vonbernd pickert 18.04.2009

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Am Schluss wird es tosenden Applaus geben. Und doch wird man kaum noch wissen, ob der nun Dagmar Herzog gilt, die gejetlagt (nach eineinalb Stunden Schlaf im Flugzeug) geduldig, nachdenklich und humorvoll ihre „Innenansichten einer beginnenden Ära“ ausbreitet. Oder doch der glänzend vorbereiteten Moderatorin Bettina Gaus? Oder etwa dem abwesenden US-Präsidenten Barack Obama, über dessen kommende Ära hier gesprochen wurde?

In fünf Punkte hatte die amerikanische Historikern Dagmar Herzog ihren Eingangsvortrag gegliedert – darunter wunderbare Kalendersprüche: „Alte Gewohnheiten sterben schwer“, sagt sie und meint, dass die Republikaner inzwischen längst auf vollen Kampf gegen Obama umgestellt haben und dabei alle ihre alten Taktiken weiterbenutzen: lügen, verleumden, aufbauschen, angreifen, Verwirrung stiften. Das ist Sabotage vom feinsten – „ich will dass Obama scheitert“, hat Rush Limbaugh gesagt, und das meinen sie ernst.

Das Gute – und Herzogs zweiter Lehrsatz: Obama meistert die Situation besser als jeder andere Demokrat je. Er bindet ein, erklärt, ist medienpräsent, führt den Diskurs an, der wenn überhaupt im Laufe der Zeit jenen gesellschaftlichen Wandel bringen kann, der die kulturelle Hegemonie der Konservativen zu brechen in der Lage sein könnte.

Doch die letztlich diese Diskussion und die linke US-Debatte überhaupt bestimmende Frage schließt sich an und mit Herzogs drei letzten Punkten auch ab: Wenn Obama immer wieder vorauseilend auf die Rechten zugeht, obwohl die seine ausgestreckte Hand stets ausschlagen, wie rechts ist er eigentlich selbst? Es sei doch erstaunlich, gibt Bettina Gaus zu Bedenken, wenn viele Linke stets alles zu Strategie erklären, was ihnen an Obama gefällt, und zu Taktik, was ihnen nicht gefällt.  Der Saal lacht unwohlig.

Projektionen, Erwartungen? Alles noch da, und ein paar Enttäuschungen auch. Nicht nur „dass Obama auch Militarist ist“, also über seine Afghanistanpolitik, sondern auch darüber, dass etwa die ganze unsinnige Sexualpolitik der Bush-Ära, die den Jugendlichen Sexualaufklärung verweigert, Abstinenz als einzige Verhütungsmethode propagiert und zu einer umglaublichen Vielzahl ungewollter Schwangerschaften führt, noch in Kraft ist.

Doch im Saal wie bei Dagmar Herzog überwiegen Hoffung, gepaart mit Unsicherheit. Wenn die Amis immer so viel Angst vor allem möglichen haben – kann Obama ihnen die nehmen? Vielleicht. Könnten die Konservativen nicht wieder ganz stark werden? Kaum. Bleibt der Trend gegen die Schwulenehe? Nein.

Ein voller Saal bei einem tazkongress, der über einen US-Präsidenten als Hoffnungsträger diskutert, nicht als Feindbild oder bestenfalls kleineres Übel – das ist  auch eine Neuheit in 30 Jahren taz-Geschichte.

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