deucht, diese Offenheit „symbolisiert“ eher die Kündigungsklauseln mit der man den Mieterschutz aushebelt.

Ein FHTW-Mitarbeiter, der anderswo einen neuen, wahrscheinlich besseren Job gefunden hat, hinterläßt die Mitteilung: „Herr Dornheim (FHTW – Raum 439) übernimmt [ab sofort] die Pflege des IT-Pools Facility Management“.

Die Dozentin Anne-Caroline Erbstößer veranstaltet eine „Stadtwanderung“, annonciert als „Exkursion“, wobei man sich am Deutschen Historischen Museum (Zeughaus) trifft. Ich nehme an, weil dort der erste Westdirektor, der fürchterliche CDU-Stölzl aus München, alle Ostprofessoren, die nicht entlassen wurden, zu Hausmeistern degradierte, wenn er sie nicht in die Garderobe verbannte. Siehe dazu mein Buchblock „Babelsberg – eine Endlosrecherche“, 1991 im Verlag Nautilus erschienen, dort geht es um die schrecklichen Wende-Vorgänge – u.a. im Zeughaus.

Die Dozentin oder der Dozent Andra Minoa annonciert „eine Exkursion zur ISH 2009“ – what ever that is. „Begrenzte Unterkünfte sind reserviert.“ Das verstehe ich schon eher.

Thomas Kalweit bietet eine „Klausur“ über das „Finanz- und Rechnungswesen“ an. Wieso er eine Klausur und kein Seminar darüber anbietet, ist mir ebenfalls ein Rätsel. In Bremen und Oldenburg gab es übrigens keine Klausuren, wenn man sich an einem Kollektiv-Referat beteiligt hatte, bekam man einen Schein – und das wars.

Ferner wird von der FHTW darauf hingewiesen: „Am Montag, 15.12.2008, strahlt der WDR Köln um 21:00 Uhr in seinem Wirtschaftsmagazin ‚Markt‘ einen Beitrag zur energetischen Sanierung“ – in dem es u.a. auch um den Studiengang FM der FHTW geht. Und wahrscheinlich auch um so etwas Ähnliches wie das komische o.e. „Öko-Hochhaus“ der GSW.

Außerdem gibt es „Informationen zur Kick-off Veranstaltung des Immobilienmanagement-Wettbewerbs am 04.12.“ Ich weiß nicht, was eine „Kick-off-Veranstaltung“ ist (an der FHTW anscheinend etwas völlig Normales!) aber ein IM-Wettbewerb – das ist doch wohl das letzte. Jetzt sollen die FM/IM schon darwinistisch gegeneinander nach oben sich konkurrieren – obwohl (oder gerade weil?) sie ganz unten (tätig) werden sollen/wollen – und das doch auf lange Sicht!

Und am 4.12.2008 findet im Beuth-Saal Haus Grashof das Fachsymposium „Energieeffizienz in der Gebäudetechnik“ statt. Wenn es dabei nicht um einen bloßen Fake wie beim „Öko-Hochhaus“ geht, dann kann es dabei, jedenfalls bei den gewerblich genutzten Häusern bzw. Räumen, doch nur um eine Belegung rund um die Uhr gehen, also um Hausmeisterdienste in drei Schichten – was auch für dessen Klientel gelten würde. Als die taz noch in der Weddinger Wattstraße domiziliert war (auf einer riesigen Fabriketage), wurden die Räume auch rund um die Uhr benutzt – es tagten Arbeitsgruppen, die zum Teil extra nach Westberlin angereist waren, es schliefen dort Mitarbeiter und Sympathisanten auf den Sperrmüll-Couchen, es trafen sich dort Ermittlungsausschüsse und um Mitternacht rückte auch noch die „Teekampagne“ der FU an, um mit dem taz-Zentralrechner ihre Bestellungen und Lieferungen zu erledigen (es wurden immer mehr – ihr Gründer hat deswegen gerade wieder ein neues Unternehmer-Handbuch veröffentlicht – laut Süddeutsche Zeitung.). Die ehemalige taz-etage hatte auf jeden Fall eine saugute „Energieeffizienz“ – wenn man die Mietkosten und die Nutzung der Räume gegeneinander aufrechnete. Heute gehen die taz-mitarbeiter immer früher nach Hause. Manchmal, so wie heute, ist man schon um 15 Uhr so gut wie alleine im Gebäude. Dessen „Energieeffizienz“ wird dadurch immer schlechter – daran können auch die ganzen Öko-„Formate“ in der Zeitung, die immer mehr werden, nichts ändern.

