vonHeiko Werning 31.01.2011

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„Soldaten sind Mörder“ – viele Angehörige und Sympathisanten der Bundeswehr haben sich heftig gegen das berühmte Tucholsky-Zitat gewehrt, denn als Mörder wollten sie sich nicht pauschal beurteilt sehen. Wie sich allmählich herausstellt, hatten sie damit völlig Recht. Denn zum Mord gehört ja der Vorsatz, also eine einigermaßen geplante, zielgerichtete Handlung. Wenn man sich aber anschaut, was bei der Bundeswehr in letzter Zeit so los ist, kann man mit guten Gründen bezweifeln, dass ihre Vereinsmitglieder dazu überhaupt in der Lage sind.

In Afghanistan zeigen die Bundeswehr-Soldaten den Taliban jetzt mal, was `ne Harke ist, indem sie ihnen einfach zuvorkommen und ihre Kameraden gleich selbst umnieten. Die Deutschen müssen eben immer alles am besten können.

Möglicherweise war irgendein Sensibelchen in der Führungsriege der Meinung, dass Berichte über derartige Räuber-und-Gendarm-Spiele nicht so recht zum Helden-Image der bewaffneten Friedensstifter passen, jedenfalls hat irgendwer sich die Feldpost der Soldaten sicherheitshalber mal näher angeschaut. Aber nicht einmal das klappt ordentlich: Aufgeflogen ist diese besondere Form der Öffentlichkeitsarbeit, weil die Schnüffler vergessen haben, die Briefe wieder zurück in die Umschläge zu stecken. Das sind ja wirklich Top-Spione. Wenn die nicht einmal das hinkriegen – wer will denn da ernsthaft glauben, die Todesfälle in Afghanistan gingen auf eine mangelhafte und veraltete Ausrüstung zurück, wie aus Militärkreisen gerne verlautbart wird? Wer nicht einmal einen Briefumschlag richtig bedienen kann – was soll denn der mit supermodernem Aufklärungsequipment? Das ja womöglich auch noch elektrisch ist oder scharfe Kanten hat und somit gleich wieder schlimme Gefahrenquellen für unsere Soldaten darstellt?

Vielleicht im Wissen um die Qualifikation ihrer Kämpfer setzt die Marine nach wie vor ein Segelschiff für die Ausbildung ihres Nachwuchses ein. Ein Segelschiff. Im 21. Jahrhundert. Auf die Takellage klettern zu können, wird sicherlich beim nächsten Kampfeinsatz eine kriegsentscheidende Fähigkeit sein. Vermutlich schießen sie von dort oben dann mit Harpunen auf die Atom-U-Boote der Gegner. Und schicken eine Taube aus, um herauszufinden, ob Land in der Nähe ist.

Aber warum sind jetzt alle so empört über die Zustände auf der Gorch Fock? Wenn ich die Vorwürfe richtig überblicke, konzentrieren sie sich im Wesentlichen darauf: An Bord des Dreimasters herrschen ein wenig freundliches Betriebsklima, schlechte Umgangsformen, eine laxe Vorstellung von Arbeitssicherheit, mangelnder Respekt vor Untergebenen, eine wenig sinnvolle Freizeitgestaltung und natürlich ein von irgendwelchem Gender Mainstreaming und Anti-Diskriminierungsgesetzen noch unverdorbenes, sozusagen urwüchsiges Mann-Frau-Verhältnis. Man muss schon ziemlich naiv sein, wenn man das überraschend findet. Der Führungsclique auf dem Boot wird außerdem vorgeworfen, kurz nach dem tödlichen Absturz einer jungen Soldatin gleich wieder zur Tagesordnung zurückgekehrt zu sein. Mangelndes Mitgefühl wird beklagt – als sei das nicht die Geschäftsgrundlage jedes Soldatentums.  Außerdem wird den Schiffschefs vorgeworfen, sich kurz nach dem Unfall angesichts des Beginns der Karnevalssaison zu einem feucht-fröhlichen Gelage zusammengefunden zu haben. Wer jemals an einem Freitagnachmittag Bahn gefahren ist, kann sich angesichts dieser Enthüllungen über den Wirklichkeitsverlust von Minister und Medien nur wundern. Und immerhin, das ist doch mal lobend zu erwähnen, ist dabei ja niemand betrunken über Bord gefallen. Sie können’s also doch!

Insgesamt entsteht der Eindruck, als habe Norbert Schatz sein Schiff für militärische Verhältnisse geradezu vorbildlich geführt. Kein Wunder, dass seine Kumpels in der Chefetage nun beleidigt reagieren, weil ihr Minister den Käptn für genau das abstraft, wofür er bislang bezahlt und hoch dekoriert wurde. Aber so ist das nun mal: Der gleiche Sachverhalt muss noch lange nicht immer gleich bewertet werden, darauf legen die Generäle sonst ja schließlich selbst größten Wert. Solange die Öffentlichkeit nichts davon mitbekommt, war Schatz ein vorbildlicher Befehlshaber, wenn er aber dasselbe macht wie sonst, das aber zufällig mal nach außen dringt, ist er plötzlich ein pflichtvergessener Tunichtgut. Aber das, liebe Generäle, das kennt Ihr doch, wozu jetzt das Gejammer? Wenn einer jemand anderes in einen Hinterhalt lockt und dann erschießt, wird das gemeinhin als Mord verstanden. Wenn Eure Leute während ihrer Berufsausübung aber dasselbe tun, dann … ach, Ihr wisst es doch selbst am besten. Also beschwert Euch nicht. Weggetreten!

Eine kürzere Version des Textes ist in der aktuellen Jungle World erschienen

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