vonsaveourseeds 25.03.2009

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ie hessische Landesregierung wird eine Initiative in den Bundesrat einbringen, die Patente auf Pflanzen und Tiere die nicht das Produkt gentechnischer Manipulation sind, verbieten soll. Anlass dafür sind beim Europäischen Patentamt anhängige Verfahren zur Patentierung von Broccoli und Schweinen.
Die hessische Initiative legt den Finger in eine offene Wunde, in der Monsanto und andere Gentechnik-Konzerne mit Hilfe ihrer Anwälte seit Jahren systematisch bohren: Grundsätzlich sind nach europäischem Recht (anders als in den USA) “im wesentlichen biologische Verfahren” bei der Züchtung nicht patentierbar. Der Begriff soll sie von gentechnischen Verfahren abgrenzen, deren Patentierung seit zehn Jahren auch nach europäischem Recht möglich sein soll.
Was ist “im wesentlichen biologisch”? Nach Lesart von Monsanto und dem Münchner Patentamt ist was mit gentechnisch anmutenden Methoden beschrieben werden kann nicht mehr biologisch, sondern bio-technologisch und deshalb patentierbar. Wo ein biologischer Vorgang molekularbiologisch beschrieben werden kann, steht seiner Patentierung nichts im Wege.
Wir wollen Sie hier nicht langweilen oder verwirren. Für Dummys deshalb diese Faustregel: Wenn Sie durch Kreuzung und Auswahl eine sagen wir besonders schmackhafte Tomate züchten, ist die nicht patentierbar. Wenn Sie aber die gleiche Kreuzung und Auswahl zur Züchtung der selben Tomate mit Hilfe sogenannter genetischer Marker vornehmen, dann i s t sie patentierbar. Die Marker sagen Ihnen nichts weiter als, dass bestimmte Eigenschaften mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit in der Kreuzung auftauchen oder auch nicht. Sie sind beliebige DNA-Sequenzen, höchstwahrscheinlich ohne jede Bedeutung für die Eigenschaft um die es geht. Alles was über sie bekannt ist, ist dass sie häufig mit den jeweils gesuchten Eigenschaften vererbt werden. Weil genetische Marker mit Hilfe von DNA-Sequenzierungsmethoden identifiziert werden, so die Logik der Patentanwälte, ist das ganze Verfahren jetzt nicht mehr „im wesentlichen biologisch“. Capito?

Falls Sie noch Fragen haben, schauen Sie nach bei der löblichen Initiative gegen Patente auf Leben.

Und hier noch die Original-Presseerklärung aus Hessen. Merke: Auch die CDU probt den wahlkämpferischen Aufstand gegen Monsanto – bloss lieber nicht gegen die Gentechnik. Das ist übrigens auch die Linie des Deutschen Bauernverbandes. Damit wollen wir freilich den Widerstand gegen die Patent-Invasion von Monsanto & Co in die klassische Züchtung nicht im Geringsten relativieren: Er ist wichtig, richtig und gut.

Lautenschläger: Keine Patentierung von Tieren und Pflanzen

Hessische Initiative im Bundesrat –  Ethische und wirtschaftspolitische Gründe

Hessen setzt sich im Bundesrat für eine Verschärfung der europäischen Biopatentrichtlinie ein. Ziel ist das Verbot einer Patentierung von neu gezüchteten Tieren und Pflanzen, teilte die hessische Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger am Mittwoch in Wiesbaden mit. Die bisherige Reglung sei unklar und schwammig. In der Praxis führe das dazu, dass zunehmend Patente für Lebewesen zugelassen würden. Dies schränke jedoch die landwirtschaftliche Weiter- und Neuzucht immer weiter ein und verteuere deren Nutzung. Neben wirtschaftspolitischen sprächen auch ethische Gründe für eine Änderung der Richtlinie, betonte die Ministerin.
Tiere und Pflanzen sind keine Erfindung und deshalb nicht patentierbar