Eine weitere Bekanntmachung des jetzigen Studiengangs FM der FHTW lautet: „Die Klausur im Fach Qualitätsmanagement findet an der TFH, Haus Bauwesen, Raum D E 15 statt. Der Raum befindet sich im EG des Hauses Bauwesen ggü. der Bibliothek. Erlaubte Hilfsmittel sind die Norm DIN EN ISO 9001:2000 und die Normen der Gefma 700 ff. sowie die DIN EN 60812.“

„Qualitätsmanagement“ – das kenn ich. Beim Ostberliner Glühlampenwerk Narva hieß es einst „Jeder liefert jeden Qualität“ – angestoßen wurde diese „Bewegung“ von der Stachanowistin Erika Steinführer (sie wurde wenig später von Walter Womaka in einem damals noch neuen Soz-Pop-Stil porträtiert). In der Wende warf man diesen „ganzen Q-Klimbim“ jedoch auf den Müll. In der taz sprechen die Holzredakteure neuerdings, wohl um sich von allen Onlinern abzugrenzen, von „Qualitätsjournalismus“. Kann man sich auch so etwas wie z.B. „Qualitätswissenschaft“ vorstellen? Doch wohl nicht – genausowenig wie Qualitäts-FM. Entweder man versteht es als Hausmeister, den ebenso nervtötenden wie zeitraubenden und zudem kostenaufwendigen Wünschen seiner Klientel ein stets gutgelauntes „Wird sofort erledigt!“ zu entgegnen – und sich ansonsten nicht groß darum zu scheren, oder man macht sich zu ihrem Büttel bzw. Sklaven und kommt zu Nichts! Wir haben nun mal diese unselige Spaltung in Konsumenten und Produzenten (seit der Privatisierung des Gemeindelandes) – und erstere sind seitdem die natürlichen Feinde der letzteren, auch und gerade, weil sich beide brauchen. Gerade in der taz, die eine immer tiefer gehende ökologistisch-neoliberale Konsumentenpolitik verfolgt, mit durchaus affektiver Abwehr aller eher arbeiterlich-produktivistischen Politiken inzwischen, darf man keine Sekunde zögern, allen konsumistischen Bestrebungen sofort die rote Karte zu zeigen. Sonst geht da auch noch das letzte bißchen Dialektik flöten (Latour meint natürlich, das macht nichts!).

Professor Kretschmer von der FHTW gibt bekannt: „Die Veranstaltung ‚Auslegung Technischer Gebäudeanlagen‘ findet am 14.10.08 erstmals statt.“

Und Dozent Kai Kummert erinnert noch einmal daran: „Die am Dienstag, 14.10.2008 stattfindende Einstiegs- und Kontaktmesse fm-career ist für viele ProfessorInnen, DozentInnen und Studierende eine absolute Pflichtveranstaltung.“ Dem guten Mann, der sich bestimmt nicht selber schont (so viele Veranstaltungen wie er annonciert), scheint bisher entgangen zu sein, dass es um etwas ganz anderes geht, nämlich die Pflicht – jede Pflicht – ein für alle Mal zu eliminieren. Und stattdessen die Leidenschaft als Motor aller Aktivitäten und Arbeiten in ihr Recht (wieder) zu setzen: die große Fouriersche Leidenschaft! Das ist nun wirklich in aberhunderten von FM-Kursen, -Diskussionen, -Symposien etc. genügend durchgekaut worden. Ich nehme jedoch an, dass Dozent Kummert zu jung ist, um das alles noch mitbekommen zu haben. Aber selbst wenn ihm diese alten Hausmeister-Diskurse entgangen sein sollten, hätte er doch Ähnliches den ganzen Büchern der in der Tschechoslowakei zu Hausmeistern und Heizern verdonnerten Dissidenten und Charta-77-Unterschreibern entnehmen können (übrigens auch dem ersten Gulag-Roman von Solschenizyn) – oder gleich dem bei Suhrkamp erschienenen Gesamtwerk des Neigungshausmeisters Bohumil Hrabal, der immerhin als einer der größten tschechischen Schriftsteller gilt. Siehe dazu meinen blog-eintrag vom 23.8.2008 – „Einige verstreute Tschechensia“.

