vonDominic Johnson 22.06.2011

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Die Angriffe der ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) in der Provinz Süd-Kivu nehmen zu, immer wieder kommt es inzwischen zu Protestdemonstrationen der Bevölkerung, mal in der Provinzhauptstadt Bukavu, mal im am schlimmsten getroffenen Distrikt Shabunda, der große Urwalddistrikt im Inneren der Provinz. Die Menschen werfen der Regierung und der Armee vor, sie im Stich zu lassen. Wir dokumentieren einen Aufruf von nach Bukavu geflohenen Bewohnern Shabundas an Präsident Joseph Kabila, veröffentlicht von der Zeitung La Référence Plus in Kinshasa.

“Exzellenz Herr Präsident,

Wir, Bewohner des Distrikts Shabunda wohnhaft in Bukavu, verfolgen sehr genau die Verschlechterung der sozialen und der Sicherheitslage in diesem Distrikt mit all ihren Konsequenzen.

Der Distrikt Shabunda ist tatsächlich seit geraumer Zeit allen möglichen Übergriffen ausgesetzt. Die FDLR und andere bewaffnete Gruppen, die sich der Integration verweigern, verhalten sich als Kommandokräfte in erobertem Gebiet und säen damit Verwüstung unter der Bevölkerung. Das schlimmste Leid gibt es seit dem Rückzug der FARDC (kongolesische Regierungsarmee) in Sammelzentren zwecks Bildung von Regimentern. Die Militärs unserre Armee haben ihre Stellungen verlassen, um diesem Befehl der Militärführung zu folgen. Dies läßt all diesen negativen Kräften, die sich seit jeher wenige Meter von den Positionen unserer Militärs entfernt aufgestellt hatten, freie Bahn.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Memorandums befindet sich der Distrikt Shabunda zu 70 Prozent unter der Fuchtel der Interahamwe, die nicht nur plündern, töten, vergewaltigen und erpressen, sondern auch Menschen verschleppen und in den Wald mitnehmen. Momentan ist es nicht möglich, eine wie auch immer geartete Bilanz darüber zu erstellen, denn diese Akte des Vandalismus geschehen stündlich.

Doch halten wir fest, dass seit dem Rückzug der FARDC bis heute zu verzeichnen ist:
– In Lulingu, über 10.000 $ und 28 Ziegen als Lösegeld,
– In Nzovu, 43 Verschleppte, darunter 25 Mädchen, und 52 Ziegen plus 5.000 $ und die Plünderung der Läden, Apotheken und der Familienbesitze,
– In Luyuyu, 23 Getötete und verbrannte Häuser,
– In Pene Kusu und Kitindi, 6 Tote. Hunderte Verwundete ohne medizinische Versorgung sind überall auf ihrem Weg zu verzeichnen.
– In Kyanombe, Myanzi, 25 Goldstücke und 15 geplünderte Ziegen.
Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit.

Wir können nicht verschweigen, dass diese Turbulenzen mit den schulischen Abschlussprüfungen sowie mit der Revision der Wählerlisten zusammenfallen, so wie bereits 2005. Die Bevölkerungen der Gemeinden Baliga, Bamuguba-Nord, Bamuguba-Süd, Ikama/Kasanza und anderen haben ihre Dörfer verlassen und sind vor dem Angreifer geflohen, manche in den Wald, andere in Nachbargemeinden vor allem in Nachbardistrikten; dies bedeutet einen politischen Verlust für dieses Gebiet, das nie gemäß seiner wahren Bevölkerungszahl vertreten gewesen ist.

Es ist überflüssig, an die Artikel 16 und 52 der Verfassung zu erinnern, welche besagen: » Die menschliche Person ist heilig, der Staat hat die Pflicht, sie zu achten und zu schützen. Jede Person hat das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit … » Alle Kongolesen haben das Recht auf Frieden und Sicherheit, auf nationaler und internationaler Ebene.

Die Analyse dieser Situation verleitet zu einigen Fragen:

Warum werden die Bewohner Shabundas immer als Untermenschen betrachtet, die ihrem traurigen Schicksal überlassen werden, so als ob sie nicht zur Demokratischen Republik Kongo gehören?

In Kenntnis der Tatsache, dass die FDLR und Konsorten immer wenige Meter von den FARDC entfernt stehen, wieso werden alle Militärs von ihren Stellungen abgezogen, ohne Ersatz zur Sicherung der Bevölkerung, wenn man weiß, dass alle diese militärischen Bewegungen in erster Linie dem Schutz der Bevölkerung dienen sollten?

Wieso wird der Zeitpunkt der Revision des Wahlregisters benutzt, um den Distrikt Shaubnda seiner regulären Militärs zu entledigen?

Was hat der Distrikt Shabunda getan, um dieses Kreuz zu verdienen? Wo er doch massiv für die Institutionen stimmte, die 2006 gewählt wurden.

Inwieweit findet sich der Distrikt Shabunda in folgendem Schwur des Präsidenten wieder: » Ich werde alle meine Kräfte dafür geben, die Integrität des Staatsgebiets zu verteidigen » wenn ein Teil dieses Gebiets anstandslos von fremden Kräften besetzt wird?

Angesichts des Gesagten schlagen die Bewohner des Distrikts Shabunda wohnhaft in Bukavu vor:
Unverzüglich FARDC-Elemente in diesem Distrikt zu staionieren, um ihre alten Stellungen einzunehmen und Frieden zu bringen;
Die Zahl der Elemente der nationalen Polizei von 172 auf 1000 zu erhöhen, angesichts der staatsähnlichen Größe des Distrikts;
Das Enddatum für die Revision der Wahllisten durch die CENI (Wahlkommission) um zwei Monate zu verschieben in diesem Gebiet, das zu sehr von Übeltätern heimgesucht worden ist;
Dem Gebiet einen Sonderstatus zu gewähren, genauer den des Notstandsgebiets, mit allen daran geknüpften Erleichterungen und Förderungen.

Es lebe die Demokratische Republik Kongo. Es lebe die Provinz Süd-Kivu. Es lebe der Distrikt Shabunda. Es lebe die Demokratie.

Bukavu, 15. Juni 2011”

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