vonDetlef Guertler 18.06.2009

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“Kampf dem Hohnlohn!” exklamiert die Aktion Lebendiges Deutsch, obwohl sie eigentlich “Her mit dem Hohnlohn!” meint. Allerdings nicht ökonomisch, sondern wortistisch gesehen. Denn sie möchte “frech, doch treffend” mit diesem Begriff den des “Dumping-Lohns” ersetzen.

Das ist zwar im entdenglischenden Sinne der Aktioneure wenig hilfreich, weil der Dumping-Lohn ein fast lupenrein exklusiv deutsches Wort ist, wie Anatol Stefanowitsch mit viel Aufwand und Klaus Jarchow mit viel Meinung festgestellt haben; und es ist auch ökonomisch, sozial und wortistisch knapp bis reichlich daneben, weil das “Dumping” des Dumpinglohns sich auf eine kollektive Vergleichsgröße bezieht (in der Regel das Unterschreiten von Tarif- oder Mindestlöhnen), wohingegen der “Hohn” des Hohnlohns individuell gemeint ist: Das Lohn-Angebot des Arbeitgebers ist so niedrig, dass der so Angesprochene sich verhöhnt vorkommt.

Aber (denn auf einen Satz mit Zwar muss ein Aber folgen) der Hohnlohn könnte durchaus in den kommenden Jahren seine begriffliche Berechtigung finden. In einer Weltwirtschaftskrise mit massiv steigender Arbeitslosigkeit wird es vermutlich nicht mehr so sehr darum gehen, zu welchen Preisen polnische oder vietnamesische Arbeitskräfte arbeiten (was wortistisch auf Dumpinglöhne hinausläuft), sondern wofür deutsche Arbeitskräfte zu arbeiten bereit oder gezwungen sind – wofür Hohnlohn eher passen würde.

Einen Vorgeschmack bietet jetzt schon Spanien: Arbeitslosigkeit in nur einem Jahr verdoppelt, vermutlich wird im Herbst die 20-Prozent-Marke überschritten, kein Ende in Sicht, Nobelpreisträger Paul Krugman hat Ministerpräsident Zapatero erklärt, dass es ganz einfach wäre, die spanische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen, man müsse nur die Löhne um 20 Prozent reduzieren, woraufhin sich Zapatero andere Berater gesucht hat, was aber am Problem nichts ändert. Und die ersten Hohnlohn-Stellenangebote gibt es auch schon: Halbtagsstelle Lohnbuchhaltung in Madrid, für 200 bis 300 Euro brutto pro Monat.

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