vonDaniel Erk 01.07.2010

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“Was würden Sie denn machen, sie hätten die Wahl zwischen Stalin und Hitler?” fragte der Ex-Stasi-Spion und Linke-Vorsitzende in Niedersachsen Diether Dehm (mit h!) gestern vor laufenden Kameras (in der ZDF-Mediathek – ab Sekunde 52)  Tja, wir, das ist hier doch gar nicht die Frage – die Frage ist, wenn überhaupt, wie sich die Linke entschieden hätte bei einer solchen Wahl und man hat so eine Ahnung, wer die Stimmen der Linken bekommen hätte. Wobei Osker Lafontaines „Fremdarbeiter“-Ausfälle wie der notorische Antisemitismus der Linke (Redok berichtet) da vielleicht doch ein paar Fragen offenlassen.

Davon aber abgesehen ist Dehms Fomulierung politisch, moralisch, historisch und in überhaupt jeder Hinsicht unredlich. Man mag von Gauck und Wulff halten, was man will: Aber es stand gestern auf keiner Seite ein autoritärer Führer, Antisemit oder Freunde von Genoziden zur Wahl. Diese bequeme Unredlichkeit, sie spricht Bände. Die Welt wird reduziert auf ein pubertäres „alles Scheiße“ und dann wird behauptet, es habe keine andere Wahl als die eigene kaum kompromissbereite Fundamentalopposition gegeben. Allein die Wortwahl Dehms deutet an, wie weit sich die Linke von den tatsächlich verhandelten Themen und der bundesdeutschen Wirklichkeit entfernt hat.

Das allerdings gilt nun nicht nur für Diether Dehm sondern für seine Partei insgesamt. In einem überhaupt sehr lesenswerten Beitrag für die F.A.S. stellt der Journalist Nils Minkmar fest:

Für die Zeit nach 1933 wird (im aktuell diskutierten Programmentwurf der Linke, Anm.) zum Schicksal der Genossen geschrieben: „Viele sind von den Nazis getötet worden, andere saßen in Gefängnissen und Lagern oder befanden sich auf der Flucht.“ Wohl wahr. Aber warum kann man im Jahre 2010 nicht sagen, dass viele deutsche Kommunisten und Sozialdemokraten in sowjetischen Lagern und Gefängnissen saßen und von den Nazis nur getötet werden konnten, weil die Sowjets ihre Waggons, die es bereits über die Grenze geschafft hatten, zurück nach Berlin geschickt haben?

Aber auch wenn man davon absehen will: Wäre es nicht gerade für die SED-Nachfolgepartei, die sich so schwer mit ihrer unter anderem auch stalinistischen Vergangenheit tut, nicht eben dann eine einfache Wahl, wenn Hitler und Stalin zur Wahl stünden. In der Vergangenheit jedenfalls haben sich zum Teil die exakt gleichen Parteimitglieder voller Freude für Stalin entschieden – warum sollte sich das geändert haben?

Ps. Alles Weitere zur Linke, deren DDR-Märchenhuberei und Dehms Rolle in all dem – bei Malte Welding. Und bei Spreeblick vom sehr geschätzten Frédéric Valin.

(Danke, Björn)

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