„Eine Erfindung ist eine technische Lösung für ein technisches Problem. Tiere und Pflanzen sind aber keine Erfindung und deshalb nicht patentierbar“, erklärte Lautenschläger. Sie ergänzte: „Aus unserer Kultur und unserem christlichen Menschenbild heraus bezeichnen wir Tiere als Mitgeschöpfe, für die wir Verantwortung tragen. Diesen Gedanken spiegelt unser Tierschutzgesetz wider – deshalb wurde der Tierschutz zu Recht in die Verfassung aufgenommen.“ Tiere seien lebende, leidensfähige Wesen: „Deshalb darf es im EU- Patentrecht keinerlei Grauzone, keinen Spielraum und keine Kompromisse geben“, erklärte die Ministerin.

Agrarische Vielfalt und ihre Nutzung nicht durch Patentierung gefährden

Vor dem Hintergrund der Sicherung der Ernährung und der künftig erforderlichen Anpassung von landwirtschaftlichen Nutztieren und Nutzpflanzen an den Klimawandel sei eine Änderung der aktuellen Patentierungspraxis durch eine Änderung der Biopatentrichtlinie notwendig. „Wir dürfen die agrarische Vielfalt und ihre Nutzung nicht durch Patentierung gefährden“, sagte Lautenschläger.

Patentierung von Pflanzen geht zu Lasten von Saatguterzeugern und Landwirten

Die Patentierung von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen führe dazu, dass große marktbeherrschende Saatgutkonzerne ihre Marktmacht immer weiter ausbauen könnten. Dies gehe zu Lasten der mittelständischen Saatguterzeuger und der Landwirtschaft insgesamt. Für die europäischeLandwirtschaft sei es stets von besonderer Bedeutung gewesen, einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Patent- und Sortenschutzrecht zu erzielen, mit dem Ziel, dass bei landwirtschaftlich genutzten Pflanzen, gegenüber den Landwirten, ausschließlich das Sortenschutzrecht gelten soll. „Ein ausgewogener Kompromiss ist seit Inkrafttreten der Biopatentrichtlinie im Jahr 1998 allerdings nicht mehr gegeben“, bedauerte die Ministerin.

Hintergrund: Hessische Bundesratsinitiative

In dem Entschließungsantrag fordert Hessen die Bundesregierung auf, sich im Europäischen Rat und bei der Kommission dafür einzusetzen, dass Patentierung von Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen und Tiere sind, zukünftig ausgeschlossen wird, wenn sie auf klassischen Züchtungsverfahren wie Kreuzung und Selektion beruhen. Der Antrag wird dem Bundesrat in Kürze zugeleitet.

Antrag des Landes Hessen

Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen
Der Bundesrat möge beschließen:
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich im Rat und bei der Kommission dafür einzusetzen, dass die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen dahingehend geändert wird, dass eine Patentierung von Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen und Tiere sind, zukünftig ausgeschlossen wird, wenn sie auf klassischen Züchtungsverfahren wie Kreuzung und Selektion beruhen. Die Regelungen zur Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren sind insgesamt kritisch zu überprüfen. Insbesondere wird die Bundesregierung gebeten, sich dafür einzusetzen, dass künftig der Erwerb von Patent-Ansprüchen auf Tiere und Pflanzen sowie deren Fortpflanzungsprodukte, die aus patentierten Verfahren hervorgehen, untersagt wird.

Begründung

Am 6. Juli 1998 erfolgte die Verabschiedung der EU-Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Biopatentrichtlinie), die bis zum 30. Juli 2000 in nationalem Recht umgesetzt werden musste. Durch die zwischenzeitlich erfolgte Patentierungspraxis hat sich gezeigt, dass zunehmend Patente auf biologische Verfahren sowie auf Tiere und Pflanzen erteilt werden, die sich nachteilig auf die gartenbauliche und landwirtschaftliche Weiter- und Neuzucht auswirken. Hierdurch wird jedoch nicht nur die herkömmliche gartenbauliche und landwirtschaftliche Zuchttätigkeit beeinträchtigt, sondern es besteht die Gefahr, dass die in den nächsten Jahren notwendigen Züchtungsfortschritte zur Anpassung von Nutzpflanzen und Nutztieren an den Klimawandel und zur Sicherung der Ernährungsgrundlagen behindert werden.