Thomas Kallweit gibt bekannt: „Seit kurzem ist der Fachbereich 2 der FHTW Berlin offizielles Mitglied der Microsoft Academic Alliance. Damit haben alle Mitglieder des Fachbereiches (Mitarbeiter, Professoren und Studenten) die Möglichkeit einen Großteil der Microsoft-Produkte kostenlos für Lehre und Studium zu erhalten.“ (Die taz hat sich bereits vor einigen Jahren für die Open Source „Linux“ entschieden – und war damit vertraglich aus dem Schneider.)

Die neuen FM-Studenten, zukünftige Bachelor- wie Master-Hausmeister, kommen ganz schön rum, wenn sie denn wollen. So heißt es an einer Stelle des Vorlesungsverzeichnissen: „Aufgrund der Exkursion nach Rotterdam wird der Termin der Übung am 13.10 auf den 17.10 von 13:45 – 17:00 im Raum HG 452 verschoben.“ In Rotterdam kenne ich auch zwei Hausmeister. Beide waren früher Seeleute. Sie überbrücken mit ihrer neuen Tätigkeit nur eine kurze Zeit bis zur Rente. Der eine arbeitet in einer Kunsthalle und der andere im Kollektiv in einem größeren Wohnblock eines arabischen Viertels. Beide sind noch in der Seeleute-Gewerkschaft aktiv. Zu ihrer Gruppe gehören auch ein zwei Ex-Kapitäne, die in den Siebzigerjahren an der Uni Bremen studierten, über sie habe ich später die Rotterdamer Hausmeister kennen gelernt.

Und noch ein Outdoor-Event für die FM-Studenten: „Der Treffpunkt für die Kick-off Veranstaltung ist nun: Haupteingang zum Virchow-Klinikum, U-Bahn Station Amrumer Str., 13:45 Uhr. Von dort aus gehen wir gemeinsam zur Mittelallee 10, die sich auf dem Campus des Virchow-Klinikums befindet.“ Ich weiß immer noch nicht, was eine „Kick-off-Veranstaltung“ ist, es klingt auf alle Fälle unanständig – wenn es so gehäuft auftritt, aber Hausmeister in einem Klinikum zu sein – davon träumen alle angehenden Hausmeister, warum weiß ich nicht, wahrscheinlich wegen der vielen Krankenschwestern. Aus einer Statistik, die wir in einem der Sonnemann-FM-Seminare diskutierten, ging jedoch hervor, dass 33% aller in den Krankenhäusern von Bremen und Niedersachsen beschäftigten Frauen sich mit Ärzten und Bewegungstherapeuten liierte, 21% mit Pflegern, 9% mit Köchen und ähnlichen „Handwerkern“ und nur 1,8% mit Hausmeistern. Wie es heute ist, weiß ich nicht, wahrscheinlich noch deprimierender!

Zuletzt sei noch folgende FM-Annonce der FHTW erwähnt: „Die von FM-Studierenden organisierte Einstiegs- und Kontaktmesse fm-career (Eventmanagement WS 2007/2008) hat wieder einen neuen Aussteller für die Messe gewonnen: Den zentralen öffentlichen Facility Management Dienstleister des Landes Brandenburg. Damit ist die Messe an der TFH bis auf wenige freie Ausstellungsflächen ausgebucht. Alle Lehrenden von FHTW und TFH werden gebeten, die Studierenden für den Besuch der Messe freizustellen…“

