von 30.05.2011

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Wendy Brown sieht in Fremdheit der Welt und Selbstentfremdung bei Marx´ den Bezug zu Religion und Warenfetisch: Religion trete notwendig in der Fremdheit einer fremden Welt ins Alltagsbewusstsein als Illusion, Ersatz und Hoffnungsträger – und verschwinde auch nicht mit Industrialisierung, Warenwelt und ökonomischen Kalkül in Produktion und Konsum. Das Kalkül selbst in Geldform werde Gottstellvertreter, Jesus schmähe es unter „Mammon“ als seinen Rivalen und Gegenspieler und es werde zunehmend für Freiheit genommen. Religion bleibe trotz Säkularisation immer übergreifender Ausdruck von Entfremdung in fremder Welt, also Trennung von menschlicher Schöpfungskraft.

Marx, fährt die Brown also fort, gehe dieser Entfremdungsseite im ganzen Werk nach und fasse sie in ihrer ideellen Form im Fetischcharakter der Ware. Das Arbeitsprodukt und die darin enthaltenen Arbeitsverhältnisse von Menschen erscheinen den Produzenten auf dem Markt als Tauschbeziehungen und Preisverhältnisse von Dingen  – also verkehrt: Das, was wir richtig finden, realistisch, weil real, stehe auf dem Kopf  und sei daher religiös. Der Produzent verschwinde komplett in seinem Produkt als Ware, wie der Mensch im Geschöpf Gottes, den er zuvor imaginiert hat. Im Warenfetisch stehe die Entfremdung religiös wieder auf.

Doch Entfremdung zeige sich nicht nur im Gottesersatz für eine vertraute Welt und anhand des Kaufhaus als Kirche der Warenwelt, sondern auch an der Staatsfantasie. Mensch erscheine als Mensch nur, weil und wenn er Staatsbürger sei. Der Staat, den er „produziert“, indem er an ihn Teile seiner Souveränität zum Schutz vor sich, seinesgleichen und dem Fremden delegiert, erscheint ihm ganz praktisch und nachhaltig als sein nicht hinterfragbarer Schöpfer und Versorger also gottgleich. Das Maß seiner eignen Souveränität  – auch zur Änderung des Unsinnigen – scheint ferngesteuert staatsbestimmt.

Die Welt ist gestaltbar

Und gegen diese dreifache Verkehrung sagt der Marx- Spruch im Aufgang zum Senatssaal der HUB, die Welt sei nicht nur erklärbar, sondern auch gestaltbar! Wie oft mag darüber getagt worden sein: Wer´s glaubt, wird selig? Ich möchte das für mich eher getrennt halten: dann kann Kirche absterben, wenn so ein Gläubiger direkt mit Gott ist. Mit dem Konsum muss ich allein fertig werden, das ist rechtens. Und den Staat würde ich gern mit anderen auf die nötige Distanz bringen Hilft mir die „verständige Abstraktion“ einer bewussten Arbeitsassoziation? Und – warum nicht, würde Hartmut Rosa aus Jena sicher fragen? Wenn da die Welt vertraut ist und von der Arbeitsassoziation aus vertraut gemacht werden soll?

Wenn „die Welt stimmt“, weil vertraut ist und immer wieder auch bleibt bei aller unerwarteter Änderung, und alle Art von Arbeit, dann ist so ein Philosophieren über Gott und die Welt auch noch im guten  lebensschaffenden Marxschen Sinn – auch Arbeit. In meinem Wohnhaus in der östlichen Linienstraße ist das so – aber Arbeit würden die das dort nie nennen wollen! Arbeit ist die fremde Welt draußen und fremd ist sie, weil ein Markt. Er wird nicht so sehr als Möglichkeit empfunden, denn als die mühselige Suche nach einer unbekannten Nachfrage für ein unnötiges Angebot. Eines, das die Not wendet, die es gibt, ist kein Bedarf, sondern „nur“ ein Bedürfnis. „Arbeit“ also ist hier nichts weiter als Geld für Kaufhaus und Finanzamt. Und so gesehen eine Belastung.

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