Die taz-Redakteurin Heide Oestreich wurde mit dem Berliner Journalistenpreis „Der lange Atem“ ausgezeichnet. Sie erhielt den mit 2.000 Euro dotierten zweiten Preis in Anerkennung ihrer langjährigen Berichterstattung als Redakteurin für Geschlechterfragen.
Heide Oestreich ist seit zehn Jahren Journalistin der taz. Ihr Themengebiet: Frauen und Männer, Gender und Geschlecht. Ein schwieriges Fachgebiet ist das – denn nahezu alle Themen haben einen geschlechtsspezifischen Aspekt – nur interessiert der in der Regel kaum.
Wären da nicht die Texte von Heide Oestreich. Sie schafft es, aus der Benachteiligung der Frauen durch Hartz IV einen Krimi, aus dem Ypsilanti-Bashing einen Thriller, und aus dem Polit-Durchmarsch der Angela Merkel die Fußangeln des Feminismus zu machen.
„Seit zehn Jahren entdeckt, analysiert und markiert sie Geschlechterstereotype in Gesellschaft und Politik“, so würdigte Stern-Redakteur und Jury-Mitglied Hans-Ulrich Jörges ihre Arbeit. „Immer klug, immer engagiert und immer wieder überraschend durch eine neue, ungewohnte Perspektive.“
Tatsächlich überzeugen Oestreichs Texte gerade deshalb, weil sie nicht vereinnahmen. Sie nähert sich einem frauenbezogenen Thema selten aus einer streng feministischen Perspektive, sondern sie analysiert es von einem neutralen Blickwinkel aus. In ihrem Fazit allerdings nimmt sie Partei für die Frauen. Ihre Parteinahme ist nicht ideologisch gefärbt. So schafft sie es, Brücken zu schlagen zwischen feministischen Ansätzen und einem Mainstream, der sich darum nicht immer schert.
Der 1. Preis „Der lange Atem“ ging übrigens an Andreas Förster von der Berliner Zeitung für seine Berichterstattung über die Stasi, der 3. Preis an rbb-Journalist Jo Goll für seine Beiträge über „Wege aus der Parallelgesellschaft“. Die Preise verleiht der Verein Berliner Journalisten.
Vier Texte von 43
Insgesamt 43 Texte zu den Themen „Die gemachte Frau“ und „Der gemachte Mann“ hatte Heide Oestreich bei der Jury eingereicht – und unterstrich damit tatsächlich ihren langen Atem bei diesen Fragen. Hier vier Texte, die beispielhaft zeigen, wie sie denkt und schreibt:
1. „Ausgerechnet Angela“ – ein Portrait der damaligen Kanzlerkandidatin Angela Merkel vom 17. September 2005 unter der Fragestellung, warum sie so gut wegkommt bei Alice Schwarzers Zeitschrift Emma, obwohl sie nichts für den Feminismus übrig hat.
2. „Hillary Clinton – Pionierin in Not“ vom 14. 2008 wiederum beleutet die Situation der US-Senatorin, die Präsidentin werden will. Welche Rolle spielte ihr Geschlecht für ihre Chancen?
3. „Die Stille nach dem Schuss“ von 2. Oktober 2009 befasst sich schließlich mit der Tatsache, dass die deutschen Frauen zwar den erfolgreicheren Fußball spielen, aber trotzdem kaum wahrgenommen werden.
4. „Unverträglich sture Frauen“ von 22. November 2008 beschreibt, warum man schon eine Frau sein muss, um so grausam scheitern zu können, wie Andrea Ypsilanti.
Waltraud Schwab ist Redakteurin bei der Sonntaz.