Das haben Sabine Vogel und ich auch mal gemacht – eine(n) Messe(-Stand) organisiert. Und zwar für unsere LPG „Florian Geyer Tierproduktion“ 1989 – in der „Öko-Halle“ auf der „Grünen Woche“. Siehe dazu den blog-eintrag vom 20.3.2009 – „Aus unserem Brigadetagebuch“. Hat Spaß gemacht! Erst einige Zeit später erfuhren wir von einem LPG-Bauern in der Prignitz, Emil Cort, der zuletzt Hausmeister eines Kinderheims in seinem Dorf Kampehl gewesen war, dass auch dort im Osten schon die Ökologie- und Energieeffizienz-Politik primär auf dem Rücken der Hausmeister (und Heizer) „umgesetzt“ wurde. In einem Interview, das wir mit Emil Cort führten, erzählte er, dass ihn seine sozialistische Brigade im Kinderheim 1986 zum “Energiebeauftragten” befördert hatte: “Von oben kam, ich sollte weniger Kohle verbrauchen und dafür eine Prämie kriegen, das paßte mir natürlich, die im Heim wollten aber, daß ich nur das Thermometer nach unten hänge, wo es bloß 18 Grad warm war.” Zu den üblichen Hausmeister-Dilemmata kam also 86 auch noch das Öko-Dilemma – und das ließ sich auch nicht lösen, wenigstens bis zur Wende nicht, und danach vergrößerte es sich sogar noch. Siehe dazu den blog-eintrag vom 28.7.2006, in dem Emil Corts ausführliche Lebensgeschichte steht.

Eine Bewertung der Studienabgebote des Studienbereichs „Facility Management“ an der FHTW soll an anderer Stelle zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. So viel sei aber jetzt schon kommentiert: Für ein Hausmeister-Studium-Generale ist darin viel zu viel von „Karriere“ die Rede, geht es jedoch um die Ausbildung zukünftiger Haus- bzw. Immobilienverwalter – dann ist dabei überhaupt Vorsicht geboten: Ich habe gerade mit meiner neuen Hausbesitzer-Hausverwaltung die größten „Probleme“ – bis hin zu fristloser Wohnungskündigung wegen exorbitanter Heiz- und Betriebskosten-Steigerungen, die ich nicht zahlen will. Davor kamen sie mir schon mit einem Prozeß, weil ich eine Mieterhöhung abgelehnt hatte, die sie mit dem neuen Mietspiegel begründeten, der jedoch für meine kleine Wohnung gar nicht gilt, da sie sich noch ausstattungsmäßig unterhalb aller beim Mietspiegel zugrundegelegten „Errungenschaften des modernen bzw. sozialen Wohnungsbaus“ befindet. Diesen Prozeß habe ich dann auch mit Hilfe meiner Mietrechtsexpertin Cornelia quasi gewonnen. Aber kurz darauf verlangten die neuen Hausbesitzer schon die selbe Summe, nur das diese sich jetzt anders zusammensetzt. Ich will damit sagen: Über Hausverwaltungen könnte ich an dieser Stelle viel berichten. Und auch darüber, warum man sich nie zu einer solchen Schandtat hergeben sollte. Das fing schon mit meiner ersten Hausverwaltung an: ein Kreuzberger Ehepaar, das als Hauswartspärchen Karriere gemacht hatte – und daraufhin sofort größenwahnsinnig und korrupt geworden war: „Jetzt wird verdient wie verrückt!“. Das sah man schon an ihrem neuen Briefpapier – als frischgebackene Hausverwalter. Meiner Vormieterin versprachen sie, mir die Wohnung zum selben Mietzins zu übergeben – 420 DM. Aber als wir unterschreiben wollten, verlangten sie plötzlich 500 DM. Und meinten dazu bloß schnippisch: „Sie müssen ja nicht unterschreiben!“

To cut a long story short: Facility Manager – das ist bloß was als Hausmeister, alles andere ist voll verwerflich. Ein deutscher (oder österreichischer) Hausmeister zu sein – das ist schon schlimm genug. Eigentlich geht bloß Deputy Facility Manager (Aushilfshausmeister) – als grad noch geduldetes Mitglied der menschlichen Gemeinschaft so durch. Jedenfalls wenn man strenge Kantsche Maßstäbe anlegt. Mitte der Achtzigerjahre gab es zu diesem Problem auch mal eine taz-arbeitsgruppe, die ihre Ergebnisse regelmäßig als „taz-sommerloch-team“ veröffentlichte. Organisiert und verköstigt wurde sie vom Nachtportier Dr. Burghard Scherer – auf seiner skobalitüberdachten Veranda in Gießen; zeitweilig in Zusammenarbeit mit dem Platzwart des Dauercamperareals auf dem Zeltplatz am Niedermooser See. Ihre Kolumnen müssen noch im taz-archiv zu finden sein, das nun zur Gänze digitalisiert ist.