Bereits 1992 (EP 169672) vergab das Europäische Patentamt erstmals ein Patent auf Tiere. Es handelte sich um eine Maus, die durch gentechnische Veränderungen besonders anfällig für Krebs wurde. Der Anspruch dieses Patentes erstreckte sich damals auf alle Säugetiere außer dem Menschen, die durch dieses gentechnische Verfahren besonders leicht an Krebs erkranken würden. Letztlich wurde es nach mehreren Einspruchs- und Beschwerdeverfahren im Jahre 2004 auf die Spezies Maus begrenzt.

Das Europäische Patentamt vergab zudem bereits Patente auf Verfahren zur Züchtung von Rindern und Schweinen. Diese Patente sichern exklusive Nutzungsrechte für bestimmte Züchtungsverfahren von Nutztieren mit attraktiven Eigenschaften, wie leistungsstarker Milchproduktion, fettarmem Fleisch oder schnellem Wachstum.

Derzeit ist vor der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes der Fall „Broccoli“ (EP 1069819) anhängig, der als wegweisend für die zukünftige Patentierungspraxis angesehen wird. Mit dem Patentantrag wird sowohl der Patent-Anspruch auf ein Züchtungsverfahren, das auf der Selektion natürlicher in der Pflanze vorkommender Gene beruht, als auch der Patent-Anspruch auf die Pflanzen und Samen, die nach dem patentierten Verfahren hergestellt werden, geltend gemacht. Aufgrund von Einsprüchen wird der Patent-Antrag derzeit noch vor der Großen Beschwerdekammer verhandelt.

Gemäß Artikel 4 in Verbindung mit Artikel 2 der Biopatentrichtlinie sind „im wesentlichen biologische Verfahren“ zur Züchtung von Tieren oder Pflanzen, die vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruhen, nicht patentierbar. Die Definition und Abgrenzung des Begriffs „im wesentlichen biologisch“ erweist sich hierbei als zunehmend problematisch, da die Frage, ob ein Züchtungsverfahren, das zusätzlich zu Kreuzungs- und Selektionsschritten eine technische Besonderheit enthält (z.B. Kreuzung kombiniert mit DNA-markergestützter Selektion) patentierbar sein kann, durch das Europäische Patentamt sehr weit ausgelegt wird. Eine Klarstellung, dass die bloße Verwendung einzelner technischer Elemente nicht zur Patentierung eines herkömmlichen Kreuzungs- oder Selektionsverfahrens berechtigt, ist daher erforderlich.

Im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums war es für die europäische Landwirtschaft stets von Bedeutung, einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Patent- und Sortenschutzrecht zu erzielen, mit dem Ziel, dass bei landwirtschaftlich genutzten Pflanzen, gegenüber den Landwirten, ausschließlich das Sortenschutzrecht gelten soll. Dies galt analog auch in der Tierzucht. Ein ausgewogener Kompromiss ist seit Inkrafttreten der Biopatentrichtlinie allerdings nicht mehr gegeben. Das in der einschlägigen Biopatentrichtlinie festgeschriebene Verbot für die Patentierung von Pflanzensorten und Tierrassen wird zunehmend dadurch umgangen, dass Firmen Patente auf zu Sorten gehörende Pflanzen oder Tiere bzw. Patente, die mehr als eine Sorte umfassen, einschließlich des Anbauverfahrens, beantragen. Somit schließt das Patentsystem das Landwirteprivileg und die Züchter-Ausnahme aus, womit sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Züchter und Landwirte grundlegend ändern.

Ziel muss es daher sein, dass zukünftig die im Rahmen der klassischen Züchtung in Gartenbau und Landwirtschaft produzierten Tiere und Pflanzen in ihren Folgegenerationen keinem Patentschutz unterliegen, wenn in der Elterngeneration ein patentiertes Verfahren eingesetzt wurde, das auf einem klassischen Züchtungsverfahren unter Ausnutzung von Kreuzung und Selektion beruht.

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