In Ergänzung, und um auch noch was Positives hier hintanzufügen, möchte ich die FM-Studenten (Bachelor wie Master) noch auf ein Seminar an der FU bei den Slawisten hinweisen, das sie eventuell als Nebenhörer belegen können: Die Lehrbeauftragte Stefanie Peter, Ethnologin und Trägerin des polnischen Verdienstkreuzes, bearbeitet dort im SS 2009 den polnischen „Untergrund“. Als zukünftiger Hausmeister lassen sich in ihrer Veranstaltung wertvolle Kenntnisse erwerben. Polen verschwand mehrmals in seiner Geschichte komplett von der Landkarte (weil die Schweine-Deutschen und -Russen es sich unter den Nagel rissen). Aber jedesmal ging fast die komplette polnische Gesellschaft in den Untergrund. Das, was man dort oben also sah – und das gilt auch noch für die Zeit des Zweiten Weltkriegs sowie für die Solidarnosc-Zeit – war bloß die Simulation eines Restpolens. Das wirkliche, lebendige Polen befand sich unsichtbar im Untergrund. Kein Wunder, dass der berühmteste polnische Film über den Partisanenkampf gegen die Deutschen (und auch Russen) – von Andrej Wajda – „Der Kanal“ heißt, d.h. er spielt im Wesentlichen im Untergrund – in der Kanalisation. Aber auch über die sozusagen unmittelbare Hausmeister-Ebene, die Keller, gibt es Berichte, denn in den Kellern, die alle durchbrochen und dadurch verbunden waren, spielte sich ebenfalls ein grausamer Untergrundkampf ab. Die Frage des Peter-Seminars könnte nun lauten: Befindet sich die wahre und wirkliche polnische Gesellschaft auch heute noch oder heute schon wieder im Untergrund? Und ist demnach das, was wir dort sehen (im Urlaub, vom Auto oder vom Zug aus) nur eine polnische Simulation von Gesellschaft? Ich bin geneigt, das mit Bruno Latours „Akteurs-Netzwerk-Theorie“ (ANT) zu bejahen. Siehe dazu auch meinen blog-eintrag vom 11.12.2007 – „Gänseblümchen“: So lautete der Deckname einer Untergrund-Kurierin (nicht -Karrierin) in „Der Kanal“, die bis heute polnische Künstler zu Höchstleistungen antreibt bzw. befähigt. Als zukünftiger FM/Hausmeister, der man seinen Arbeits- und oft auch Wohnplatz sowie seine Werkstatt im Keller bzw. im Tiefparterre oder höchstens im Erdgeschoß hat, ist das FU-Untergrund-Seminar eigentlich ein Muß! Denn gerade dort spielte sich für die Polen oft genug das wahre Leben ab – und daraus kann man lernen: Wie man von da aus „das Soziale“ (re)konstruiert – d.h. festigt und ausweitet! Das, was wir heute auf Plattdeutsch „Networking“ nennen, ist also eine uralte polnische Spezialität – wieder und wieder erprobt, unter den widrigsten Umständen, um das Mindeste zu sagen.

Dieser längst vergessene Poller von Peter W., den er seinerzeit an der Bremer Kunsthochschule im Kurs von Professor Waldemar Otto „Hausmeisterkunst I und II“ entwarf und später auch baute, wurde neulich von Peter Grosse, der nahe bei Bremen wohnt, wiedergefunden und sogleich abphotographiert. Peter W. (heute 59) ist nunmehr Hausmeister in einem Airbusunternehmen bei Bremen. Sein Poller steht jetzt in der Abstellkammer einer Kunstgalerie im Ostertorviertel.

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